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BGH: Jeder vertretungsberechtigte Anwalt muss bestimmende Schriftsätze vorbehaltlos unterzeichnen (Foto: Africa Studio / stock.adobe.com)
Anforderungen an bestimmende anwaltliche Schriftsätze

BGH: Berufungsbegründung darf nicht mit Distanzierung des Unterzeichners versehen sein

ESV-Redaktion Recht
06.01.2023
Berufungsbegründungen sind als bestimmende Schriftsätze grundsätzlich vom Prozessbevollmächtigten zu unterzeichnen. Doch ist eine Unterschrift wirksam, wenn sich der Unterzeichner – etwa als Vertreter des zuständigen Anwalts – von dem betreffenden Schriftsatz distanziert? Hierzu hat sich der BGH in einem kürzlich veröffentlichten Beschuss geäußert.
In dem Streitfall hatte die Klägerin gegen den Beklagten rückständige Mieten geltend gemacht. Hiergegen wehrte sich der Beklagte mit einer Widerklage, in dem er seinerseits vom Kläger die Rückzahlung von überzahlten Miete forderte. Die Ausgangsinstanz – das AG Köln – verurteilte den Beklagten zur Zahlung von etwa 1.000 EUR. Die Widerklage wies das Gericht ab. Daraufhin griff der Beklagte das erstinstanzliche Urteil mit einer Berufung vor dem LG Köln an.
 

LG Köln: Berufungsbegründung muss wirksame Unterschrift des zuständigen Anwalts enthalten

Das Berufungsgericht verwarf das Rechtsmittel als unzulässig. Demnach wurde dieses nicht frist- und formgerecht Form begründet, weil es an der eigenhändigen Unterschrift des zuständigen Rechtsanwalts fehlte. Die Unterschrift des unterzeichnenden Anwalts war nämlich mit folgendem Zusatz versehen:
 
„Unterzeichnend für den vom Kollegen verfassten und verantworteten Schriftsatz als Kammervertreter.“
 
Der eigentlich zuständige Prozessbevollmächtigte des Beklagten hatte den betreffenden Schriftsatz nicht unterzeichnet. Weil der unterzeichnende Anwalt aber zum Ausdruck brachte, dass er den Inhalt die Berufungsbegründung nicht verantworten wollte, fehlte es nach Ansicht der Berufungsinstanz an der wirksamen Unterschrift des verantwortlichen Anwalts. Daraufhin beantragte der Beklagte Prozesskostenhilfe (PKH) für eine Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts zum BGH.

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BGH: Berufungsbegründung erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen

Der VIII. Zivilsenat des BGH lehnte den PKH-Antrag ab. Demnach hat die Berufungsinstanz zurecht angenommen, dass die Berufungsbegründung die Anforderungen der §§ 520 Absatz 5 ZPO und 130 Nr. 6 ZPO nicht erfüllt hat. Die weiteren tragenden Erwägungen des Senats:
 
  • Unterzeichnender Anwalt muss Berufungsbegründung prüfen und verantworten: Ein verantwortlicher Anwalt darf grundsätzlich die Berufungsbegründung von anderen Personen vorbereiten lassen. Allerdings muss er den betreffenden Schriftsatz selbstständig prüfen und die volle Verantwortung hierfür übernehmen.  
  • Grundsätzlich kein Nachweis zur Übernahme der Verantwortung erforderlich: Zwar betont der Senat dann weiter, dass das Gesetz aus Gründen der Rechtssicherheit prinzipiell keinen ausdrücklichen Nachweis der eigenverantwortlichen Durcharbeitung und der Übernahme der Verantwortung für den Inhalt an anwaltlichen Schriftsätzen fordert.
  • Aber – Ausnahmen möglich: Allerdings habe die Rechtsprechung auch Ausnahmen anerkannt. So liege eine Ausnahme unter anderem dann vor, wenn sich der unterzeichnende Anwalt von einem bestimmenden Schriftsatz distanziert, in dem er deutlich macht, dass er nicht die volle Verantwortung für dessen Inhalt übernehmen will. Zu solchen Schriftsätzen gehören auch Rechtsmittelbegründungen, führt der Senat hierzu aus.
Da der eigentlich zuständige und verantwortliche Anwalt nicht unterschrieben hatte und die Unterzeichnung durch den Vertreter aufgrund seiner Distanzierung unwirksam war, fehlte es also an einer wirksamen Begründung des Rechtsmittels. 

Quelle: Beschluss des BGH vom 06.12.2022 – VIII ZA 12/22


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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht