
BGH zur Heilung von Zustellungsmängeln einer Klage
Landgericht ändert Passivrubrum
Prozessvertreter des Beklagten verweigert das Empfangsbekennntis
Wahrer Beklagter geht in Berufung
Kläger: Zustellungsmangel durch § 189 ZPO geheilt
OLG hebt Urteil der Eingangsinstanz auf
BGH: Zustellung durch Landgericht an W bewirkt keine Zustellung an A
- Zustellungsadressat ergibt sich aus allen Begleitumständen der Klageschrift: Danach wollte der Kläger ersichtlich den Vertragspartner der Insolvenzschuldnerin in Anspruch nehmen. Er hatte nämlich vorgetragen, dass dieser die in Rechnung gestellten Waren bei der Insolvenzschuldnerin gekauft und nicht bezahlt habe. Dies ergebe sich aus den beigefügten Rechnungen und der Klagebegründung. All diesen Umständen, so der BGH, sei zu entnehmen, dass sich die Klage gegen A als Inhaber der Firma W. K. richten sollte.
- Keine Heilung nach § 189 ZPO: Der Zustellungsmangel sei nicht dadurch geheilt worden, dass A möglicherweise durch den W Kenntnis vom Inhalt der Klageschrift Kenntnis erlangt hat. Denn eine Heilung nach § 189 ZPO scheide aus, weil das Landgericht nicht den Willen hatte, eine Zustellung an A zu bewirken. Zum Zeitpunkt der Zustellung habe die erforderliche Auslegung der Klageschrift nämlich noch nicht stattgefunden. Die Zustellung habe ersichtlich an W, also an die Person erfolgen sollen, die im Rubrum der Klageschrift genannt wurde. Diese habe das Landgericht auch für den wahren Beklagten gehalten und an diesen habe es die Zustellung verfügt. Eine Heilung nach § 189 ZPO komme aber nicht für solche Zustellungsmängel in Betracht, bei der die Zustellung an einen Dritten erfolgt.
-
Prozessrechtsverhältns zwischen Kläger und A: Die Zustellung der Klageschrift an einen Dritten, der nach dem Klägerwillen gar nicht verklagt werden sollte, hat zur Folge, mit dem gewünschten Beklagten kein Prozessrechtsverhältnis begründet wird. Dies ist erst durch die Zustellung der Klage durch das OLG an den A entstanden.
- Keine Ersatzzustellung nach § 178 ZPO: Die Aushändigung der Klageschrift an W ist auch keine Ersatzzustellung nach § 178 Absatz 1 ZPO an den tatsächlichen Beklagten A. Voraussetzung für eine Ersatzzustellung sei, dass der richtige Zustellungsadressat der Klage nicht angetroffen wird. Vorliegend habe der Zusteller den formal richtigen Zustellungsadressaten W aber angetroffen. W sei auch kein Vertreter des Zustellungsadressaten gewesen, sondern selbst Zustellungsadressat.
Der kostenlose Newsletter Recht - Hier geht es zur Anmeldung! |
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps. |
Quelle: Urteil des BGH vom 29.03.2017 - VIII ZR 11/16
Praxistipp - Prüfung des richtigen Beklagten nicht unterschätzen |
|
Auch interessant
BGH zu Verzögerungen bei Klagezustellung, die sowohl durch Fehler des Gerichts als auch durch Fehler des Klägers verursacht wurden. | |
![]() |
Nicht selten werden Ansprüche erst zum Ende einer Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht. Wird dabei eine Klage, die vor Fristablauf bei Gericht eingegangen ist, dem Kläger aber erst nach Fristablauf zugestellt, kann zugunsten des Klägers die Rückwirkung der Zustellung nach § 167 ZPO greifen, wenn die Klage „demnächst“ zugestellt wurde. Der BGH musste nun einen Fall entscheiden, bei dem sowohl dem Kläger als auch dem Gericht Fehler unterlaufen sind, die die Zustellung verzögert haben. mehr … Auch interessant: |
![]() |
Nach dem großen Erfolg der Erstauflage des Kern/Diehm ZPO konnte sich dieser Newcomer auf Anhieb einen festen Platz unter den ZPO-Standardwerken erobern. Wir bedanken uns mit einer neuen Auflage, prägnant, übersichtlich, 100 Prozent praxisorientiert und hochaktuell, mit |
Verlagsprogramm | Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht |
Im Wortlaut: § 189 ZPO - Heilung von Zustellungsmängeln |
Lässt sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen oder ist das Dokument unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen, so gilt es in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem das Dokument der Person, an die die Zustellung dem Gesetz gemäß gerichtet war oder gerichtet werden konnte, tatsächlich zugegangen ist. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht