BGH: Kein Anspruch unter dieser Nummer?
Die Klägerin machte gegen die Beklagte später einen Entgeltanspruch für die Nutzung ihres Telefonanschlusses im Rahmen des "Pay-by- Call-Verfahrens" über eine Premiumdienstenummer (0900) geltend. Die Geltendmachung erfolgte aus abgetretenem Recht. Der für die Credits angefallene Geldbetrag bezifferte sich auf insgesamt 1.253,93 Euro.
Ausgangsinstanzen geben Klage statt
Sowohl das Amtsgericht als auch die Berufungsinstanz haben der Klage stattgegeben. Allerdings hatte das Berufungsgericht die Revision zum BGH zugelassen.BGH: Mutter muss sich Verhalten ihres Sohnes nicht zurechnen lassen
Der III. Zivilsenat des BGH schloss sich der Meinung der Vorinstanzen nicht an. Der Senat hat die Urteile des Landgerichts und des Amtsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen.Danach muss sich die beklagte Mutter konkludente Willenserklärungen ihres Sohnes, die auf den Abschluss eines Zahlungsdienstevertrags gerichtet sind, und die ihr Sohn durch Anwahl der Premiumdienstenummer abgegeben hat, nicht zurechnen lassen. Der Sohn, so der Senat weiter, war von seiner Mutter nicht bevollmächtigt worden. Auch die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht hätten nicht vorgelegen.
Newsletter Recht |
Bleiben Sie informiert - mit unserem Newsletter Recht, der Sie hier bestellen können |
BGH: Keine Zurechnung über § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG
Willenserklärungen des Sohns der Beklagten können der beklagten Mutter dem BGH zufolge auch nicht über § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG zugerechnet werden. Nach dieser Norm hätte die Mutter beweisen müssen, dass ihr die Inanspruchnahme der Leistungen nicht zuzurechnen ist.Nach BGH-Auffassung ist diese Vorschrift aber nicht auf Zahlungsdienste und die hieraus entstehenden Ansprüche des Dienstleisters anzuwenden. Dies, so der III. Senat weiter, gelte auch dann, wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen sollte.
Im Wortlaut: § 45i Absatz 4 Satz 1 TKG |
(4) Soweit der Teilnehmer nachweist, dass ihm die Inanspruchnahme von Leistungen des Anbieters nicht zugerechnet werden kann, hat der Anbieter keinen Anspruch auf Entgelt gegen den Teilnehmer. |
Spezialregelungen für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge haben Vorrang
Dem Richterspruch aus Karlsruhe zufolge haben die für Zahlungsdienste geltenden speziellen Regelungen des §§ 675u BGB für nicht autorisierte Zahlungsvorgänge Vorrang vor den TKG-Normen. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung über eine Premiumdienstenummer veranlasst wurde und die Abrechnung über die Telefonrechnung erfolgen sollte.Nach diesen Spezialregelungen würde der Berechtigte aber keinen Aufwendungsersatz, sondern allenfalls Schadensersatz schulden. Anderenfalls würden die Regelungen über nicht autorisierte Zahlungsvorgänge unterlaufen, so der III. Senat abschließend.
Im Wortlaut: § 675u BGB |
Im Fall eines nicht autorisierten Zahlungsvorgangs hat der Zahlungsdienstleister des Zahlers gegen diesen keinen Anspruch auf Erstattung seiner Aufwendungen. Er ist verpflichtet, dem Zahler den Zahlungsbetrag unverzüglich zu erstatten und, sofern der Betrag einem Zahlungskonto belastet worden ist, dieses Zahlungskonto wieder auf den Stand zu bringen, auf dem es sich ohne die Belastung durch den nicht autorisierten Zahlungsvorgang befunden hätte. |
Was das Urteil bedeutet
- Das Urteil schützt grundsätzlich alle Inhaber, deren Festnetz-Telefonanschluss ohne ihr Wissen für teure Bestellungen missbraucht wird.
- In dem vorliegenden Fall verwies der BGH darauf, dass die Freischaltung der Zusatzausrüstung nicht unmittelbar im Spiel, sondern über den Dienstanbieter erfolgt sei. Etwaige Anrufe von Kindern bei einer Sex-Hotline können daher anders zu werten sein. Denn in diesen Fällen wird die „Gegenleistung” unmittelbar über das Telefon erbracht.
- BGH: Wann Eltern den Namen ihrer Kinder offenbaren müssen
- Game over: BGH befasst sich mit Schummelsoftware für Computerspiele
- BGH: WLAN-Betreiber können werksseitige Verschlüsselung ihres Routers beibehalten
Weiterführende Literatur |
Der Berliner Kommentar TKG, herausgegeben von Herausgegeben von Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich, berücksichtigt alle einschlägigen Rechtsentwicklungen im Telekommunikationsgesetz und bereitet sie auf Grundlage der aktuellen Entscheidungspraxis der Bundesnetzagentur und der Gerichte praxisorientiert und anschaulich auf. |
Lesetipp |
Das Buch, Recht der Computer- und Videospiele, herausgegeben von Dr. Alexander Duisberg, Rechtsanwalt, und Dr. Henriette Picot, Rechtsanwältin, greift als erstes Werk für den deutschen und europäischen Markt ein breites Spektrum von praxisrelevanten Rechtsfragen auf. Es beleuchtet den Stand der Diskussion, bietet praxisnahe Lösungsansätze an und gibt einen fokussierten Überblick über die Rechtslage in neun europäischen Ländern. Das Werk ist auch als eBook lieferbar. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht