In dem Streitfall hatte ein Mieter das klagende Startup mit der Durchsetzung seiner Forderungen im Zusammenhang mit der Mietpreisbremse nach § 556d BGB beauftragt. Nach dem Geschäftsmodell der Klägerin hatte der Mieter diesem seine entsprechenden Forderungen abgetreten. Anschließend machte die Klägerin im eigenen Namen Ansprüche auf Rückzahlung von überhöhten Mieten und auf Zahlung der Rechtsverfolgungskosten gegen die beklagte Wohnungsgesellschaft geltend.
Während das Amtsgericht (AG) Lichtenberg den Klageanträgen nur in Bezug auf die Rückzahlung der überhöhten Mieten stattgab, hat die 63. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin die Klage als Berufungsinstanz in vollem Umfang abgewiesen.
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Nach Auffassung des LG fehlte der Klägerin schon die Befugnis, die streitigen Ansprüche geltend zu machen. Somit hatte sie keine Erlaubnis, Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Ihre Inkassoerlaubnis reichte hierfür nicht aus. Danach ist auch die benannte Forderungsabtretung nach § 134 BGB nichtig. Die weiteren Erwägungen der 63. Zivilkammer:
- Schwerpunkt nicht das Inkasso: Die Haupttätigkeit der Klägerin liegt nach ihrem Geschäftsmodell nicht auf der Inkassoleistung. Hierfür ist sie nach § 10 Absatz 1 Nr. 1 und § 2 Absatz 2 RDG aber registriert.
- Rechtsberatung schon vor Abtretung: Vielmehr überschreitet die Klägerin den Bereich zur Rechtsberatung im Sinne von § 2 Absatz 1 RDG. Die Rechtsberatung beginne vor der Abtretung, so die Kammer weiter. Denn schon vorher würde die Kägerin über ihre Onlineplattform die ortsübliche Vergleichsmiete ermitteln und die damit verbundenen Merkmale prüfen. Auch gehe die Tätigkeit der Klägerin über eine bloße Inkassodienstleistung hinaus: Ihre Rüge nach § 556g Absatz 2 BGB – und damit eine Tatbestandvoraussetzung für den Rückzahlungsanspruch – schaffe die Klägerin nämlich selbst, so die Kammer weiter.
Klägerin: Tätigkeit rein schematisch
Die Klägerin meint, dass ihre Tätigkeiten sehr wohl von ihrer Registrierung als Inkasso-Dienstleisterin gedeckt sind. Vor allem die Zurverfügungstellung des Mietpreisrechners habe keinen rechtsberatenden Chatakter, sondern dies sei eine rein schematische Dienstleistung. Diese erschöpft sich darin, die ermittelte ortübliche Vergleichsmiete um 10 Prozent zu erhöhen und diesen Betrag von der vereinbarten Miete abzuziehen.Im Wortlaut: Einschlägige Vorschriften des RDG |
§ 1 Absatz 1 RDG – Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz regelt die Befugnis, in der Bundesrepublik Deutschland außergerichtliche Rechtsdienstleistungen zu erbringen. Es dient dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. |
§ 2 RDG – Begriff der Rechtsdienstleistung |
(1) Rechtsdienstleistung ist jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. (2) Rechtsdienstleistung ist, unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Absatzes 1, die Einziehung fremder oder zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretener Forderungen, wenn die Forderungseinziehung als eigenständiges Geschäft betrieben wird (Inkassodienstleistung). […] |
§ 3 RDG –Befugnis zur Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen |
Die selbständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen ist nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch dieses Gesetz oder durch oder aufgrund anderer Gesetze erlaubt wird. |
§ 10 RDG – Rechtsdienstleistungen aufgrund besonderer Sachkunde |
(1) Natürliche und juristische Personen sowie Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die bei der zuständigen Behörde registriert sind (registrierte Personen), dürfen aufgrund besonderer Sachkunde Rechtsdienstleistungen in folgenden Bereichen erbringen:
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Streit auch unter den Kammern des Berliner LG
Diese Fragen haben vor allem die Berliner Landgerichte bisher unterschiedlich entscheiden:- So hat die 67. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Berlin einen Verstoß gegen das RDG angenommen und die Aktivlegitimation der Klägerin verneint. Gleiches gilt für die die 63. Zivilkammer in dem Streitfall.
- Demgegenüber haben die 65. und die 66. Zivilkammer des LG Berlin keinen Verstoß gegen das RDG gesehen.
BGH: „Mietright“ keine unzulässige Rechtsberatung
Bei seiner Entscheidung legte der VIII. Zivilsenat des BGH einen weiten Begriff der Inkassodienstleistung zugrunde, die nach seiner Auffassung auch der Gesetzgeber durch das RDG zum Ausdruck gebracht hat. Dieses Gesetz sieht in § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 einen Erlaubnistatbestand für außergerichtliche Rechtsdienstleistungen für registrierte Personen vor, die im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen sind und eine besondere Sachkunde haben. Die weiteren Erwägungen des Senats:Neue Berufsbilder im Markt der Rechtsberatung
Der Gesetzgeber, so der Senat weiter, wollte mit dem RDG ausdrücklich an die Rechtsprechung des BVerfG anknüpfen, die noch zum Rechtsberatungsgesetz ergangen war. Hierbei habe der Gesetzgeber neue Berufsbilder erlauben wollten und den weiteren Entwicklungen des Rechtsberatungsmarktes Rechnung tragen wollen.
Dementsprechend wären § 2 Absatz 2 Satz 1 und § 10 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 RDG großzügiger auszulegen, als es das Berufungsgericht getan hat, so der Senat weiter. Dies gilt sowohl für
- den Einsatz des Mietpreis-Rechners vor der eigentlichen Beauftragung
- als auch für die Rüge nach § 556g Absatz 2 BGB
- und das Feststellungsbegehren in Bezug auf die Höchstmiete.
Keine Wertungswidersprüche zu strengeren berufsrechtlichen Regelungen
Auch Wertungswidersprüche zu strengeren berufsrechtlichen Vorschriften sieht der Senat nicht:
- Zwar dürften Rechtsanwälte keine Erfolgshonorar vereinbaren oder dem Mandanten bei Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit eine Kostenübernahme zuzusagen.
- Allerdings sei schon vor der Geltung des RDG anerkannt gewesen, dass ein Inkassounternehmen mit seinen Kunden Erfolgshonorare vereinbaren darf, führt der Senat hierzu aus.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache dennoch zurückverwiesen. Somit muss das Berufungsgericht noch weitere Feststellungen zu den Ansprüchen treffen, die mit der Klage geltend gemacht werden. Das Geschäftsmodell von „wenigermiete“ ist damit wohl nicht mehr in Gefahr.
Im Gegenteil: Viel deutet darauf hin, dass sich der Markt für Rechtberatungen liberalisieren wird, obwohl vieles auch in Zukunft noch vom Einzelfall abhängen wird, wie das Beispiel des LG Köln Vertragsgenerator – siehe den Hinweis unten – zeigt.
Quelle: PM des BGH vom 27.11.2019 zur Entscheidung vom selben Tag – VIII ZR 285/18
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(ESV/bp)