Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

BGH zur Verjährung beim VW-Abgasskandal: Die verantwortliche Person eines Unternehmens muss dem Kläger nicht bekannt sein, um Klage erheben zu können (Foto: Mr. Stock / stock.adobe.com)
VW-Abgasskandal

BGH: Wann Schadensersatzansprüche beim „Dieselskandal“ verjährt sind

ESV-Redaktion Recht
29.12.2020
Nach den zunächst vielversprechenden Klagen gegen VW wegen manipulierter Motorsteuerungssoftware folgten seit Mitte 2020 vermehrt weniger erfolgreiche Verfahren. In dem nun entschiedenen Fall wiesen die Karlsruher Richter die Klage eines Käufers ab, der diese erst 2019 erhob.

Kläger: Keine Kenntnis über Person des Schuldners

Der Käufer argumentierte, er habe zwar 2015 Kenntnis über die näheren Umstände der Motormanipulation gehabt. Die Person des Schuldners sei aber nicht offengelegt worden – ein längerer Prozess gegen fünf Angeklagte sei erst für Februar 2021 angekündigt worden. Diese Unkenntnis hätte das Risiko geborgen, dass dem Kläger eine „sekundäre Darlegungslast“ zugesprochen wird. Bei diesem Vorgang müsste die eigentlich nicht behauptungsbelastete Partei nähere Angaben machen. Ebenso sei die Rechtslage für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 826 BGB noch zu unsicher gewesen. Der Verjährungsbeginn ist seiner Meinung nach hierdurch über 2015 hinausgeschoben worden.


Beklagte: Anspruch verjährt

Nach Auffassung von VW hätte die Klage bis Ende 2018 eingereicht werden müssen. Die beklagte VW AG erhob daher die Einrede der Verjährung.

Der kostenlose Newsletter Recht - Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Nachrichten zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.

BGH: Klage war auch ohne Kenntnis „interner Verantwortlichkeiten“ zumutbar 

Der VI. Zivilsenat des BGH folgte im Ergebnis der Auffassung von VW, was er in etwa wie folgt begründete:

  • Verantwortliche Person der Beklagten muss nicht bekannt sein: Der Anspruchsteller muss die Person, die auf Beklagtenseite für den Schaden verantwortlich ist, nicht bekannt sein. Demnach handelte es sich beim Einbau der Schummelsoftware um eine Strategieentscheidung von VW mit weitreichenden Konsequenzen. Dieser Umstand, so der Senat weiter, legt nahe, dass ein Mitglied im Vorstand oder ein anderweitig verfassungsmäßig berufener Vertreter von VW die Manipulation verursacht hat. Jedes Handeln dieser Akteure ist aber gemäß § 31 BGB der VW AG als juristische Person zuzurechnen.
  • Sekundäre Darlegungslast: Der Senat verwies zudem auf seine eigene Rechtsprechung zum § 826 BGB sowie zur von der Rechtsprechung entwickelten „sekundären Darlegungspflicht“. Die Richter sehen keine Anhaltspunkte, warum ein näherer Vortrag vom Käufer verlangt werden könnte.
  • Bejahung der Sittenwidrigkeit war zu erwarten: Auch das Vorliegen der Sittenwidrigkeit war auf Basis bisheriger Rechtsprechung zu erwarten. Damit war die Erhebung der Klage schon 2015 zumutbar, so dass die Verjährung mit dem Jahr 2018 endete.


Exkurs: Verjährung von Ansprüchen

Nach § 195 BGB besteht im Regelfall eine Verjährung von drei Jahren. Der Gesetzgeber will hiermit die Rechtssicherheit und den Rechtsfrieden ermöglichen. Der Schuldner soll die Möglichkeit haben, noch entlastende Beweise vorzubringen. Demgegenüber handelt der Gläubiger gegen sein eigenes Interesse, wenn er nicht rechtzeitig klagt. Ausgangspunkt für die Verjährung muss nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB die Kenntnis über die näheren Umstände des Schadenseintritts sein. Liegen diese vor, beginnt die Verjährung am 31.12. eines Jahres. Diese Umstände hat der BGH nun dahingehend konkretisiert, dass den Kläger bei Schadensereignissen, die ihren Ursprung in der Führungsetage von größeren Unternehmen haben, keine sekundäre Darlegungslast trifft.

Quelle: PM des BGH vom 17.12.2020 zum Urteil vom selben Tag – VI ZR 739/20

VRSdigital

Die Verkehrsrechts-Sammlung (VRS) ist jeden Monat Ihre direkteste Route zu sorgfältig ausgewählter verkehrsrechtlicher Rechtsprechung und relevanten Fach- und Branchennews.

Recherchieren Sie systematisch in über 22.000 wichtigen Entscheidungen seit 1951 – über treffgenaue Volltextsuche nach Begriff, Paragraph, Aktenzeichen oder Gericht. Lesen Sie aktuelle Meldungen rund um das Verkehrsrecht. Ergänzend haben Sie Zugriff auf zentrale Gesetze. Neben allen verkehrsrechtlichen Standardbereichen finden Sie auch relevante Nachbarfelder, wie etwa: 

  • Verkehrshaftpflicht und KfZ-Vertragsrecht
  • Ordnungswidrigkeiten- und Verkehrsstrafrecht 
  • Personenbeförderungsrecht und Sozialrecht
  • Zivilprozessrecht sowie Verkehrsverwaltungsrecht
  • Kraftverkehrsversicherungsrecht
  • Güterkraftverkehrsrecht sowie Speditions- und Frachtrecht
  • LuftverkehrsSchifffahrts- und Eisenbahnrecht
Lassen Sie sich überzeugen: Testen Sie die Datenbank 4 Wochen kostenlos 
Verlagsprogramm  Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht 

Mehr zum Thema

09.12.2020
BGH zum Schadensersatz beim Kauf eines Audi nach Bekanntwerden des Dieselskandals
Im Mai 2020 entschied der BGH, dass VW die Käufer von Diesel-Fahrzeugen mit manipulierter Abgassoftware arglistig getäuscht hat. Weitere BGH-Entscheidungen stellten klar, dass sich der Käufer bei seinen Schadenersatzansprüchen die Nutzung des betreffenden Fahrzeugs anrechnen lassen muss. In dem aktuellen BGH-Verfahren ging es um Kauf eines Audi nach Bekanntwerden des Abgasskandals. mehr …


(ESV/jp)

Programmbereich: Verkehrsrecht, -wirtschaft, -technik