
BGH zu Ausgleichsansprüchen aufgrund von Betriebsstilllegungen im Corona-Lockdown
Die Klägerin meint, dass sie aufgrund der Betriebsschließung einen Entschädigungsanspruch von 8.000 EUR gegen das beklagte Land hat – und zwar als Ersatz für die erheblichen finanziellen Einbußen wie Verdienstausfall und Betriebsausgaben. Nach ihrer Auffassung war die Schließung als Maßnahme zum Schutz der Allgemeinheit nicht erforderlich.
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BGH: Der Gesetzgeber ist verfassungsrechtlich nicht dazu verpflichtet, Ausgleichsansprüche zu regeln
Auch der III. Zivilsenat des BGH teilte die Ansicht der Klägerin nicht und wies die Revision zurück. Dabei betonte der Senat zunächst, dass er seine Rechtsprechung bestätigt hat, nach der Gewerbetreibende – die im Rahmen von Maßnahmen zur Bekämpfung von Corona wirtschaftliche Einbußen erlitten haben – weder auf der Grundlage des IfSG noch nach allgemeinem Polizei- und Ordnungsrecht oder aus verfassungsrechtlichen Positionen Entschädigungsansprüche geltend machen können. Die tragenden Gründe des Senats:
- Betriebsuntersagung verhältnismäßig: Dem Senat zufolge war die sechswöchige Betriebsuntersagung für Frisörsalons verhältnismäßig – und zwar auch unter den Aspekten der nach Art. 12 GG geschützten Berufsfreiheit und des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Art. 14 GG.
- Legitimer Zweck: Die angeordneten Betriebsschließungen hatten das Ziel, die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Gefahren aufgrund von Corona zu bekämpfen. Letztlich dienten diese Maßnahmen dazu, einer Überlastung des Gesundheitssystems vorzubeugen, was der Senat als einen legitimen Zweck ansah.
- Intensität des Eingriffs abgemildert: Die Intensität des Eingriffs in die relevanten Grundrechtspositionen wurde durch verschiedene und umfangreiche staatliche Hilfsmaßnahmen entscheidend gemildert. Allein die „Soforthilfe Corona“, die ab dem 25. März 2020 für Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigen bis zu 9.000 EUR ausmachen konnte, führte in Baden-Württemberg zu 245.000 Bewilligungen mit einem Gesamtvolumen von 2,1 Mrd. EUR. Der Verordnungsgeber hatte also von Anfang an eine Ausstiegsstrategie parat, mit der er schrittweises Öffnungskonzept verfolgte.
- Keine Pflicht des Gesetzgebers zur Regelung von Ausgleichsansprüchen: Dass Betriebsuntersagungen keine Schadensersatz- oder Entschädigungsansprüche auslösen, hat der Senat auch unter dem Aspekt von Art. 14 Abs. 1 GG nicht beanstandet. Demnach gibt es keine gesetzgeberische Pflicht, nach der aufgrund von Betriebsuntersagungen Ausgleichsansprüche zu schaffen sind. Vorliegend war eine Betriebsschließung von sechs Wochen vor dem Hintergrund aller wirtschaftlichen, sozialen und sonstigen Auswirkungen der Pandemie zumutbar, so der Senat hierzu. Dabei hat er auch das von der Klägerin zu tragende Unternehmerrisiko berücksichtigt und betont, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Staates begrenzt ist. Daher, so der Senat weiter, könne sich der Staat in Pandemiezeiten auch darauf beschränken, lediglich seine Kardinalpflichten zum Schutz der Bevölkerung zu erfüllen.
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Im Wortlaut |
§ 56 IfSG Absatz 1 Satz 1 – Entschädigung (1) 1 Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. § 65 Absatz 1 Satz 1 IfSG – Entschädigung bei behördlichen Maßnahmen (1) 1 Soweit auf Grund einer Maßnahme nach den §§ 16 und 17 Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird, ist eine Entschädigung in Geld zu leisten; eine Entschädigung erhält jedoch nicht derjenige, dessen Gegenstände mit Krankheitserregern oder mit Gesundheitsschädlingen als vermutlichen Überträgern solcher Krankheitserreger behaftet oder dessen verdächtig sind. 2 § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist entsprechend anzuwenden. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht