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Das oft als „OLG Hamburg“ bezeichnete Gericht trägt amtlich lediglich die Bezeichnung „Hanseatisches Oberlandesgericht“ – und zwar ohne den Zusatz „Hamburg“ (Foto: katatonia / stock.adobe.com)
Wiedereinsetzung

BGH zur unklaren Bezeichnung von Gerichten im beA

ESV-Redaktion Recht
11.10.2023
Prinzipiell kann eine un­kla­re Ge­richts­be­zeich­nung in der beA-Maske erfolgreich die Wie­der­ein­set­zung in den vorherigen Stand begründen. Laut einem kürzlich veröffentlichten Beschluss des BGH konnte die Klägerin, die sich das Verhalten ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss, mit diesem Grundsatz aber nicht punkten.
In dem Streitfall hatte die Klägerin nicht nur erfolglos eine Restvergütung 60.000 EUR für die Konzeptionierung einer Kapitalanlage eingeklagt. Vielmehr verurteilte das LG Hamburg sie im Wege einer Widerklage zur Rückerstattung einer von der Beklagten schon geleisteten Teilzahlung in Höhe von 35.700 EUR. Gegen dieses Urteil zog die Klägerin am 20.04.2022 mit einer Berufung vor das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg.
 
Im Weiteren verlängerte dieses Gericht die Begründungsfrist für das Rechtsmittel bis zum 23.06.2022. Die Berufungsbegründung – ebenfalls datiert auf den 23.06.2022 – ging allerdings erst am 27.06.2023 zusammen mit einem Wiedereinsetzungsantrag gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist dort ein.
 
Die Begründung der Klägerin: Ihr Anwalt habe seine Angestellte im elektronischen Anwaltspostfach (beA) mit der Erstellung der Nachricht zur Einreichung der Berufungsbegründungsschrift an das „Hanseatische Oberlandesgericht, Sievekingplatz 2, 20355 Hamburg“ beauftragt. Die Empfängersuche des beA beinhaltete unter der Bezeichnung „hanseatisch“ aber lediglich das „Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen“. Dementsprechend hatte die Angestellte dann auch das beA voreingestellt.
 
Da dem Anwalt dies bei der Generierung der qualifizierten elektronischen Signatur an dem Computer seiner Angestellten auffiel, wies er sie an, den Adressaten der Nachricht zu korrigieren. Als die Angestellte im beA wieder nur das „Hanseatische Oberlandesgericht in Bremen“ fand, kam sie zu dem Schluss, dass die beiden Hansestädte ein gemeinsames OLG mit Sitz in Bremen unterhalten. Daher hatte sie die Berufungsbegründung schließlich doch nach Bremen versendet.
 
Nach weiterer Auffassung der Klägerin durfte der Anwalt ohne weitere Kontrolle darauf vertrauen, dass seine Angestellte sich bei noch bestehenden Zweifeln an ihn wenden würde. Bis zu diesem Tag habe sie stets sorgfältig, zuverlässig und beanstandungsfrei gearbeitet – und zwar seit Januar 2017. Weil der Wiedereinsetzungsantrag vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg ohne Erfolg blieb, wendete sich die Klägerin mit einer Rechtsbeschwerde an den BGH.

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BGH: Unklare Bezeichnung des Gerichts im beA unerheblich

Die Klägerin scheiterte auch hier. Zwar meint der III. Zivilsenat des BGH, dass fehlerhafte oder irreführende Eintragungen im Gesamtverzeichnis der beA-Postfächer grundsätzlich eine Wiedereinsetzung begründen können. Vorliegend kann sich die Klägerin aber nicht auf diesen Grundsatz berufen. Aus dem Vortrag der Klägerin zur Wiedereinsetzung ergebe sich, dass die Fristversäumung nicht entscheidend auf der nicht eindeutigen Benennung des Berufungsgerichts im Empfängerverzeichnis des beA basiert. Entscheidend für die Versendung an das falsche Empfängergericht war vielmehr das Fehlverhalten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin und seiner Mitarbeiterin. Die wesentlichen Überlegungen des Senats hierzu:
 
  • Keine Korrektur des Fehlers der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten: Die Angestellte des Prozessbevollmächtigten hat den Fehler trotz des Hinweises von ihrem Chef nicht behoben. Und dies ungeachtet des nach wie vor bestehenden Unterschiedes zur Adressierung im Schriftsatz.
  • Erfolgreiche Übermittlung an richtiges Gericht trotz Unklarheit möglich: Die Klägerin hatte selbst vorgetragen, dass schon vorher Schriftsätze von der betreffenden Kanzlei über das beA an das „Oberlandesgericht Hamburg“ gesendet wurden – allerdings von anderen Rechtsanwaltsfachangestellten. Das gilt vor allem für die Berufungsschrift und den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist im selben Rechtsstreit.
  • Weitere Kontrolle erforderlich: Zwar darf ein Anwalt prinzipiell darauf vertrauen, dass seine Angestellte „konkrete Einzelanweisungen“ von ihm ausführt, sodass eine Kontrolle dann nicht mehr erforderlich ist. Dem Senat zufolge fehlte es vorliegend aber an der konkreten Einzelanweisung, den Berufungsbegründungsschriftsatz nur an das Oberlandesgericht zu senden, das seinen Sitz an der im Schriftsatz angegebenen Adresse hat – also in Hamburg. Im Gegensatz hierzu entnahm der Senat der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung der Angestellten aber nur den Auftrag, den Empfänger im beA zu prüfen und den Fehler in eigener Verantwortung zu korrigieren. Auf das Ergebnis seiner Angestellten hätte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin also nicht ohne weitere Prüfung vertrauen dürfen.
  • Zweifel an Zuverlässigkeit der Mitarbeiterin angebracht: Weil ihm schon vorher auffiel, dass seine Angestellte trotz anderer Angaben im Briefkopf das Oberlandesgericht in Bremen als Empfängergericht gewählt hatte, durfte er auch nicht mehr annehmen, dass er beim zweiten Versuch eine ansonsten zuverlässige Mitarbeiterin damit betraut hatte, eigenverantwortlich den richtigen beA-Empfänger herauszusuchen.
Quelle: Beschluss des BGH vom 31.08.2023 – III ZB 72/22


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(ESV/bp)

Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht