Sie haben folgende Möglichkeiten:
  1. zum Login.
  2. zur Navigation.
  3. zum Inhalt der Seite.

BSG: Der Gemeinsame Bundesausschuss muss nun neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als Kassenleistung für non-binäre Personen bewerten (Foto: MQ-Illustrations / stock.adobe.com)
Recht der gesetzlichen Krankenversicherung

BSG zur geschlechtsangleichenden OP für non-binäre Personen als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen

ESV-Redaktion Recht
24.10.2023
Können Personen, die ihr Geschlecht weder als weiblich noch als männlich empfinden, von ihren gesetzlichen Krankenkassen die Übernahme der Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation verlangen? Mit dieser Frage hat sich das BSG aktuell befasst.
In dem Streitfall hatte sich die spätere Klägerin, die als biologische Frau geboren ist, weder als Frau noch als Mann gefühlt. Weil sie nicht als Frau wahrgenommen werden wollte, beantragte sie bei ihrer Krankenkasse die Übernahme der Kosten von etwa 5.000 EUR für die Entfernung der weiblichen Brust. Auch ließ sie ihren Vornamen und die Geschlechtsangabe im Geburtenregister ändern. Die Krankenkasse lehnte den Kostenübernahmeantrag zwar ab, die Klägerin ließ die OP zwischenzeitlich aber trotzdem durchführen.

Keine Einigkeit bei den Vorinstanzen

Mit dem Antrag, die Krankenkasse zur Erstattung der Operationskosten zu verurteilen, klagte sie dann erfolgreich vor dem SG Mannheim (S 4 KR 3011/20). Gegen das Urteil des SG vom 14.04.2021 wendete sich die beklagte Krankenkasse mit einer Berufung an das LSG Baden-Württemberg (L 5 KR 1811/21), das die Klage am 29.06.2022 abgewiesen hat. Daraufhin zog die Klägerin dann mit einer Revision vor das BSG.

Der kostenlose Newsletter Recht – Hier können Sie sich anmelden! 
Redaktionelle Meldungen zu neuen Entscheidungen und Rechtsentwicklungen, Interviews und Literaturtipps.


BSG: Der Schutz von betroffenen Personen vor unumkehrbaren Fehlentscheidungen hat Vorrang

Das Rechtsmittel der Klägerin hatte vor dem 1. Senat des BSG keinen Erfolg. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:

  • Zwar noch keine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses: Dem Senat zufolge setzt eine Geschlechtsumwandlung von Personen, die ihr Geschlecht weder als weiblich noch als männlich empfinden, eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschuss voraus. Diese liegt bisher nicht vor.
  • Aber – neue Behandlungsmethode in Prüfung: Zwar sind körpermodifizierende Operationen bei „Trans-Personen“ Gegenstand einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Bevor Versicherte die entsprechende Leistung aber in Anspruch nehmen können, muss der Gemeinsame Bundesausschuss über die Anerkennung entscheiden. In Bezug auf die Bezeichnung „Trans-Personen“ bezieht sich der Senat auf die S3-Leitlinie zur Diagnostik, Beratung und Behandlung AWMF-Register-Nr. 138|001.

  • Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses: Der gemeinsame Bundesausschuss, so der Senat weiter, muss also nun zum Schutz der betroffenen Personen vor unumkehrbaren Fehlentscheidungen die sachgerechte Anwendung der neuen Methode prüfen und hierbei deren Wirksamkeit und Qualität bewerten.
  • Vertrauensschutz für schon angefangene Behandlungen? Für Behandlungen, die schon begonnen haben, kommt aber ein Vertrauensschutz in Betracht, führt der Senat dann weiter aus.


Die bisherige weitere Rechtsprechung

Ergänzend skizzierte der Senat noch die Entwicklung der weiteren Rechtsprechung zu diesem Thema aus seiner Sicht: 

  • BSG: Demnach fußt die bisherige Rechtsprechung des BSG zum sogenannten „Transsexualismus“ auf den eindeutigen Erscheinungsbildern des weiblichen und männlichen Geschlechts, die nach Senatsauffassung klar abgrenzbar sind.
  • Ansatz des BVerfG: Demgegenüber hat das BVerfG schon ausgeführt, dass der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis laut den aktuellen medizinischen Leitlinien auch non-binäre Geschlechtsidentitäten mit einbezieht.  
  • Keine objektiven Kriterien vorhanden: Allerdings gibt es, so der Senat weiter, keine objektiven Kriterien für die medizinische Notwendigkeit einer geschlechtsangleichenden Operation. 
Quelle: PM sowie Terminbericht des BSG vom 19.10.2023 zum Urteil vom selben Tag – B 1 KR 16/22 R


Wegweisend

WzS Wege zur Sozialversicherung

Flexibel mit der digitalen WzS Wege zur Sozialversicherung. Egal ob im Büro, im Homeoffice oder mobil: Setzen Sie auf die Vorzüge einer zeitlich früher erscheinenden digitalen Ausgabe, inklusive Zugang zum umfangreichen Archiv.

Wege zur Sozialversicherung – WzS berichtet Ihnen sachlich, unabhängig und praxisnah über die Entwicklung in der Sozialversicherung. WzS bietet jeden Monat:

  • innovative und ausgewogene Fachbeiträge insb. in den Bereichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung,
  • Informationen aus Gesetzgebung und Praxis,
  • Nachrichten aus der EU,
  • die Dokumentation der einschlägigen Rechtsprechung der Bundes- und Instanzgerichte,
  • in unregelmäßigen Abständen Besprechungen von Entscheidungen auch mit kritischen Anmerkungen
  • Tagungsberichte und Rezensionen.
Testen Sie WzS doch einmal kostenlos und unverbindlich.
Verlagsprogramm Weitere Nachrichten aus dem Bereich Recht

Im Wortlaut: § 27 SGB V Absatz 1 Satz 1 – Krankenbehandlung
(1) 1Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

§ 135 SGB V Absatz 1 Nr. 1 bis 3 – Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

(1) 1Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen in der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Abs. 2 Satz 1, einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 Empfehlungen abgegeben hat über
 
1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit - auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachte Methoden - nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung,
 
2. die notwendige Qualifikation der Ärzte, die apparativen Anforderungen sowie Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und
 
3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztliche Behandlung.
 
 
Aktuelle Entscheidungen zum Arbeits- und Sozialrecht

Im Arbeits-und Sozialrecht sind immer wieder sehr interessante Fragen zu klären. Meldungen und Berichte zu wichtigen Entscheidungen der Gerichte, einschließlich des Rechts des öffentlichen Dienstes und des Beamtenrechts, stellen wir hier – fortlaufend aktualisiert – für Sie zusammen. mehr …


(ESV/bp) 
 

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung