
Bundesfinanzhof zu Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland
Kürzung der Bezüge wegen Dienstwohnung im Ausland
Kläger war ein deutscher Staatsangehöriger, der im Streitjahr 2017 als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in verschiedenen Ländern in Asien tätig war. Dabei wohnte er wie vom Auswärtigen Amt angewiesen in Wohnungen, die sich in den jeweiligen Botschaften befanden. Die Wohnungen hatten jeweils eine Größe zwischen 186 m² und 249 m². Neben seinem steuerpflichtigen Bruttoarbeitslohn erhielt der Kläger steuerfreie Auslandszuschläge, wobei sein Gehalt allerdings um als „Dienstwohnungsvergütung“ bezeichneten Beträge gekürzt wurde. Seine ebenfalls klagende Ehefrau wohnte während des gesamten Streitjahrs in der gemeinsamen Wohnung im Inland.
Mit ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kläger Kosten für die doppelte Haushaltsführung geltend. Hierin enthalten ist die Kürzung der Bezüge um die als „Dienstwohnungsvergütung“ bezeichnete Beträge.
Das Finanzamt hingegen vertrat die Auffassung, die Aufwendungen seien nicht in voller Höhe „notwendig“ gewesen und nur abziehbar, soweit sie auch für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung von maximal 60 m² entstanden wären.
Die Klage vor dem Finanzgericht Rheinland-Pfalz hatte Erfolg.
Keine Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen
Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall erfüllt.
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG enthält seit dem Veranlagungszeitraum 2014 eine besondere Bestimmung zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterkunftskosten bei einer doppelten Haushaltsführung im Inland. Die Prüfung der in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG vorgesehenen Beschränkung auf notwendige Mehraufwendungen entfällt in diesem Fall. Allerdings ist wegen des eindeutigen Wortlauts ("im Inland") diese Regelung auf einen im Ausland belegenen Zweithaushalt nicht anwendbar.
Der BFH spricht sich gegen eine Typisierung dahingehend aus, dass Unterkunftskosten, die den Durchschnittsmietzins einer 60 qm-Wohnung am Beschäftigungsort nicht überschreiten, notwendig in diesem Sinne sind. So hatte es der erkennende Senat in der bis zum Veranlagungszeitraum 2013 geltenden Fassung für Inlandssachverhalte angenomm. Dies kommt für Auslandssachverhalte jedoch nicht in Betracht (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).
Die vom BFH bisher angewandete typisierende Bestimmung des notwendigen zusätzlichen Wohnbedarfs am Beschäftigungsort hat sich an dem inländischen sozialhilferechtlich anerkannten Mindestbedarf für Unterkunft und Wohnen einer Person nach § 22 SGB II und der zu dieser Vorschrift ergangenen sozialrechtlichen Rechtsprechung orientiert. Diese Grundsätze lassen sich jedoch auf Unterkunftskosten im Ausland nicht übertragen.
Die "Übertragung" der sogenannten "60 qm–Rechtsprechung" auf Auslandssachverhalte ist schlicht nicht umsetzbar. Denn belastbare Feststellungen zum ortsüblichen Mietzins je Quadratmeter für eine nach Lage und Ausstattung durchschnittliche Wohnung (Durchschnittsmietzins) am ausländischen Beschäftigungsort können in der Regel auch unter Berücksichtigung der erhöhten Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen (§ 90 Abs. 2 AO) weder von den Beteiligten im Veranlagungsverfahren erhoben noch von den Finanzgerichten belastbar überprüft werden.
Weiteres Argument des BFH ist, dass sich eine Typisierung realitätsgerecht am typischen Fall orientieren muss. Ein solch typischer Fall lässt sich für Unterkunftskosten aufgrund einer doppelten Haushaltsführung im Ausland aber schon deshalb nicht ausmachen, weil diese maßgebend von den jeweiligen Gegebenheiten im einzelnen Land geprägt sind. Bei einer doppelten Haushaltsführung im Ausland ist deshalb stets im Einzelfall zu prüfen, welche Unterkunftskosten im Ausland notwendig, das heißt nach objektiven Maßstäben zur Zweckverfolgung erforderlich sind (entgegen: BMF-Schreiben vom 25.11.2020, BStBl I 2020, 1228, Rz 112).
Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger für seine Zweitwohnungen gezahlten Unterkunftskosten vorbehaltlich der Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG- in tatsächlicher Höhe als Werbungskosten im Rahmen seiner doppelten Haushaltsführung zu berücksichtigen, da sie nach objektiven Maßstäben insgesamt zur Zweckverfolgung erforderlich waren.
Quelle: BFH, Urteil vom 9. August 2023 (VI R 20/21), veröffentlicht am 9. November 2023Bei uns bleiben Sie auf dem aktuellen Stand im Bereich Steuern. |
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(ESV/cmx)
Programmbereich: Steuerrecht