
BVerfG: Dreizehnte Novelle des Atomgesetzes weitgehend verfassungskonform
Nach der Bundestagswahl 2009 änderte die schwarz-gelbe Bundesregierung ihr Energiekonzept. Sie wollte die Kernenergie doch noch länger als „Brückentechnologie” einsetzen. Dementsprechend gewährte die 11. AtG-Novelle allen Kernkraftwerken zusätzliche Reststrommengen. Damit sollten sich die Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke um durchschnittlich zwölf Jahre verlängern.
Beschwerdeführer: Beschleunigter Atomausstieg verletzt Eigentumsfreiheit
Als Folge des Tsunamis vom 11.03.2011, der bei drei Reaktorkernen in Fukushima Kernschmelzen auslöste, hat der Gesetzgeber mit der 13. AtG-Novelle erstmals feste Endtermine für den Betrieb der deutschen Kernkraftwerke gesetzlich festgelegt. Ebenso hat diese Novelle die Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke rückgängig gemacht.Bei ihren Verfassungsbeschwerden machten die Beschwerdeführer aber deutlich, dass sie den Atomausstieg nicht in Frage stellen. Ihnen ging es ausschließlich um Entschädigungszahlungen. Dabei rügten sie in erster Linie eine Verletzung ihrer Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Absatz 1 GG.
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BVerfG: Stilllegung der Atommeiler grundsätzlich keine Enteignung
Hierzu meint das BVerfG, dass die Stilllegung der Atommeiler grundsätzlich keine Enteignung sei. Ausnahmen hiervon machen die Karlsruher Richter aber in zwei Punkten.Keine Verwertung von Reststrommengen mehr möglich: Zwei der Konzerne konnten die Reststrommengen, die ihnen 2002 zugewiesen wurden, bis zu den festgesetzten Abschaltdaten nicht verwerten. Hierdurch würden die Nutzungsmöglichkeiten der Anlagen, die durch die Eigentumsgarantie geschützt sind, unzumutbar und zum Teil auch gleichheitswidrig beschränkt, so der Karlsruher Richterspruch.
Keine Ausgleichregelungen für Investitionen: Zudem, so das Gericht weiter, fehle eine Ausgleichsregelung für Investitionen, die die Betreiber im berechtigten Vertrauen auf Zusatzstrommengen vorgenommen haben. Diese Investitionen seien durch die Streichung der gewährten Stromerzeugungskontingente entwertet worden.
Damit hat das BVerfG zumindest anerkannt, dass den Betreibern durch das atompolitische Wechselspiel des Gesetzgebers ein gewisser Schaden entstanden ist.
Wie es weitergeht: Neuregelung bis 30.06.2018
Einen unmittelbaren Entschädigungsanspruch gibt der Richterspruch aus Karlsruhe den Betreibern aber nicht. Der Gesetzgeber muss insoweit bis 30.06.2018 eine neue Regelung treffen und einen verfassungsgemäßen Zustand herstellen. Sind die Betreiber hiermit nicht einverstanden, müssten sie erneut dagegen klagen. Von großen Entschädigungssummen ist dem Urteil zu Folge bei der Neuregelung allerdings nicht mehr auszugehen:- Bei der Entschädigungsregelung darf der Gesetzgeber berücksichtigen, dass der Strom aus den damals bewilligten Kontingenten heute weniger als die Hälfte wert ist.
- So erwartet der Berliner Atomrechtsexperte Olaf Däuper, Prozessbevollmächtigter dreier Bundesländer, allenfalls einen oberen dreistelligen Euro-Millionenbetrag.
- Ebenso glaubt der Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung, der Berliner Staatsrechtler Christoph Möllers, dass es in Bezug auf die Reststrommengen nur um einen Bruchteil der bisher im Raum stehenden Entschädigungssummen gehen werde. Däupner und Möller äußerten sich hierzu in der Online-Ausgabe des Nachrichtenmagazins Spiegel.
Nach einem Vorschlag der Atomkommission könnten E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW zusammen etwa 23 Milliarden Euro in einen Staatsfonds stecken. Als Gegenleistung würde der Staat den Unternehmen die Verantwortung für die Endlagerung des Atommülls abnehmen.
Ob und wieviel Geld als Entschädigung tatsächlich fließen wird, ist also völlig offen.
Urteil des BVerfG vom 6.12.2016 – AZ: 1 BvR 2821/11, 1 BvR 1456/12, 1 BvR 321/12 – Rdn: 1 bis 407
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(ESV/bp)
Programmbereich: Energierecht