
BVerfG: Richtervorlage gegen § 20 a IfSG in der Fassung vom 18. März 2022 unzulässig
VG Osnabrück: § 20 a IfSG war spätestens ab Oktober 2022 nicht mehr verfassungskonform
Das VG meint, dass § 20 a IfSG im Laufe des Jahres 2022 verfassungswidrig geworden ist. Nach dem obigen Beschluss des BVerfG vom 27.04.2022 habe es neue Tatsachen gegeben. So wären die Einschätzungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zum Übertragungsschutz, der von den Impfungen ausgehen sollte, wissenschaftlich nicht mehr belastbar gewesen. Daher sei die vorgelegte Norm ab Mitte 2022, spätestens aber ab Oktober 2022 nicht mehr dazu geeignet gewesen, das Leben und die Gesundheit vulnerabler Personen zu schützen. Daher legte das VG Osnabrück Sache per Richtervorlage mit Beschluss vom 03.09.2024 (3 A 224/22) dem BVerfG vor.
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BVerfG: Darlegungen des Vorlagegerichts zur Verfassungswidrigkeit von § 20 a IfSG unzureichend
- Nachlassende Wirkung der Maßnahmen von § 20 a IfSG nicht nachvollziehbar: Für die Schlussfolgerung des Vorlagegerichts, nach der § 20 a IfSG spätestens ab Oktober 2022 unter der Omikronvariante nicht mehr geeignet gewesen soll, vulnerable Personen zu schützen, liegen keine widerspruchsfreien Feststellungen vor. Insoweit betont die Kammer, dass das Vorlagegericht selbst von einem gewissen Übertragungsschutz ausging, den die angegriffene Norm im Jahr 2022 vermittelt hatte. Die Kammer kann nicht nachvollziehen, wie das vorlegende Gericht nun zu dem Ergebnis kommt, dass die Einschränkungen der angegriffenen Norm nun vollkommen ungeeignet geworden sein sollten.
- Keine hinreichende Auseinandersetzung mit einschlägigen wissenschaftlichen Einschätzungen: Das Vorlagegericht beschäftigt sich beispielsweise nicht mit den Einschätzungen der Ständigen Impfkommission, den Bewertungen des Paul-Ehrlich-Instituts oder mit den vielen Expertenmeinungen anlässlich des Gesetzgebungsverfahrens. Zudem lässt es zahlreiche weitere fachkundige Stellungnahmen im Verfassungsbeschwerdeverfahren unberücksichtigt. Das Vorlagegericht begründet auch nicht, warum die Annahmen des Gesetzgebers für die Grundrechtseinschränkungen, die von § 20 a IfSG ausgingen, ab Oktober 2022 nicht mehr gegolten haben sollten. Soweit das Vorlagegericht dem Gesetzgeber vorwirft, sich uneingeschränkt auf das RKI verlassen zu haben, hat es selbst weitere fachwissenschaftliche Einschätzungen nicht mit in seine eigene Bewertung einbezogen. Auch im Rahmen des fachgerichtlichen Beweisverfahrens gab es Hinweise auf die Studienlage im Jahr 2022, nach der die Übertragungswahrscheinlichkeit bei Personen mit aufgefrischten Impfungen um etwa 20 Prozent geringer war als bei ungeimpften Personen.
- Keine verständliche Begründung zur angeblich fehlenden Erforderlichkeit: Nach den weiteren Ausführungen der Vorlageinstanz sollen die Impfungen oder Genesungsnachweise nach § 20 a IfSG nicht erforderlich gewesen sein, weil regelmäßige Testungen des Pflegepersonals als mildere Maßnahmen mindestens gleich geeignet gewesen wären. Allerdings lieferte das Vorlagegericht der Kammer zufolge hierfür keine verständliche Begründung.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht