
BVerwG: Warum der EuGH die Vereinbarkeit der deutschen Vorratsdatenspeicherung mit Unionsrecht prüfen soll
Was die Provider speichern müssen
- Rufnummern der beteiligten Anschlüsse,
- Beginn und Ende der Verbindung oder der Internetnutzung,
- Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs von Kurznachrichten,
- zugewiesene Internetprotokoll-Adressen und Benutzerkennungen,
- sowie Kennungen der Anschlüsse und Endgeräte.
Darüber hinaus sind vier Wochen lang Standortdaten zu speichern. Diese bestehen im Wesentlichen aus den Bezeichnungen der genutzten Funkzelle zu Beginn einer Verbindung.
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Der Inhalt der Kommunikation wird nicht gespeichert
Verwendung der Daten
VG Köln: Die Speicherpflicht verstößt gegen EU-Recht
BVerwG: Ein generelles Verbot der Vorratsdatenspeicherung ist zweifelhaft
- Richtlinie 2002/58/EG anwendbar: Der EuGH habe zwar abschließend geklärt, dass die Richtlinie auf nationale Regelungen der Vorratsspeicherung anwendbar ist.
- Allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung unzulässig: Ebenso stehe Art. 15 Absatz 1 der Richtlinie nationalen Regelungen entgegen, die eine allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung aller Verkehrs- und Standortdaten sämtlicher Teilnehmer und Nutzer von elektronischen Kommunikationsmittel vorsehen. Dies ergebe sich auch und gerade vor dem Hintergrund der Art. 7, 8, 11 und 52 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC).
Im Wortlaut: Artikel 15 Richtlinie 2002/58/EG
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(1) Die Mitgliedstaaten können Rechtsvorschriften erlassen, die die Rechte und Pflichten gemäß Artikel 5, Artikel 6, Artikel 8 Absätze 1, 2, 3 und 4 sowie Artikel 9 dieser Richtlinie beschränken, sofern eine solche Beschränkung gemäß Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 95/46/EG für die nationale Sicherheit, (d. h. die Sicherheit des Staates), die Landesverteidigung, die öffentliche Sicherheit sowie die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder des unzulässigen Gebrauchs von elektronischen Kommunikationssystemen in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, angemessen und verhältnismäßig ist. Zu diesem Zweck können die Mitgliedstaaten unter anderem durch Rechtsvorschriften vorsehen, dass Daten aus den in diesem Absatz aufgeführten Gründen während einer begrenzten Zeit aufbewahrt werden (...).
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Zu klären ist dem Senat nach aber, ob eine entsprechende nationale Regelung unter gar keinen Umständen auf Art. 15 Absatz 1 der Richtlinie gestützt werden kann, wobei der Senat im Wesentlichen Folgendes erwogen hat:
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Nicht alle Kommunikationsmittel betroffen: Hierbei wäre zu berücksichtigen, dass nach der deutschen Regelung der Kreis Kommunikationsmittel, die von der Speicherpflicht erfasst sind, im Unterscheid zu den Regelungen aus Schweden und Großbritannien eingeschränkt ist. Das Gleiche gelte für die Speicherdauer, so der Senat. Die Regelungen aus den benannten Ländern waren seinerzeit Prüfungsgegenstände des EuGH.
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Deutsche Regelungen unterliegen strengen Beschränkungen: Zudem enthalten die deutschen Regelungen dem Senat zufolge strenge Beschränkungen zum Schutz der gespeicherten Daten und deren Zugriff.
- Besonderes Gefahrenpotenzial durch neuere Telekommunikationsmittel: Darüber hinaus sieht der Senat in den neueren Telekommunikationsmitteln ein spezifisches Gefahrenpotenzial. Dieses berührt auch die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Sicherheit der Personen zu gewährleisten, die sich dort aufhalten.
- Ausnahmsloses Verbot engt Handlungsspielraum der nationalen Gesetzeber ein: Nach den weiteren Ausführungen des BVerwG schränkt ein ausnahmsloses Verbot der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung den Handlungsspielraum der nationalen Gesetzgeber erheblich ein – und zwar in Bereichen der Strafverfolgung und der öffentlichen Sicherheit.
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Generelles Verbot zweifelhaft: Schließlich würden auch Gerichte aus anderen Mitgliedstaaten Zweifel daran haben, dass der EuGH in seiner Entscheidung von Dezember 2016 die anlasslose Vorratsdatenspeicherung generell verbieten wollte.
Update |
18.09.2023 |
BVerwG befasst sich erneut mit der Vorratsspeicherung | |
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Dürfen Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, kurz TK-Dienste, zur Speicherung von Verkehrsdaten ihrer Kunden verpflichtet werden oder verstößt dies gegen Unionsrecht? Hierzu hat sich das BVerwG kürzlich in zwei Parallelverfahren geäußert. mehr … |
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Aussetzung der Vorratsdatenspeicherung | 03.07.2017 |
Bundesnetzagentur: Vorläufig keine Vorratsdatenspeicherung für TK-Anbieter | |
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