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BVerwG: Den aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung fehlt es an objektiven Kriterien für den Zweck der Speicherung (fotohansel / stock.adobe.com)
Vorratsdatenspeicherung und EU-Recht

BVerwG befasst sich erneut mit der Vorratsspeicherung

ESV-Redaktion Recht
18.09.2023
Dürfen Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten, kurz TK-Dienste, zur Speicherung von Verkehrsdaten ihrer Kunden verpflichtet werden oder verstößt dies gegen Unionsrecht? Hierzu hat sich das BVerwG kürzlich in zwei Parallelverfahren geäußert.
In den Streitfällen wendeten sich zwei TK-Unternehmen gegen die Verpflichtung, TK-Verkehrsdaten ihrer Kunden auf Vorrat zu speichern. Diese Pflicht sollte sich zunächst aus § 113a Abs. 1 in Verbindung mit § 113b TKG in der Fassung vom 10. Dezember 2015 und aktuell aus 175 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 176 TKG ergeben. Demnach sind unter anderem die Rufnummern der beteiligten Anschlüsse, der Beginn und das Ende einer Internetverbindung, die Zeitpunkte der Versendung und des Empfangs von Kurznachrichten, Internetprotokoll-Adressen und Benutzerkennungen sowie Kennungen der Anschlüsse und Endgeräte für 10 Wochen zu speichern. Standortdaten, also im Wesentlichen die Bezeichnung der benutzten Funkzelle zu Beginn der Verbindung sind vier Wochen lang zu speichern.
 

VG Köln: Speicherpflicht auf Vorrat verstößt gegen Unionsrecht

Die Ausgangsinstanz, das VG Köln, sah keine Rechtsgrundlage für die benannten Speicherungspflichten. Nach Auffassung des VG verstößt eine Pflicht gegen Unionsrecht mit der Folge, dass die benannten Regelungen unanwendbar sind. Demnach hat der EuGH die insoweit grundsätzlichen Rechtsfragen geklärt. Gegen die Entscheidung der Ausgangsinstanz zog die Beklagte, vertreten durch die Bundesnetzagentur, mit einer Sprungrevision vor das BVerwG.
 
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BVerwG: AKtuelle Regelungen des TKG nicht anwendbar

Der 6. Senat des BVerwG setzte das Verfahren aus und holte eine Vorabentscheidung des EuGH ein. Nach der Antwort des Gerichts in Luxemburg – Urteil vom 20.09.2022 in den verbundenen Rechtssachen C-793/19 und C-794/19, berichtigt durch Beschluss vom 27.10.2022 – wies der Senat die Revisionen der Beklagten zurück. Er sah im Wesentlichen einen Verstoß gegen Art. 15 Abs. 1 der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG). Die wichtigsten Erwägungen des Senats hierzu:
 
  • Anlasslose Speicherung: Die entsprechenden Regelungen im TKG beinhalten eine anlasslose, flächendeckende und personell, zeitlich und geografisch undifferenzierte Vorratsspeicherung eines Großteils der Verkehrs- und Standortdaten.
  • Keine objektiven Kriterien für den Zweck der Speicherung: Eine solche Speicherung erfüllt dem Senat zufolge schon deshalb nicht die Anforderungen des EU-Rechts, weil es objektiven Kriterien fehlt, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Zweck herstellen.
  • Begrenzung der Verwendungszwecke in § 177 Absatz 1 TKG zu unscharf: Weil die Speicherung der Daten auf Vorrat und der Zugang hierzu in unterschiedliche Grundrechte eingreifen, ist eine jeweils gesonderte Rechtfertigung erforderlich. Zudem kann die Begrenzung der Verwendungszwecke in § 177 Abs. 1 TKG (bzw. § 113 c Abs. 1 TKG a.F.) nicht die unionsrechtliche Anforderung von klaren und präzisen Regeln für die Datenspeicherung im Voraus erfüllen. Darüber hinaus gibt es keine strikte Begrenzung der allgemeinen und unterschiedslosen Vorratsspeicherung auf den Zweck des Schutzes der nationalen Sicherheit, die der EuGH fordert.
  • Speicherung von IP-Adressen: Zwar sieht auch das Unionsrecht zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und der Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit eine Pflicht zur Speicherung der IP-Adresse des Kunden vor. Im TKG fehlt aber eine entsprechende Beschränkung. Dies gilt dem Senat zufolge sowohl für die aktuelle Regelung als auch für die frühere Regelung von § 113 c Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 113 Abs. 1 Satz 3 TKG a.F.
  • Keine unionsrechtskonforme Auslegung: Auch eine unionsrechtskonforme Auslegung scheidet dem Senat zufolge wegen des Grundsatzes der Bestimmtheit und Normenklarheit, die der EuGH betont hat, aus. Aufgrund des Anwendungsvorrangs von EU-Recht, darf die TKG-Regelung damit nicht angewendet werden, so das BVerwG abschließend.
Quelle: PM des BVerwG vom 07.09.2023 zum Urteil vom 14.08.2023 – 6 C 6.22 bzw. 6 C 7.22


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(ESV/bp)

Programmbereich: Wirtschaftsrecht