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BVerwG: Die Generalklauseln des IfSG waren taugliche Ermächtigungsgrundlagen zur Schließung von Gastronomiebetrieben (Foto: ArtEvent ET / stock.adobe.com)
Corona und Grundrechte im Saarland

BVerwG zur Schließung von Betrieben der Gastronomie aufgrund von Corona im Saarland

ESV-Redaktion Recht
18.05.2023
Waren die Schließungen von Gastronomiebetrieben zur Bekämpfung der zweiten Corona-Welle, die eine saarländische Rechtsverordnung im Jahr 2020 angeordnet hatte, rechtmäßig? Zu dieser Frage hat sich das nun das BVerwG in zwei Parallelverfahren geäußert.
Antragstellerin im Verfahren 3 CN 4.22 ist die Betreiberin eines spanischen Restaurants. Der Antragsteller im Verfahren 3 CN 5.22 betreibt ein Gourmetrestaurant. Beide Betreiber stellten vor dem OVG des Saarlandes je einen Normenkontrollantrag gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 der „Saarländischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 30. Oktober 2020“ (VO-CP). Die benannte Norm – die bis zum 15. November 2020 galt – hatte landesweit den Betrieb von Gaststätten verboten.
 

OVG des Saarlandes: Verbot des Betriebes von Gaststätten unwirksam

 
Vor dem OVG des Saarlandes hatten beide Antragsteller Erfolg. Das OVG hielt § 7 Abs. 1 Satz 1 der VO-CP für unwirksam und stellte dies mit Urteilen vom 31. Mai 2022 und 7. Juli 2022 fest. Die wesentlichen Überlegungen des OVG:
 
  • Verfassungsrechtlich konforme Ermächtigungsgrundlage für Verbote fehlt: Die angegriffene Reglung basierte nicht auf einer Ermächtigungsgrundlage, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Insbesondere § 32 Satz 1 IfSG und § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG hätten gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen den Parlamentsvorbehalt verstoßen.
  • Genügend Zeit für hinreichende Grundlage: Die Überganszeit – in der aufgrund des überwiegenden Gemeinwohls noch eine Berufung auf diese Generalklausel möglich gewesen wäre – war im Oktober/November 2020 abgelaufen. Nach weiterer Auffassung des OVG war zweite Corona-Welle schon im Sommer 2020 vorhersehbar, sodass der Bundesgesetzgeber vom Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst nicht überrascht wurde. Es wäre ihm also möglich gewesen, eine erforderliche parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingte Schließung von Gastronomiebetrieben zu schaffen. Der Gesetzgeber hatte das IfSG aber erst durch das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020“ um einen Beispielkatalog von Schutzmaßnahmen (§ 28a IfSG) erweitert, so das OVG hierzu.
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BVerwG: Die infektionsschutzrechtlichen Generalklauseln waren taugliche Ermächtigungsgrundlagen

 
Der 3. Senat des BVerwG folgte der Ansicht der Vorinstanz nicht. Er hat beide Urteile aufgehoben und die Sachen an das OVG des Saarlandes zurückverwiesen. Nach den weiteren Ausführungen des Senats konnte die Schließung von Gastronomiebetrieben eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG (Infektionsschutzrechtliche Generalklauseln) sein. Dabei stütze sich der Senat auf folgende Erwägungen:
 
  • Generalklauseln entsprachen noch dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot: Dem Senat zufolge bildeten die infektionsschutzrechtlichen Generalklauseln eine verfassungskonforme Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben. Zwar muss der parlamentarische Gesetzgeber die Voraussetzungen für landesweite Schließungen von Gastronomiebetrieben selbst regeln. Dies, so der Senat weiter, kann er aber auch über Generalklauseln tun. Auch die Art und Weise entsprach noch den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot sowie an das Demokratie- und Rechtsstaatsgebot.
  • Gesetzgeberischen Spielraum eingehalten: Zwar hätten die Erfahrungen mit der ersten Welle der Corona-Pandemie Anlass geben können, die Schließung von Gastronomiebetrieben ausdrücklich und unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zu regeln. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die vorhandenen Generalklauseln nicht für erforderlich hielt, überschritt aber noch nicht den ihm zustehenden gesetzgeberischen Spielraum. Auch den Umstand, dass der Gesetzgeber die Erfahrungen mit dem Corona-Erreger und der Dynamik seiner Verbreitung noch nicht für ausreichend hielt, um Schließungen von Gastronomiebetrieben konkret und für eine gewisse Dauer zu regeln, beanstandete der Senat nicht.
  • Keine Feststellungen des OVG zur Verhältnismäßigkeit und zum Gleichheitsgrundsatz: Zur Frage, ob die angegriffene Regelung verhältnismäßig war und dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG entsprach, hatte die Vorinstanz keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so der Senat weiter. Insoweit verwies er die Verfahren an das OVG des Saarlandes zurück.
Quelle: PM des BVerwG vom 16.05 2023 zu zwei Urteilen vom selben Tag – 3 CN 5.22 und 3 CN 4.22


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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht