
BVerwG zur Schließung von Betrieben der Gastronomie aufgrund von Corona im Saarland
OVG des Saarlandes: Verbot des Betriebes von Gaststätten unwirksam
- Verfassungsrechtlich konforme Ermächtigungsgrundlage für Verbote fehlt: Die angegriffene Reglung basierte nicht auf einer Ermächtigungsgrundlage, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen entsprach. Insbesondere § 32 Satz 1 IfSG und § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG hätten gegen das Bestimmtheitsgebot und gegen den Parlamentsvorbehalt verstoßen.
- Genügend Zeit für hinreichende Grundlage: Die Überganszeit – in der aufgrund des überwiegenden Gemeinwohls noch eine Berufung auf diese Generalklausel möglich gewesen wäre – war im Oktober/November 2020 abgelaufen. Nach weiterer Auffassung des OVG war zweite Corona-Welle schon im Sommer 2020 vorhersehbar, sodass der Bundesgesetzgeber vom Anstieg der Corona-Infektionen im Herbst nicht überrascht wurde. Es wäre ihm also möglich gewesen, eine erforderliche parlamentsgesetzliche Grundlage für die pandemiebedingte Schließung von Gastronomiebetrieben zu schaffen. Der Gesetzgeber hatte das IfSG aber erst durch das „Dritte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020“ um einen Beispielkatalog von Schutzmaßnahmen (§ 28a IfSG) erweitert, so das OVG hierzu.
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BVerwG: Die infektionsschutzrechtlichen Generalklauseln waren taugliche Ermächtigungsgrundlagen
- Generalklauseln entsprachen noch dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot: Dem Senat zufolge bildeten die infektionsschutzrechtlichen Generalklauseln eine verfassungskonforme Grundlage für die Schließung von Gastronomiebetrieben. Zwar muss der parlamentarische Gesetzgeber die Voraussetzungen für landesweite Schließungen von Gastronomiebetrieben selbst regeln. Dies, so der Senat weiter, kann er aber auch über Generalklauseln tun. Auch die Art und Weise entsprach noch den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot sowie an das Demokratie- und Rechtsstaatsgebot.
- Gesetzgeberischen Spielraum eingehalten: Zwar hätten die Erfahrungen mit der ersten Welle der Corona-Pandemie Anlass geben können, die Schließung von Gastronomiebetrieben ausdrücklich und unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht zu regeln. Dass der Gesetzgeber dies mit Blick auf die vorhandenen Generalklauseln nicht für erforderlich hielt, überschritt aber noch nicht den ihm zustehenden gesetzgeberischen Spielraum. Auch den Umstand, dass der Gesetzgeber die Erfahrungen mit dem Corona-Erreger und der Dynamik seiner Verbreitung noch nicht für ausreichend hielt, um Schließungen von Gastronomiebetrieben konkret und für eine gewisse Dauer zu regeln, beanstandete der Senat nicht.
- Keine Feststellungen des OVG zur Verhältnismäßigkeit und zum Gleichheitsgrundsatz: Zur Frage, ob die angegriffene Regelung verhältnismäßig war und dem Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG entsprach, hatte die Vorinstanz keine ausreichenden Feststellungen getroffen, so der Senat weiter. Insoweit verwies er die Verfahren an das OVG des Saarlandes zurück.
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(ESV/bp)
Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht