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Befasst sich mit Chunks im akademischen Kontext: Zhoufeng Wang (Foto:privat)
Nachgefragt bei Dr. Zhoufeng Wang

„Chunks sollten Lernenden gezielt und systematisch vermittelt werden“

ESV-Redaktion Philologie
19.03.2025
Das Erlernen einer neuen Sprache ist nicht leicht, insbesondere im akademischen Kontext haben Lernende oft Schwierigkeiten. Feste Wortverbindungen – sogenannte „Chunks“ – können Sprachverständnis und Sprachproduktion der deutschen Wissenschaftssprache jedoch entscheidend verbessern. Richtig angewandt können diese Mehrworteinheiten gerade in Prüfungssituationen eine Schlüsselrolle spielen und den Spracherwerb erleichtern.
Die in der Reihe Studien Deutsch als Fremd- und Zweitsprache erschienene korpusbasierte Studie „Chunks in der gesprochenen Wissenschaftssprache des Deutschen“ untersucht eben diese Worteinheiten. Wir haben mit der Autorin Zhoufeng Wang gesprochen.

Liebe Frau Wang, Sie befassen sich in Ihrer Dissertation mit „Chunks in der gesprochenen Wissenschaftssprache des Deutschen“ – worum genau handelt es sich bei Chunks?

Zhoufeng Wang: Chunks sind Mehrworteinheiten wie eine Rolle spielen oder in diesem Zusammenhang. Sie bestehen aus mehreren Wörtern, werden jedoch im mentalen Lexikon als Einheit gespeichert, abgerufen und verarbeitet – ähnlich wie Einzelwörter. Chunks bilden eine Form-Funktions-Einheit und zeichnen sich durch Merkmale wie Polylexikalität, Festigkeit, Idiomatizität, Konventionalität sowie Ganzheitlichkeit aus. Gleichzeitig kann ihre Verwendung individuell variieren und vom Kontext abhängen.

Warum sind Chunks so wichtig für Lernende einer neuen Sprache?

Zhoufeng Wang: Beim Spracherwerb stehen Lernende oft vor der Herausforderung, die Zielsprache idiomatisch und flüssig zu verwenden. Hier spielen Chunks eine entscheidende Rolle: Aufgrund ihrer Festigkeit und Konventionalität erleichtern sie nicht nur die Sprachproduktion, sondern tragen auch zur sprachlichen Flüssigkeit, Idiomatizität und Korrektheit bei. Zudem ermöglichen sie es Lernenden, sich trotz begrenzter Sprachkenntnisse frühzeitig aktiv an der zielsprachlichen Kommunikation zu beteiligen. 

Auszug aus: „Chunks in der gesprochenen Wissenschaftssprache des Deutschen. Eine korpusbasierte Studie“ 18.03.2025
Chunks: Schlüssel zur Wissenschaftssprache
Internationale Studierende stehen in Deutschland vor der Herausforderung, den akademischen Alltag trotz Sprachbarrieren zu bewältigen. Da die deutsche Wissenschaftssprache aus vielen sogenannten „Chunks“ – festen sprachlichen Einheiten – besteht, könnte deren explizite Vermittlung zu sprachkompetenteren Lernenden und somit zu besseren Studienabschlüssen führen. Unsere Autorin Zhoufeng Wang untersucht diese Thematik in ihrer korpusbasierten Studie. mehr …

Sie haben die Verwendung von Chunks in Prüfungssituationen untersucht. Wieso schien Ihnen dieser Kontext als geeignet? Was hat Sie daran besonders interessiert?

Zhoufeng Wang: Mein Ziel war es, natürliche, spontane und wissenschaftsbezogene Sprachdaten zu analysieren, die die Sprachkompetenz der Lernenden realistisch widerspiegeln. Mündliche Prüfungen sind ein integraler Bestandteil des Studiums: Sie finden in einem dialogischen, authentischen Kontext statt und behandeln wissenschaftliche Themen. Diese Bedingungen machen sie besonders geeignet für meine Studie. Zudem handelt es sich hierbei um eine anspruchsvolle Prüfungsform, die jedoch bislang nur selten empirisch erforscht wurde – das sollte sich ändern.

Wie könnte sich der Sprechfluss von Lernenden mithilfe von Chunks verändern?

Zhoufeng Wang: Durch den gezielten Einsatz von Chunks können Lernende flüssiger, natürlicher und fehlerfreier sprechen. Gleichzeitig erhöht sich die sprachliche Komplexität dadurch, da Chunks oft syntaktische Strukturen enthalten, die Lernende ohne sie nur schwer bilden können.

Sie fokussieren sich in Ihrer Arbeit auf die gesprochene Wissenschaftssprache. Was unterscheidet diese von der geschriebenen?

Zhoufeng Wang: Zwei wesentliche Merkmale unterscheiden die beiden: die mündliche Ausprägung und die kognitive Herausforderung. Die gesprochene Wissenschaftssprache ist weniger formell als die geschriebene und weist charakteristische syntaktische Phänomene auf, etwa die Verberststellung im Aussagesatz oder abhängige Verbzweitkonstruktionen. Zudem ist sie besonders anspruchsvoll, da Sprecherinnen und Sprecher gleichzeitig formulieren, strukturieren, reagieren und nachdenken müssen. Gerade deshalb könnten Chunks in diesem Kontext besonders häufig genutzt werden, weil sie die Sprachverarbeitung erleichtern und die kognitive Belastung reduzieren.

Zu guter Letzt: Ihre Arbeit konstatiert die Relevanz von Chunks im wissenschaftlichen Diskurs. Wie könnten Idiome, halbfeste Ausdrücke, Phraseologismen, Kollokationen etc. besser in die DaF/DaZ-Lehre eingebunden werden?

Zhoufeng Wang: Sie sollten gezielt und systematisch vermittelt werden, insbesondere in Kursen zur Wissenschaftssprache. Lernenden sollte explizit vermittelt werden, was Chunks sind, welche Funktionen sie erfüllen und wie sie sinnvoll eingesetzt werden können. Dabei ist es wichtig, ein Chunk-Bewusstsein bei Lernenden zu entwickeln – das bedeutet, Chunks zu identifizieren, zu sammeln, zu speichern, bewusst einzusetzen und systematisch zu analysieren.
 
Vielen Dank für diesen interessanten Einblick!

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Zur Autorin
Dr. Zhoufeng Wang schloss ihr Germanistikstudium an der Universität Tongji mit einem Master ab. Als Stipendiatin der chinesischen Regierung wechselte sie an die Universität Erlangen-Nürnberg, wo sie unter Betreuung von Prof. Dr. Eva Breindl promovierte. Seitdem arbeitet sie als Assistenzprofessorin für Germanistik an der Universität Xiamen.

Chunks in der gesprochenen Wissenschaftssprache des Deutschen
Von Dr. Zhoufeng Wang


Deutsche Hochschulen genießen weltweit hohes Ansehen und ziehen viele internationale Studierende an. Deren Studienerfolge bleiben allerdings häufig hinter denen deutscher Studierender zurück. Die Gründe hierfür sind vielfältig – ein wichtiger Faktor ist zweifellos die eingeschränkte Sprachkompetenz, insbesondere der schwierige Umgang mit der deutschen Wissenschaftssprache. Deren Beherrschung ist jedoch eine notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewältigung des akademischen Alltags.
Im Fokus stehen dabei Chunks – feste sprachliche Einheiten, die einen integralen Bestandteil wissenschaftlicher Texte darstellen und den Wissenschaftsjargon maßgeblich prägen. Die vorliegende empirische Studie zeigt: DaF-Lernende verwenden Chunks anders als Muttersprachlerinnen und Muttersprachler. Sie greifen auf eine begrenzte Anzahl invariabler Chunks zurück und setzen diese häufiger metakommunikativ ein, anstatt sie als Produktionsstrategie zu nutzen.
Dieses Buch weist auf, wo Programme und Materialien ansetzen können, um die Sprachkompetenz internationaler Studierender in der Wissenschaftssprache gezielt zu verbessern und damit ihre akademische Integration nachhaltig zu fördern.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik