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Wer Compliance ernst nimmt und hinreichend umsetzt, ist im Vorteil. (Foto: everythingpossible/stock.adobe.com)
Verbandssanktionengesetz

Compliance-Management-Systeme gewinnen an Bedeutung

ESV-Redaktion Management und Wirtschaft
08.06.2020
Die Einführung eines Unternehmensstrafrechts in Deutschland rückt näher. Der offizielle Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetzes ist veröffentlicht. Jetzt nimmt die Diskussion über die Neuerungen Fahrt auf.

Mit dem Verbandssanktionengesetz wird in Deutschland im Wesentlichen ein Unternehmensstrafrecht eingeführt, auch wenn dies wegen des verfassungsrechtlichen Schuldprinzips nicht so heißen darf, stellt die Kanzlei Noerr fest. Compliance-Management-Systemen (CMS) werde künftig eine wesentlich höhere Bedeutung zukommen als bisher. Ein fehlendes oder unzureichendes CMS könne sanktionsverschärfend, ein hinreichendes sanktionsmildernd gewertet werden. Selbst ein erst nach Begehung der jeweiligen Straftat eingeführtes oder verbessertes CMS ließe sich als sanktionsmindernd berücksichtigen. Der Gesetzgeber führe jedoch nicht aus, wie ein CMS beschaffen sein sollte, um eine Verbandssanktion zu mindern oder zu verhindern, gibt Noerr zu bedenken. 

Die vorgesehenen Regelungen im Überblick:

Anwendung

Das Verbandssanktionengesetz findet Anwendung auf juristische Personen des öffentlichen und privaten Rechts, nicht rechtsfähige Vereine und rechtsfähige Personengesellschaften. Anders als im Vorentwurf gilt das aber nur dann, wenn deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Verbände und Vereinigungen, die keinen Geschäftsbetrieb unterhalten, fallen ebenso wenig darunter wie staatliche Stellen.

Legalitätsprinzip

Anders als bislang im Verbandsbußgeldverfahren kommt nunmehr das Legalitätsprinzip zur Anwendung. Bei allen Verbandstaten muss daher die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren auch gegen den Verband einleiten. Allerdings sehen § 35 und § 36 des Gesetzentwurfs vor, ein Verfahren gegen den Verband wegen Geringfügigkeit oder gegen Auflagen und Weisungen ohne Verhängung einer Sanktion einzustellen.

Voraussetzungen der Verbandsverantwortlichkeit

Das Verbandssanktionengesetz setzt die Begehung einer Straftat voraus, durch die den Verband treffende Pflichten verletzt wurden oder durch die der Verband bereichert werden sollte. Zugerechnet werden dem Verband entsprechende Verbandstaten, die begangen wurden von

  • einer Leitungsperson: Organ, Geschäftsführer, oder in leitender Stellung tätigen Prokuristen, Handlungsbevollmächtigten oder sonstigen verantwortlich Tätigen
  • einer in Wahrnehmung von Angelegenheiten des Verbands tätigen Person: Mitarbeiter aber auch außenstehender Dritter – sofern eine Leitungsperson die Begehung der Tat durch angemessene Vorkehrungen hätte verhindern oder wesentlich erschweren können.

Anwendbar ist das Gesetz auf alle in Deutschland strafbaren Verbandstaten, auch wenn sie im Ausland begangen wurden. Erfasst werden auch nicht in Deutschland strafbare Auslandstaten, wenn der Verband seinen Sitz in Deutschland hat, die Tat bei Begehung in Deutschland strafbar wäre und auch eine Strafbarkeit im Ausland besteht.

Verbandssanktionen

Als Sanktionen sind nur noch die Verbandsgeldsanktion und die Verwarnung mit Sanktionsvorbehalt vorgesehen. Die in der Vorgängerfassung formulierte Möglichkeit einer Verbandsauflösung ist entfallen. Umfassende Kooperation und Durchführung interner Untersuchungen kann das Strafmaß reduzieren. Auch das Vorhandensein oder Fehlen eines Compliance-Management-Systems kann sich auf die Sanktionen auswirken.

Statt eine Verbandsgeldsanktion zu verhängen, kann das Gericht auch eine Verwarnung aussprechen und die Verhängung einer Verbandsgeldsanktion vorbehalten. Eine Verbandsgeldsanktion wird erst dann fällig, wenn der Verband trotz der Verwarnung weitere Verbandstaten begeht oder gegen Auflagen und Weisungen verstößt. Möglich ist auch eine Kombination beider Sanktionsmöglichkeiten, wobei dann die Verbandsgeldsanktion bis zur Hälfte „zur Bewährung“ vorbehalten bleibt.

Auflagen und Weisungen

Die Verwarnung kann mit Auflagen versehen werden, insbesondere der Wiedergutmachung des Schadens oder der Zahlung eines Geldbetrags zu Gunsten der Staatskasse. Außerdem können dem Verband Weisungen auferlegt werden, um der Begehung von Verbandstaten entgegenzuwirken. In Betracht kommen insbesondere Weisungen zur Einführung oder Fortentwicklung von Compliance-Prozessen. Die Erfüllung dieser Vorgaben ist durch Vorlage der Bescheinigung einer sachkundigen Stelle nachzuweisen.

Den vollständigen Überblick der Kanzlei Noerr finden Sie hier.

Den Referentenentwurf des Verbandssanktionengesetzes hat das Bundesjustizministerium hier veröffentlich.

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(ESV/fab)

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Programmbereich: Management und Wirtschaft