
Eigenbedarfskündigung: BGH weicht Kündigungsschutz des Mieters auf
Im September 2013 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis. Sie begründete dies mit dem Eigenbedarf der Tochter eines der Gesellschafter. Gegen die von der Klägerin erhobene Räumungsklage hatten sich die Beklagten gewehrt.
AG München: Kündigung treuwidrig
Das Amtsgericht (AG) München hat die Klage abgewiesen. Das Gericht meinte, die Kündigung der Klägerin sei wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Danach hat es die Klägerin treuwidrig versäumt, den Beklagten eine 76 qm große 2-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss desselben Hauses anzubieten. Diese stand seit April 2014 leer.LG München I: § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB schließt Eigenbedarf für GbR aus
Auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Landgericht (LG) München I vertrat als Berufungsgericht die Auffassung, dass eine GbR wegen des Bestands- und Verdrängungsschutzes nach § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB einen Wohnraummietvertrag nicht wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters kündigen darf. Hierbei wich das LG bewusst von der Rechtsprechung des BGH ab.Im Wortlaut: § 573 BGB - Ordentliche Kündigung des Vermieters |
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Die Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung ist ausgeschlossen. (2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn .. 2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt |
Im Wortlaut: § 577a - Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung |
(1) Ist an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden, so kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 3 erst nach Ablauf von drei Jahren nach der Veräußerung berufen. (1a) Die Kündigungsbeschränkung nach Absatz 1 gilt entsprechend, wenn vermieteter Wohnraum nach der Überlassung an den Mieter .. .... an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber veräußert worden ist oder zugunsten einer Personengesellschaft oder mehrerer Erwerber mit einem Recht belastet worden ist, durch dessen Ausübung dem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch entzogen wird. Satz 1 ist nicht anzuwenden, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören oder vor Überlassung des Wohnraums an den Mieter Wohnungseigentum begründet worden ist. |
BGH: Kündigung wegen Eigenbedarfs wirksam
Der Bundesgerichtshof (BGH) teilte die Argumente der Vorinstanzen nicht: Zur Entscheidung der Ausganginstanz, meinen die Karlsruher Richter zunächst, dass der Vermieter die Folgen einer Kündigung wegen Eigenbedarfs für den Mieter so gering wie möglich halten muss. So habe die Wohnung als Mittelpunkt seiner Existenz für den Mieter zwar eine besondere Bedeutung von Verfassungsrang. Dies führe auch dazu, dass der Vermieter dem betroffenen Mieter eine andere Wohnung anbieten muss, wenn ihm eine solche zur Verfügung steht und diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.Versäumtes Anbieten einer Ersatzwohnung macht Kündigung nicht unwirksam
Dennoch, so der Richterspruch aus Karlsruhe weiter, führt ein versäumtes Anbieten der Ersatzwohnung nicht automatisch zur Unwirksamkeit einer berechtigten Eigenbedarfskündigung. Damit hat der Senat seine bisherige Meinung aufgegeben.Nunmehr sieht er ein Versäumnis des Vermieters nur noch als Verletzung von mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten an. Diese würde nach § 241 Absatz 2 BGH lediglich Schadensersatzansprüche des Mieters auslösen. Der Mieter habe daher allenfalls Ersatzansprüche in Geld, zum Beispiel in Form von Umzugs- und Maklerkosten.
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§ 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB analog anwendbar
Ebenso hält der BGH § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGH für entsprechend anwendbar. Zwar wäre diese Vorschrift vom Wortlaut her nur auf natürliche Personen zugeschnitten. Sie müsse aber in den Fällen entsprechend angewendet werden, in denen eine teilrechtsfähige (Außen-)GbR als Vermieterin auftritt. Somit ist der Eigenbedarf eines Gesellschafters im Ergebnis der Gesellschaft zuzurechnen.
Als unzutreffend sah der VIII. Senat insoweit die Annahme des Berufungsgerichts an, nach der der Kündigungstatbestand von § 573 Absatz 2 Nr. 2 BGB den Mieter durch eine unüberschaubare Personenzahl vor einem überhöhten Verdrängungsrisiko schützen soll. Diesen Zweck soll dem BGH zufolge allein die Kündigungssperre von § 577a BGB erfüllen.
Den Zweck der Kündigungsregelungen in § 573 BGB sehen die Richter aus Karlsruhe darin, den Mieter vor willkürlichen Kündigungen zu schützen. Darüber hinaus soll diese Norm dem Vermieter das Recht geben, das Mietverhältnis bei einem triftigen Grund lösen zu können.
Kommentar der ESV-Redaktion |
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Weiterführende Literaur |
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Quelle: Pressestelle des BGH Nr. 225/2016 zum Urteil vom 14.12.2016 – AZ: VIII ZR 232/15
(ESV/bp)
Programmbereich: Bürgerliches Recht, Zivilverfahrensrecht