Für die Vertretung im Steuerverfahren gibt es eigene Vollmachtsformulare (Photo: VRD / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
Elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden für die Grunderwerbsteuer
ESV-Redaktion Steuern
12.01.2024
Viele Steuerpflichtige bevollmächtigen im Steuerverfahren Vertreter der steuerberatenden Berufe. Gibt es für die Vollmacht Formvorschriften? Müssen für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten an die Finanzbehörden zwingend die amtlich bestimmten Formulare verwendet werden? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der BFH in einem aktuellen Urteil.
Amtliches Muster „Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen“
Der Kläger unterzeichnete das amtliche Muster „Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen“ zur elektronischen Übermittlung an das Finanzamt zugunsten seines Steuerberaters. Die Vollmacht sollte die Bekanntgabe von sämtlichen Steuerbescheiden ohne eine Beschränkung auf eine Steuerart beinhalten. Jedoch wurde lediglich die Einkommensteuernummer des Klägers auf dem Formular eingetragen. Das von der Finanzverwaltung vorgesehene "Beiblatt zur Vollmacht zur Vertretung in Steuersachen" enthielt die Vollmacht nicht.
Im Jahr 2018 erwarb der Kläger ein Grundstück samt zugehöriger PV-Anlage. Der entsprechende Grunderwerbsteuerbescheid wurde dem Kläger zeitnah bekannt gegeben und enthielt eine offensichtlich zu hohe Grunderwerbsteuerfestsetzung.
Nach mehr als einem Jahr, am 09.09.2019, leitete der Kläger den Grunderwerbsteuerbescheid seinem Steuerberater weiter, der mit Datum vom 12.09.2019 Einspruch einlegte und die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer begehrte.
Fraglich war, ob das dem amtlichen Vollmachtsmuster beizufügende Beiblatt, das vom Vollmachtgeber ebenso wie die amtliche Vollmacht zu unterschreiben ist und das den Wirkungskreis der Vollmacht auf die dort angegebenen Steuer-Nr. einschränkt, in die Auslegung der Vollmacht einzubeziehen ist.
Beiblatt ist nicht Bestandteil des Vollmachtsformular
Der BFH bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts, dass das sog. „Beiblatt“ nicht Bestandteil des amtlich bestimmten Formulars ist und damit auch nicht als Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten gesehen werden kann.
Im Ergebnis war die ursprüngliche Bekanntgabe des Grunderwerbsteuerbeschands unmittelbar an den Kläger somit unwirksam, da die übermittelte Vollmacht als Generalvollmacht auch zum Empfang von Grunderwerbsteuerbescheiden berechtigte und damit nach § 122 Abs. 1 Satz 4 AO eine Bekanntgabe an die Bevollmächtigte verpflichtend war. Das „Soll“ in der Norm bedeutet in der Regel ein „Muss“. Die Heilung des Bekanntgabemangels trat erst mit Übergabe des Bescheids an den Bevollmächtigten im September 2019 ein. Somit war der Einspruch am 12.09.2019 fristgerecht und damit zulässig und begründet.
Der BFH stimmt der Finanzverwaltung zwar insoweit zu, als die Verwendung der amtlichen Vollmachtsformulare eine unabdingbare Voraussetzung für die elektronische Übermittlung von Vollmachtsdaten ist. Er stellt aber gleichzeitig klar, dass das Beiblatt kein Bestandteil des amtlich bestimmten Formulars ist und damit keine Pflicht des Vollmachtgebers abgeleitet werden kann, die Wirkung der Bevollmächtigung durch Übermittlung des Beiblatts sachlich zu beschränken. Dies stünde sogar im Widerspruch zum Inhalt der amtlichen Formulare, die im Grundsatz auf die Erteilung einer Generalvollmacht gerichtet sind.
Zu beachten ist auch, dass bei der Grunderwerbsteuer für jeden steuerpflichtigen Erwerbsvorgang eine neue Steuernummer vergeben wird. Mangels Kenntnis dieser Steuernummer bei zukünftigen Erwerbsvorgängen wäre eine elektronische Übermittlung einer Generealvollmacht für die Grunderwerbsteuer damit im Ergebnis ausgeschlossen. Ein solcher faktischer Ausschluss der Bevollmächtigung für künftige Erwerbsvorgänge stünde aber ebenfalls im Widerspruch zum Inhalt der amtlichen Vollmachtsformulare, die eine umfassende (Bekanntgabe-)Vollmacht gerade auch für die Grunderwerbsteuer erlauben.
Im vorliegenden Fall wurde keine Steuerart vom Umfang der Vollmacht ausgenommen und damit bewusst eine Generalvollmacht erteilt.
Fundstelle: BFH, Urteil vom 08.11.2023 -
II R 19/21, veröffentlicht am 21.12.2023
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(ESV/cmx)
Programmbereich: Steuerrecht