Die Rechtslage im Jahr 2006 für Bewertungseinheiten war nicht abschließend geklärt. (Photo: bidala / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte
Energiehandel: Bildung von Bewertungseinheiten und Teilwertabschreibung beim Börsenhandel mit Futures
ESV-Redaktion Steuern
08.12.2023
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat sich in einem aktuellen Urteil mit einigen sehr streitigen Fragen im Zusammenhang mit der Bildung von Bewertungseinheiten im Energiehandel nach § 5 Abs. 1a und Abs. 4a EStG beim Handel mit Futures an der Börse auseinandergesetzt.
Termingeschäfte im Energiehandel
Die Klägerin ist im Energiehandel sowohl börslich als auch außerbörslich tätig. Im Streitjahr 2006 fasste sie Termingeschäfte über den Erwerb oder Verkauf von Waren mit Sicherungsgeschäften in Bewertungseinheiten zusammen. Zum einen bediente sie sich dabei sog. Micro-Hedges, bei denen einem Grundgeschäft ein konkret identifizierbares, positionsausgleichendes Sicherungsgeschäft gegenüberstand; zum anderen kamen auch sog. Macro-Hedges zum Einsatz. Dazu fasste die Klägerin Geschäfte mit vergleichbaren Risikostrukturen zu Mandaten zusammen, sodass die einem Mandat zugewiesenen Einzelgeschäfte eine Risikokompensation für andere in dem Mandat enthaltene Geschäfte bewirkten. Soweit die Ergebnisse der Bewertungseinheiten negativ waren, stellte die Klägerin diese steuermindernd in eine Rückstellung nach § 5 Abs. 4a Satz 2 i.V.m. Abs. 1a EStG ein.
Diese Rückstellung erkannte das Finanzamt mit der Begründung nicht an, dass die von der Klägerin gebildeten Bewertungseinheiten primär reinen Arbitrage- und nicht Sicherungszwecken dienten und daher nicht unter die Vorschrift des § 5 Abs. 1a EStG fielen. Zudem würden nicht - wie es die Vorschrift erfordere - finanz-, sondern leistungswirtschaftliche Risiken abgesichert.
Die Klägerin hingegen argumentierte, dass die Bewertungseinheiten handelsrechtlich zulässig gebildet worden und damit steuerrechtlich maßgeblich seien. Der Begriff der finanzwirtschaftlichen Risiken sei weit auszulegen und umfasse auch die von der Klägerin getätigten Geschäfte.
Hilfsweise seien von ihr geleistete Marginzahlungen auf einen Teilwert von 0 EUR abzuschreiben. Dabei handele es sich um Nachschusszahlungen (Variation Margins) beim Handel mit Futures an Terminbörsen. Diese dienten der börsentäglichen Anpassung des kontrahierten Preises an den aktuellen Marktpreis. Zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung sei der Marktwert der abgeschlossenen Geschäfte negativ gewesen, so dass von einer dauernden Wertminderung auszugehen sei.
FG unterscheidet Micro- und Macro-Hedges
Das FG Düsseldorf hat der Klage teilweise stattgegeben und unterscheidet Micro- und Macro-Hedges.
Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1a EStG liegen demnach nur vor, soweit die streitige Rückstellung auf Bewertungseinheiten auf Grundlage von Micro-Hedges beruht. Das FG begründete dies mit der ungeklärten handelsrechtlichen Rechtslage im Streitjahr 2006.
Mit § 254 HGB n.F. sei erst zum Jahr 2010 eine gesetzgeberische Regelung für Bewertungseinheiten geschaffen worden. Bis dahin seien die Voraussetzungen zur Bildung von Bewertungseinheiten unklar gewesen. Das FG ging davon aus, dass jedenfalls im Jahr 2006 die Bildung von Bewertungseinheiten erfordert habe, dass Forderungen und Verbindlichkeiten sich in identischen Werteinheiten betragsgleich und mit identischen Fälligkeitsterminen (taggleich) gegenüberständen.
Das sei nur bei den Micro-Hedges der Fall gewesen. Insoweit sei auch von der Absicherung finanzwirtschaftlicher Risiken auszugehen. Denn jedenfalls bei dem vorliegenden Geschäftsmodell der Klägerin, die typischerweise ihre Geschäfte nicht durch physische Lieferung abschließe und über die gehandelten Waren gar nicht verfüge, sei auch der Finanzbereich der Klägerin betroffen. Eine konkrete Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für steuerliche Zwecke lehnte das Gericht ab.
Keine Teilwertabschreibung
Eine Teilwertabschreibung auf die geleisteten Variation Margins komme nicht in Betracht. Denn nach Ansicht des FG sind die verschiedenen Geschäftsvorfälle - nämlich auf der einen Seite die Verpflichtung aus dem zugrundeliegenden Geschäft (also dem Future) und auf der anderen Seite die Variation Margins - voneinander zu trennen. Während es sich bei dem Future um ein abgeschlossenes Rechtsgeschäft handele, dessen Wertentwicklung negativ sein könne, handele es sich bei den Variation Margins lediglich um Sicherheitsleistungen. Ursächlich für einen drohenden Verlust sei aber die Wertentwicklung des Futures. Dieser drohende Verlust sei nicht in der sich aus der Leistung der Variation Margin ergebenden Forderung begründet.
Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, beide Klageparteien haben die vom Gericht zugelassene Revision eingelegt.
Quelle: FG Düsseldorf, Urteil vom 7. September 2023 (
7 K 634/18 F); die Revision ist beim BFH unter XI R 32/23 anhängig.
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