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Briefings vor dem Abflug sind wichtig – auch in steuerlicher Hinsicht (Foto: vectorfusionart / stock.adobe.com)
Neues aus der Rechtsprechung

Erste Tätigkeitsstätte bei Piloten und Flugbegleitern

ESV-Redaktion Steuern
13.04.2023
Das FG Hamburg beschäftigte sich mit der Frage, wo sich bei Piloten und Flugbegleitern die für das Einkommensteuerrecht bedeutsame erste Tätigkeitsstelle befindet.

Ausgangslage

Geklagt hatten ein Pilot und seine Ehefrau, die als Flugbegleiterin tätig ist. Beide beantragten, dass Aufwendungen aus Fahrten von der Wohnung zu ihrem regelmäßigen Abflughafen und Verpflegungsmehraufwand sowie Übernachtungskosten im Zusammenhang mit diesen Fahrten im Rahmen des Werbungskostenabzugs nach Dienstreisegrundsätzen berücksichtigt werden sollten.

Entfernungspauschale vs. Dienstreisegrundsätze

Das beklagte Finanzamt widersprach dieser Rechtsauffassung und berücksichtigte die Fahrten von der Wohnung zum Flughafen lediglich mit der Entfernungspauschale. Dabei ging es davon aus, dass die Kläger bereits durch den Arbeitsvertrag (bzw. ein Versetzungsschreiben) dauerhaft zu einer ortsfesten Tätigkeitsstätte zugeordnet seien und ihre Tätigkeit daher an ihrem regelmäßigen Abflughafen beginne und ende. Die Kläger hingegen waren der Auffassung, dass sie keine erste Tätigkeitsstätte im Sinne von § 9 Abs. 4 EStG besäßen und daher stets außerhalb ihrer Wohnung auswärts tätig seien.

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Briefings vor Abflug entscheidend

Das FG Hamburg folgte der Auffassung des Finanzamts und wies die Klage mit folgender Argumentation als unbegründet zurück:

  • Das Finanzamt hat die geltend gemachten zusätzlichen Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Flughafen sowie für die Verpflegung und Unterkunft im Rahmen dieser Fahrten zu Recht nicht berücksichtigt, da die Aufwendungen der Kläger für die Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Flughafen mit der vom Beklagten bereits berücksichtigten Entfernungspauschale abgegolten sind.
  • Die Gebäude am Flughafen – bzw. die dort genutzten Briefingräume – waren in den Streitjahren die erste Tätigkeitsstätte der Kläger. Dieser betrieblichen Einrichtung sind die Kläger auch dauerhaft und unbefristet zugeordnet, wie sich aus den vorliegenden Arbeitsverträgen ergibt. Die Kläger sind am Flughafen auch in dem erforderlichen Umfang tätig geworden. Relevant für die Beurteilung sind dabei nur die am Boden durchgeführte Tätigkeiten, während die Tätigkeiten, die im Flugzeug durchgeführt werden, nicht maßgeblich für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte im Sinne des § 9 Abs. 4 EStG sind.

Die Kläger sind nach den einschlägigen Operations Manual-Allgemeines (sog. OM-A) verpflichtet, vor jedem Flug eine bestimmte Zeit vorher am Flughafen zu sein, um insbesondere Briefinggespräche durchzuführen. Diese Briefings finden in eigens hierfür vorgesehenen Räumen am Flughafen statt. Hier erfolgen insb. die Feststellung der körperlichen Verfassung der Flugbegleiter und die Ermittlung des Kenntnisstandes der Crewmitglieder.

Diese Regelungen sind zwingend. Das Gericht ging letztlich davon aus, dass diese Briefings für die Tätigkeit der Kläger jeweils qualitativ von erheblicher, genau genommen in Einzelfällen von lebenswichtiger Bedeutung sind, weil es darin auch um Sicherheitsaspekte geht (wie etwa die Wetterlage, Flugroute, Menge des Sprits für den Flug, körperliche Verfassung des Personals). Deshalb ist diese Tätigkeit, auch wenn sie im Vergleich zur Flug- und sonstigen Umlaufzeit einen geringen zeitlichen Umfang beansprucht, ausreichend, um eine erste Tätigkeitstätte zu begründen.

Nach Auffassung des Finanzgerichts ist es daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Arbeitnehmer am Ort der ersten Tätigkeitsstätte zumindest in geringem Umfang Tätigkeiten zu erbringen hat, die er arbeitsvertraglich oder dienstrechtlich schuldet und die zu dem von ihm ausgeübten Berufsbild gehören. Werden die durch eine Arbeitsanweisung geregelten Briefinggespräche regelmäßig im Gebäude des Arbeitgebers am Flughafen durchgeführt, zu dem der Steuerpflichtige durch seinen Arbeitsvertrag zugewiesen wurde, ist dies ausreichend, um am Flughafen eine erste Tätigkeitsstätte zu begründen, denn bei diesen Briefinggesprächen müssen bereits die wesentlichen Entscheidungen getroffen werden, z. B. über die Betankung des Flugzeugs und die Flugroute.


Quelle: FG Hamburg, Urteil vom 24.11.2022 - 6 K 207/21; NZB eingelegt, BFH-Az. VI B 4/23).


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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht