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Prof. Dr. Steffen Pappert hat das Standardwerk „Linguistische Textanalyse“ für die 10. Auflage neu bearbeitet. (Foto: privat)
Nachgefragt bei Professor Dr. Steffen Pappert

„Es ist von immenser Bedeutung, etwas über die Struktur und die Funktion von Texten zu erfahren“

ESV-Redaktion Philologie
31.07.2024
Mit Texten müssen wir alle täglich umgehen. Die reine Anzahl von geschriebenen und gelesenen Texten ist in den letzten Jahren, vor allem durch Social Media, stetig gewachsen. Unsere Kommunikation hat sich dadurch sehr verändert: Berufliche E-Mails beispielsweise sind viel kürzer, weniger formell und zielgerichteter als noch vor einigen Jahren.
Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen besteht die Notwendigkeit, Texte in ihrer Regelhaftigkeit nachvollziehen zu können, um dadurch die eigene Textkompetenz zu steigern. Ein nützliches Grundlagenwerk ist seit vielen Jahrzehnten die „Linguistische Textanalyse“. Lesen Sie hier ein Interview mit Professor Dr. Steffen Pappert.
Lieber Herr Pappert, die Linguistische Textanalyse kann mit Fug und Recht als Standardwerk der Sprachwissenschaft bezeichnet werden. Jetzt liegt es in neu bearbeiteter 10. Auflage vor. Was ist das Besondere an diesem Lehrbuch, das es so erfolgreich macht?

Steffen Pappert: Ich denke, der Erfolg hat mehrere Gründe. Zum einen ist es der klare systematische Aufbau, der insbesondere in Lehr-Lernkontexten von großem Vorteil ist. Zum anderen gehören vor allem die weiland von Klaus Brinker erarbeiteten Grundformen thematischer Entfaltung sowie die Liste textueller Grundfunktionen zum textlinguistischen Kanon, mit dem man sich wohl vorzugsweise im Original vertraut macht. Darüber hinaus ist es die anwendungsbezogene Darstellung, die die Einführung auszeichnet. Alles in allem wird ein Beschreibungsapparat entwickelt, der aufgrund seiner Systematik gut nachvollziehbar ist und der vielerlei Anknüpfungspunkte für Textanalysen aus unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht.

In der Einleitung zum Buch schreiben Sie, dass das Buch die Regelhaftigkeit von Textbildung und Textverstehen nachvollziehbar macht und dadurch die eigene Textkompetenz gefördert wird. Können Sie das unseren Leserinnen und Lesern bitte genauer erläutern?

Steffen Pappert: Bei dieser Frage möchte ich noch einmal auf den Aufbau des Bandes verweisen. Hier werden Schritt für Schritt die einzelnen Ebenen abgehandelt, die sowohl für die Produktion als auch für die Rezeption von Texten unverzichtbar sind. Das betrifft die Textgrammatik, die thematischen Zusammenhänge sowie die Textfunktionen. Aber natürlich auch das Wissen um die Textsorten, die ja auf dem Zusammenspiel der Ebenen beruhen. Gerade in der unsrigen Zeit, in der mehr schriftlich ‚getextet‘ wird als je zuvor, ist es von immenser Bedeutung, nicht nur etwas über die Struktur und die Funktion von Texten zu erfahren, sondern auch zu lernen, wann welche Texte verwendet werden sollten. Also beispielsweise, dass es einen Unterschied macht, einer Freundin oder einer Dozierenden zu schreiben – und worin diese Unterschiede bestehen. All dies wird im Buch nicht nur systematisch entfaltet, sondern an einer Vielzahl von Beispielen illustriert, was die Nachvollziehbarkeit der Ansätze natürlich vortrefflich unterstützt.

Wie ist das Lehrbuch konzipiert und an welche Zielgruppe richtet es sich vorzugsweise?

Steffen Pappert: Wie bereits erwähnt, vermittelt die Einführung in erster Linie textlinguistisches Basiswissen, das für eine fundierte Textanalyse unerlässlich ist. Damit wird zugleich ein Startpunkt etabliert, von dem aus – je nach Bedarf – in unterschiedliche Richtungen fortgeschritten werden kann. Vor diesem Hintergrund richtet sich das Buch in erster Linie an ‚jüngere Semester‘, d.h. an Studierende der Germanistik oder anderer Philologien im Bachelorstudium. Auch der Einsatz im Deutschunterricht in den Sekundarstufen I und II ist durchaus erwünscht.
Linguistische Textanalyse 31.07.2024
Die eigene Textkompetenz stärken
Was macht einen Text zu einem Text? Wir sind meist intuitiv in der Lage, Texte als solche zu identifizieren. Doch der Einheit „Text“ liegt eine Regelhaftigkeit zugrunde, durch deren Kenntnis die eigene Textkompetenz gestärkt werden kann. Das Grundlagenwerk „Linguistische Textanalyse“ liefert das Werkzeug dazu, immer unter Berücksichtigung verschiedener linguistischer Perspektiven. Denn Texte sind keine statischen Objekte, sondern immer in eine Kommunikationssituation eingebunden, die es bei der Analyse zu berücksichtigen gilt. mehr …

Das Lehrbuch zeichnet sich, wie Sie sagen, nach wie vor durch sein anwendungsorientiertes Konzept aus, das anhand zahlreicher Textbeispiele verschiedenste textlinguistische Verfahren in ein Gesamtkonzept einbettet. Ist dieser Praxisbezug besonders wichtig, um die kommunikative Funktion von Texten besser erläutern zu können?


Steffen Pappert: Lassen Sie es mich so formulieren: Nicht nur unter Studierenden wird oftmals beklagt, dass wissenschaftliche Disziplinen – auch die Linguistik – sich mitunter ihre eigene Welt konstruieren, der sie dann passende Modelle zuordnen. Das ist sicherlich legitim, aber leider geht mit derlei Vorgehensweisen nicht nur der Bezug zur Wirklichkeit verloren, sondern auch das Interesse und/oder das Verständnis der Lernenden. Gerade die Beschäftigung mit Texten kann sich eine solche Weltabgewandtheit aber nicht leisten. Wir sind tagtäglich umgeben von Texten, sie sind bei Lichte betrachtet das Mittel zur schriftlichen Kommunikation, ob nun analog oder digital. Der sich rasch entwickelnde Texthaushalt moderner Gesellschaften ist aufgrund seiner Komplexität zudem kaum noch überschaubar. Umso dringlicher ist es, nicht nur den Versuch zu unternehmen, diesen Texthaushalt systematisch in seinen Bestandteilen zu erfassen und zu beschreiben, sondern eben auch Einblicke in diesen zu gewähren. Das sollen die vielen Beispiele erlauben. Da Sie die Beispiele erwähnt haben, möchte ich die Gelegenheit nutzen, auf mögliche Einlassungen bezüglich der Aktualität der Beispiele einzugehen. Auch für die vorliegende Auflage habe ich mir lange überlegt, die Beispiele aufzudatieren, um mich dann doch für die alten zu entscheiden. Der Grund: Meine Lehre mit dem Buch hat gezeigt, dass das ‚Alter‘ der Beispiele dem lllustrationszweck nicht abträglich ist. Vielmehr bekommen die Studierenden dadurch en passant auch noch ein wenig Geschichtsunterricht. Zudem werden neuere Entwicklungen der Textwirklichkeit in den entsprechenden Kapiteln gezeigt.
 
Sie lehren seit vielen Jahren an deutschen Universitäten. Haben sich Ihrer Erfahrung nach die Bedürfnisse der Studierenden gegenüber der Lehre bzw. gegenüber Lehrbüchern verändert?

Steffen Pappert: Ich habe das Gefühl, dass sich im Zuge der Digitalisierung, vor allem in den sozialen Medien, das Leseverhalten doch sehr verändert hat. Die aus dem Überangebot resultierende Informationsflut führt u.a. dazu, dass Kommunikate jedweder Art nur noch fragmentarisch und oberflächlich wahrgenommen werden.
Die COVID-19-Pandemie hat diese Entwicklung zusätzlich befördert, da hier der Konsum der digitalen Angebote zeitweise alternativlos war, um am ‚Weltgeschehen‘ teilhaben zu können. Die sich vor diesem Hintergrund abzeichnenden Lese- und Sehgewohnheiten haben natürlich Auswirkungen auf die Bedürfnisse der Studierenden. Um es vorsichtig zu formulieren: Die Klagen über Leseumfänge werden häufiger und lauter, die Ansprüche an eine abwechslungsreiche und unterhaltende Lehre höher. In Bezug auf Lehrbücher denke ich, dass modularen und/oder interaktiven Angeboten wohl die Zukunft gehören wird. Abseits dessen beschleicht mich zugegebenermaßen
die Befürchtung, dass das Lesen gedruckter Bücher abnehmen wird. Auch hier
wirken Digitalisierung und Corona beschleunigend. Aber vielleicht bin ich auch zu pessimistisch …

 
Wir danken Ihnen für dieses aufschlussreiche Interview, lieber Herr Pappert.

Wenn das Buch Sie, liebe Leserinnen und Leser, interessiert, können Sie es gern hier bestellen.

Linguistische Textanalyse

von Klaus Brinker, Steffen Pappert, Hermann Cölfen
Die „Linguistische Textanalyse“ von Klaus Brinker ist inzwischen zu einem Standardwerk der Sprachwissenschaft geworden. Ebenso verständlich wie fachlich kompetent geschrieben, ermöglicht auch die 10. Auflage einen umfassenden Einblick in die linguistische Textanalyse.
Die Einführung hat das Ziel, theoretisch und methodisch bestimmt durch die Textlinguistik, die Struktur und die kommunikative Funktion konkreter Texte transparent zu machen und nachprüfbar zu beschreiben. Dadurch vermittelt sie grundlegende Einsichten in die Regelhaftigkeit von Textkonstitution und Textrezeption.
Die Autoren legen mit dieser Einführung in die linguistische Textanalyse eine durchgehend anwendungsbezogene Darstellung vor. Vor dem Hintergrund zentraler textlinguistischer Ansätze wird ein integratives Analysemodell entwickelt, das an Texten aus verschiedenen Kommunikationsbereichen anschaulich verdeutlicht wird.
Den systematisch aufeinander aufbauenden Kapiteln wurden Zusammenfassungen und Hinweise zur weiterführenden Lektüre beigegeben. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Sachregister runden den Band ab.
Für die vorliegende 10. Auflage wurde die Vorgängerauflage durchgesehen, an einigen Stellen präzisiert sowie durch eine Auswahl neuester Literaturhinweise komplettiert.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik