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EuGH: Eine „öffentliche Wiedergabe“ von Musik liegt nur vor, wenn diese – zum Beispiel im Passagierraum eines Flugzeugs – auch tatsächlich zu hören ist (Foto: aapsky /stock.adobe,com)
Urheberrecht

EuGH zur „öffentlichen Wiedergabe“ von Musikwerken in Flugzeugen

ESV-Redaktion Recht
21.04.2023
Kann schon nur das Vorhandensein von technischen Vorrichtungen in Flugzeugen, die den Passagieren das Hören von Musik im Hintergrund ermöglichen würden, eine widerlegbare Vermutung dafür begründen, dass dort auch tatsächlich öffentliche Wiedergaben stattfinden? Hierzu hat sich der EuGH aktuell geäußert.
Grundsätzlich kann Musik, die Fahr- oder Fluggäste in öffentlichen Verkehrsmitteln hören können, eine „öffentliche Wiedergabe“ im urheberrechtlichen Sinne sein. Die Folge: Die Verwertungsgesellschaften können dann Lizenzgebühren von den Verkehrsunternehmen fordern.  

Dementsprechend verlangten zwei rumänische Verwertungsgesellschaften von dem Luftfahrtunternehmen „Blue Air“ und der rumänischen Eisenbahngesellschaft „CFR“ Vergütungen und Vertragsstrafen für die Wiedergabe von Musikwerken an Bord von Luftfahrzeugen und Reisezugwagen.

Vermutung der „öffentlichen Wiedergabe“?

Allerdings war die Frage, ob die Passagiere in dem Flugzeug überhaupt Musik im genannten Sinne hören konnten, nicht zweifelsfrei geklärt. Das rumänische Berufungsgericht – das den Fall dem EuGH vorgelegt hatte – wies dann auf Folgendes hin:

Nach Auffassung einiger weiterer Gerichte in Rumänien besteht eine widerlegliche Vermutung dafür, dass urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich wiedergegeben werden, wenn technische Vorrichtungen eingebaut sind, die den Passagieren grundsätzlich eine Wahrnehmung ermöglichen. Die Begründung dieser Gerichte: Den Verwertungsgesellschaften wäre es nicht möglich, systematisch sämtliche Orte zu kontrollieren, an denen es zur Nutzung von Werken mit geistiger Schöpfung kommen könne.

Würde man die Auffassung der betreffenden rumänischen Gerichte teilen, wäre es also nicht zwingend erforderlich, dass tatsächlich hörbare Musik ausgestrahlt wird. Fordert ein Verwerter in einem solchen Fall von dem Beförderer eine Vergütung, müsste Letzterer beweisen, dass keine Musik zu hören war, wenn er sich entlasten will. 

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Die Fragen des rumänischen Berufungsgerichts an den EuGH

Das zuständige Berufungsgericht Bukarest rief also, wie schon ausgeführt, den EuGH an und wollte von dem Luxemburger Gericht im Wesentlichen Folgendes wissen:
 
  • Ist die Ausstrahlung von Musikwerken in öffentlichen Verkehrsmitteln – die gewerblich unterwegs sind – eine öffentliche Wiedergabe, wenn die Musik für die Passagiere über das allgemeine Lautsprechersystem der Maschine im Hintergrund wahrnehmbar ist?
  • Ist schon lediglich das Vorhandensein einer Lautsprecheranlage, ggf. auch mit einer Software, die die Wiedergabe von Tonträgern mit geschützten Musikwerken im Flugzeug ermöglicht, eine hinreichende Grundlage für eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken an Bord dieses Luftfahrzeugs?
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EuGH: Die bloße Einrichtung einer Lautsprecheranlage ohne Ausstrahlung von Musik ist noch keine „öffentliche Wiedergabe“ 

Die Sechste Kammer des EuGH betonte in ihrer Entscheidung zwar zunächst, dass die Ausstrahlung von Musikwerken, die in öffentlichen Personenbeförderungsmitteln im Hintergrund wahrnehmbar sind, eine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechts ist.
 
Dies gilt der Kammer zufolge aber nicht für die bloße Einrichtung einer Lautsprecheranlage an Bord eines Beförderungsmittels, die lediglich eine Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglicht – und zwar auch dann nicht, wenn die Anlage über eine entsprechende Software verfügt.
 
Eine landesrechtliche Regelung, die den Anspruch einer Vergütung nur an den Einbau solcher Anlagen knüpft, wäre nicht mit EU-Recht vereinbar. Sie kann der Kammer zufolge nämlich zu dem Ergebnis führen, dass die Vergütung auch dann gezahlt werden muss, wenn gar keine öffentliche Wiedergabe stattfindet.
 
Quelle: Urteil des EuGH vom 20.04.2023 – C-775/21 und C-826/21


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(ESV/bp)

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