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FamG Köln: Der Schriftsatz des Anwalts der Antragsgegnerin – den wohl eine KI erstellt hat – enthielt viele falsche Informationen (Foto: InfiniteFlow / stock.adobe.com).
Familienrecht und anwaltliche Berufspflichten

FamG Köln lehnt Anordnung von Wechselmodell ab – und rügt Schriftsatz mit Fake-Zitaten, der vermutlich unter Einsatz von KI generiert wurde

ESV-Redaktion Recht
06.08.2025
Um das Wechselmodell und das Kindeswohl ging es in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss des AG Köln, Familiengericht (FamG Köln). In diesem Fall hat das Gericht den Antrag des Vaters auf Anordnung des Wechselmodells abgelehnt. Bemerkenswert ist aber, dass das Gericht den Prozessbevollmächtigten der Mutter scharf gerügt hat. Demnach hat ein Schriftsatz des Anwalts – den wohl eine KI erstellt hat – zahlreiche falsche Informationen enthalten.
In dem Streitfall wohnten die Eltern in unmittelbarer Nachbarschaft. Während die fast neunjährige Tochter zur Grundschulde in Wohnortnähe geht, besucht ihr vierjähriger Bruder den Kindergarten. Die Kinder verbringen jedes zweite Wochenende bei ihrem Vater.

Der Vater wollte dies grundlegend ändern. Seine Kinder sollten nach seinen Vorstellungen genauso viel Zeit bei ihm verbringen, wie bei der Mutter, was dem sogenannten „paritätischen Wechselmodell“ entspricht. Konkret sollten die Kinder in jeder geraden Kalenderwoche beim ihm sein. Dies lehnte die Mutter ab. Die Kinder litten allerdings sehr unter dem Streit der Eltern, dass sie sich sogar auf Schulfesten ignorierten

Das FamG Köln musste nun entscheiden, welche Art des Umgangs dem Kindeswohl am besten gerecht wurde.

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FamG Köln: Wechselmodel entspricht nicht dem Kindeswohl


Der Antrag des Vaters blieb vor dem FamG Köln ohne Erfolg. Das Gericht lehnte den Antrag auf Anordnung des Wechselmodells ab. Demnach werden die Kinder sehr stark durch den erbitterten Streit der Eltern – die auch nicht gut kommunizieren – belastet. Darüber hinaus haben die Kinder dem Wunsch des Vaters nicht eindeutig zugestimmt.

Das FamG hat daher die bisherige Umgangsregelung erneuert. Nach Auffassung des Gerichts entspricht diese Regelung dem Kindeswohl am meisten. Damit folgte das Gericht den Empfehlungen des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin.

Zur Rüge des Gerichts – Einreichung von KI-Schriftsatz


Hervorzuheben ist, dass das FamG Köln den Anwalt der Antragsgegnerin ausdrücklich gerügt hat. Ausgangspunkt der Rüge ist, dass dessen Schriftsatz, den er offenbar von einer KI generieren ließ, zahlreiche falsche Informationen enthielt. Hier einige Beispiele (mehr dazu im Beschluss, siehe unten):

  • Falsche Angaben zum juris Praxis Kommentar BGB, Band 4 (jurisPK): Insoweit weist das Gericht darauf hin, dass der Autor Dr. Wolfram Viefhues nicht im Münchner Kommentar, sondern im jurisPK schreibt, dessen Herausgeber er ist. Zudem wird § 1687 BGB nicht von Brömmelmeyer, sondern von Thormeyer kommentiert. Darüber hinaus gibt es dem Gericht zufolge hier keine Randziffern 65 ff. Schließlich ist demnach die 9. Auflage des jurisPK im Jahr 2024 nicht im Jahr 2021 erschienen.
  • Nicht vorhandene Fundstelle: Auch die Fundstelle „Völkl, FamRB 2015, Bl. 74“ ist dem Gericht zufolge frei erfunden. Gleiches gilt für die angebliche Fundstelle „OLG Frankfurt, FamRZ 2021,70“.
  • Nicht existenter Rechtssatz: Darüber hinaus, so das Gericht weiter, gibt es keinen Rechtssatz, nach dem ein Wechselmodel mit einem psychisch instabilen Elternteil grundsätzlich unvereinbar wäre.
Das FamG Köln hat den Prozessbevollmächtigten der Mutter dazu aufgefordert, derart falsche Angaben künftig zu unterlassen. Dies behindere die Rechtsfindung, führe den Leser in die Irre und schade dem Ansehen von Justiz und Anwaltschaft, so das Gericht.

Darüber hinaus kann dem FamG Köln zufolge das Verbreiten von bewusst falschen rechtlichen Aussagen ein Verstoß gegen § 43a Absatz 3 BRAO sein. Als Fachanwalt für Familienrecht hätte der Prozessvertreter der Antragsgegnerin die Rechtslage kennen müssen, meint das FamG Köln hierzu weiter.
 
Quelle: Beschluss des AG Familiengerichts Köln vom 02.07.2025 – 312 F 130/25


Anmerkung der Redaktion: Weitere rechtliche Aspekte beim anwaltlichen Einsatz von KI


Die Ausführungen des FamG Köln verdeutlichen eindrucksvoll, dass es unerlässlich ist, die Quellen und Fundstellen, die eine KI benennt, eingehend zu prüfen. Hiervon entbindet die KI den Anwalt nicht. Es geht auch nicht nur darum, dass sich der Anwalt vor Gericht blamiert. Vielmehr stehen noch folgende weitere Risiken im Raum: 

  • Prozessbetrug? In der Literatur wird derzeit auch darüber diskutiert, ob die bewusste Angabe falscher Fundstellen gar ein Prozessbetrug oder ein Versuch sein kann. Der lateinische Grundsatz: „Iura novit curia“ (Das Gericht kennt das Recht) lässt daran aber Zweifel aufkommen, wenn man ihn wörtlich nimmt, denn „Wissende“ lassen sich nicht täuschen. Außerdem muss das Gericht die rechtlichen Lösungen selber suchen, wenn sie diese noch nicht kennt. Zudem ist unklar, ob der Anwalt der KI vorliegend nur blind vertraut oder oder ob er von den falschen Zitaten Kenntnis hatte. Zudem wird wohl auf den konkreten Einzelfall und vor allem auf dessen Komplexität abzustellen sein. Erst dann, wenn dem Anwalt Fake-Zitate bewußt sind, ließe sich sagen: „Man kann es ja mal versuchen“, womit wir also mindestens mal beim Versuch wären. 

  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht? Schließlich kann der Anwalt seine Verschwiegenheitspflicht verletzen, wenn er Mandantendaten an eine öffentlich zugängliche KI weitergibt. Oft ist in diesen Fällen nämlich unklar, wo die Daten aus den Eingaben der KI-Anwender letztlich landen. Dessen muss sich auch ein Anwalt bewusst sein. Auch hier wird es auf den Einzelfall ankommen. 


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(ESV/bp)

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