
Generalanwalt des EuGH: Grundrechte sind unüberwindliche Barriere
In den nun vor dem EuGH zu verhandelnden Fällen hatte in Großbritannien die Menschenrechtsorganisation „Privacy International“ (PI) vor allem gegen die Praxis des Government Communications Headquarters (GCHQ) und des Secret Intelligence Service (SIS) – auch bekannt als MI6 – geklagt. Beide Geheimdienste hatten massenhaft und anlasslos Daten von Bürgern gespeichert. Der PI zufolge speichern die Dienste Reise- und Passdaten, Social-Media-Profile und verschiedene Kommunikationsdaten.
In den Streitfällen in Frankreich und Belgien zog unter anderem die „La Quadrature du Net“ gegen vergleichbare Datenspeicherungen vor Gericht. Zudem klagten weitere Organisationen gegen die massenhafte Speicherung von Verbindungsdaten zur Terrorbekämpfung durch den französischen Staat. Nun sollen die Luxemburger Richter klären, inwieweit diese staatlichen Dienste den Grundrechten verpflichtet sind.
Aufgaben des Generalanwalts am EuGH |
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Generalanwalt: Unterschiedslose Datenspeicherung unverhältnismäßig
- Rechtsrahmen der EU anwendbar: Zunächst führte Campos Sánchez-Bordona aus, dass die EU-Vorgaben auch für Geheimdienste gelten. Die Folge: Auch dann, wenn Provider und private Dienstleister aufgrund staatlichen Zwanges dazu gezwungen wären, die Daten ihrer Nutzer zu speichern oder herauszugeben, muss dies mit EU-Recht vereinbar sein.
- Datenspeicherung unverhältnismäßig: Zudem hält der Generalanwalt eine allgemeine und unterschiedslose Speicherung aller Verkehrs- und Standortdaten von sämtlichen Teilnehmern und registrierten Nutzern für unverhältnismäßig. Insoweit weist er drauf hin, dass der EuGH dies in der Vergangenheit mehrfach betont und entsprechende Verpflichtungen der Provider aufgehoben hat.
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Aber – nationale Sicherheit nicht völlig unbeachtlich
Allerdings kann dem Generalanwalt zufolge eine begrenzte Speicherung von Daten auch ohne konkreten Anlass aus Gründern der „nationalen Sicherheit“ gerechtfertigt sein. - Dies gilt zum Beispiel für bestimmten Datenkategorien für einen gewissen Zeitraum. Bei der Speicherung, so der Generalanwalt weiter, müsse aber der Zugang zu diesen Daten kontrolliert werden. Dies könne durch ein Gericht oder eine unabhängige Verwaltungsstelle geschehen.
- Bei einer unmittelbar bevorstehenden Bedrohung kann dem Schlussantrag zufolge auch eine noch weitgehende und allgemeine Pflicht zur Vorratsspeicherung für eine bestimmte Zeit bestehen.
Damit hat Campos Sánchez-Bordona einige Hintertürchen für die Vorratsdatenspeicherung offengelassen und liegt auf einer ähnlichen Linie zur Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG). Die Leipziger Richter sehen vor allem in den neueren Telekommunikationsmitteln ein spezifisches Gefahrenpotenzial. Dieses könnte die besondere Pflicht der Mitgliedstaaten begründen, die Sicherheit der Personen zu gewährleisten, die sich dort aufhalten. Auch das BVerwG hat den EuGH eingeschaltet. Eine mündliche Verhandlung hat in diesem Verfahren aber noch nicht stattgefunden.
Update |
07.10.2020 |
EuGH: Pauschale Vorratsdatenspeicherung unzulässig | |
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Einmal mehr hat der EuGH bekräftigt, dass die pauschale und flächendeckende Speicherung von Internet- und Telefon-Verbindungsdaten unzulässig ist. Damit hat er seine Auffassung aus einer Entscheidung von Ende 2016 bestätigt. Die Richter aus Luxemburg halten jedoch Ausnahmen für zulässig. mehr … |
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02.10.2019 |
BVerwG: Warum der EuGH die Vereinbarkeit der deutschen Vorratsdatenspeicherung mit Unionsrecht prüfen soll | |
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Nach den Regelungen der Vorratsdatenspeicherung sollen Anbieter von Telekommunikationsleistungen die Verbindungs- und Standortdaten ihrer Nutzer zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr über längere Zeit speichern. Allerdings waren derartige gesetzliche Regelungen in Deutschland schon immer umstritten. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) die Frage dem EuGH vorgelegt. mehr … |
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