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Sind gewollte Verluste steuerlich ansatzfähig? (Photo: ดวงหทัย พิทักษ์เจริญ / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung des BFH

Gezielte Herbeiführung von Veräußerungsverlusten und § 17 EStG

ESV-Redaktion Steuern
25.08.2023
§ 17 EStG erfordert eine Gewinnerzielungsabsicht bei der Veräußerung. Aber worauf muss sich diese beziehen? Mit dieser Frage beschäftigte sich der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil.

Kapitalerhöhung unter Ansatz eines Aufgelds

Die Klägerin war Alleingesellschafterin einer von ihr im Jahr 2015 gegründeten GmbH. Geschäftsgegenstand der GmbH ist der Erwerb und die Verwaltung von Immobilien; das Stammkapital betrug bei Gründung 25.000 EUR und war eingeteilt in 25.000 Geschäftsanteile im Nennbetrag von jeweils 1 EUR (Nr. 1 bis 25.000).

Mitte Dezember 2015 wurde von der Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 1.000 EUR beschlossen, hierzu ein weiterer Geschäftsanteil Nr. 25.001 mit einem Nennbetrag von 1.000 EUR geschaffen und von der Klägerin unmittelbar übernommen. Dabei sah der Gesellschafterbeschluss neben dem Nennbetrag die Zahlung eines Aufgelds von 500.000 EUR in die freie Kapitalrücklage der GmbH vor. Bereits am 28.12.2015 veräußerte die Klägerin 300 Geschäftsanteile im Nennwert von je 1 EUR (Nr. 24 701 bis 25 000) sowie den neuen Geschäftsanteil Nr. 25.001 zu einem Kaufpreis von insgesamt 26.300 EUR an den Kläger, der nun zu 5 % am Kapital der GmbH beteiligt war.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin aus der Veräußerung der GmbH-Geschäftsanteile einen nach § 17 EStG zu berücksichtigenden Verlust. Allerdings erkannte das Finanzamt den aus der Veräußerung des neu geschaffenen Geschäftsanteils Nr. 25.001 herrührenden Verlust nicht an. Es begründete dies mit den hohen Anschaffungskosten (1.000 EUR Nennwert zuzüglich 500.000 EUR Aufgeld), so dass es der Klägerin dahingehend an einer Gewinnerzielungsabsicht gefehlt habe. Aus der Veräußerung der übrigen Anteile ermittelte das Finanzamt dagegen einen nach § 17 EStG zu besteuernden Gewinn. Die Klage vor dem Finanzgericht Düsseldorf hatte Erfolg.

Einzelverluste für § 17 EStG nicht maßgeblich

Der BFH hat die Entscheidung des FG Düsseldorf bestätigt und die Revision als unbegründet zurückgewiesen. Auch der BFH ist der Auffassung, dass die Ende 2015 erfolgte Veräußerung von GmbH-Geschäftsanteilen zu Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG führte. Der hieraus resultierende Verlust betrug 475.000 EUR und war aufgrund des Teileinkünfteverfahrens mit 285.000 EUR anzusetzen. Einen Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten konnte der BFH nicht erkennen.

Der BFH stellte erneut klar, dass es an einer Gewinnerzielungsabsicht nur fehlt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass aufgrund der individuellen Verhältnisse der Kapitalgesellschaft und/oder ihrer Gesellschafter auch langfristig mit positiven Einkünften nicht zu rechnen ist oder dass rein persönliche Gesichtspunkte -wie freundschaftliche oder verwandtschaftliche Beziehungen- für die Beteiligung des Steuerpflichtigen bestimmend waren. Entscheidend ist, dass sich die auch bei den Einkünften aus § 17 EStG erforderliche Gewinnerzielungsabsicht auf die gesamte Beteiligung des Steuerpflichtigen an der Kapitalgesellschaft beziehen muss. Die Beschränkung der Veräußerung auf einzelne Geschäftsanteile ist ausgeschlossen. Für eine solche Auslegung gibt bereits der Wortlaut der Norm keinerlei Anhaltspunkte. Aus steuersystematischen Gründen ist die Gewinnerzielungsabsicht gerade an der gesamten Beteiligung des Steuerpflichtigen zu orientieren. Das für einen bestimmten Geschäftsanteil gezahlte Aufgeld (Agio) erhöht die Anschaffungskosten dieses Anteils, auch wenn die Summe aus dem Nennbetrag und dem Agio den Verkehrswert des Anteils übersteigt (Überpari-Emission). Das gilt jedenfalls für Veräußerungen bis zum 31.07.2019.

Keine rechtsmissbräuchliche Gestaltung

Der BFH sieht in der gezielten Herbeiführung eines Verlusts durch die Veräußerung eines GmbH-Geschäftsanteils, dessen Anschaffungskosten aufgrund eines Aufgelds seinen Verkehrswert übersteigen, nicht ohne Weiteres einen Rechtsmissbrauch nach § 42 AO.

Denn der Steuerpflichtige darf Veräußerungsgeschäfte so gestalten, dass ein steuerlich möglichst günstiges Ergebnis generiert wird. Hierzu gehört es, der Gesellschaft Kapital in einer steuerlich vorteilhaften Weise zuzuführen. So war die Klägerin nicht verpflichtet, die GmbH von vornherein mit einem höheren Stammkapital auszustatten oder eine Zuzahlung in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu leisten, die sich auf sämtliche Geschäftsanteile verteilt hätte. Auch darf der Steuerpflichtige nach der Rechtsprechung des BFH selbst entscheiden, welchen Geschäftsanteil seiner Beteiligung er veräußert - und zwar unabhängig davon, ob die Veräußerung an einen fremden Dritten oder an einen nahen
Angehörigen erfolgt.

Quelle: BFH, Urteil vom 3. Mai 2023 (IX R 12/22), veröffentlicht am 10. August 2023

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(ESV/cmx)

Programmbereich: Steuerrecht