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Über 20 Jahre nach der Erstauflage legt Christoph Strosetzki die wesentlich erweiterte dritte Auflage des literaturwissenschaftlichen Grundlagenwerks vor. (Foto: privat)
Nachgefragt bei Prof. Dr. Christoph Strosetzki

„Im Idealfall soll der Studierende zum Forscher werden“

ESV-Redaktion Philologie
22.08.2025
Die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft befindet sich im kontinuierlichen Wandel – neue Forschungsschwerpunkte und -bereiche eröffnen stets neue Zugänge zum Fach. Mit der Forschung und dem Studium verändert sich auch das „Vademecum“ der hispanistischen Literaturwissenschaft: So liegt Christoph Strosetzkis Einführungsband nun in dritter Auflage vor.
Unter Schlagworten wie ,Fiktionalität', ,Gender', ,Postkolonialismus' und ,Transkulturation' beleuchtet der Autor die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft dabei aus wissenschaftlich, bibliografisch und gesellschaftlich aktualisierter Perspektive. Wir haben mit Prof. Dr. Christoph Strosetzki gesprochen.

Lieber Herr Strosetzki, Ihre „Einführung in die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft“ erscheint bereits in dritter Auflage – welche zentralen Neuerungen unterscheiden diesen Band von der Vorauflage?


Christoph Strosetzki: Eingeführt werden soll in die universitäre Beschäftigung mit der spanischen und lateinamerikanischen Literatur. Die Neuerungen ergeben sich daher aus den neuen Forschungsgebieten und -richtungen seit der letzten Auflage. Und das sind erhebliche, die auch Konsequenzen für die bisherigen Ausrichtungen haben.

Ihre Einführung dient mitunter als Orientierungshilfe für den Studienstart. Was sind Ihrer Meinung nach die größten Schwierigkeiten zu Beginn eines Hispanistik-Studiums und wie kann Ihr Band dabei helfen, diese zu überwinden?

Christoph Strosetzki: Nicht wenige Studierende nehmen das Studium auf, weil sie einen Lehrberuf anstreben, weil sie sich für Spanien begeistern oder weil sie die Sprache schön finden und lernen wollen. Das sind gute Voraussetzungen, allerdings nur dann, wenn sie zu Ausgangspunkten werden, nicht für bloßes Lernen, sondern für erforschendes Entwickeln und Aneignen. Im Idealfall soll der Studierende zum Forscher werden. Die Einführung will beim Anfänger Neugier und Interesse wecken und dem Fortgeschritteneren als Vademecum zum Nachschlagen dienen.

In der Neuauflage befassen Sie sich verstärkt mit Schlüsselbegriffen wie „Transkulturation“, „Postokzidentalismus“, „Globalisierung“ und der „Postkolonialistischen Perspektive“. Welche Verantwortung sehen Sie in Bezug auf solch eurozentrismus- und hegemoniekritischen Ansätze dabei als Autor eines Einführungsbandes für die hispanistische Literaturwissenschaft?

Christoph Strosetzki: Diese Begriffe haben einen heuristischen Charakter. Sie liefern wie auch die Begriffe „Dialogizität“ und „Diskurs“ Perspektiven, aus denen heraus Literatur betrachtet wird. Wenn die von Ihnen angegebenen Schlüsselbegriffe zum alleinigen Maßstab gemacht werden, können sie in der Tat von der traditionellen Hispanistik wegführen. Allerdings charakterisieren sich neue Ansätze immer durch die Abwendung vom Alten, und die Literaturgeschichte wird auch hier nicht stehenbleiben. Deshalb bezieht die Einführung mit Blick auf die Zukunft bewusst auch gewohnte Gebiete ein.

Auszug aus: „Einführung in die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft“ 21.08.2025
Zeitgemäßes Fundament für die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft
Neugier fürs Fach wecken und als studienbegleitendes Vademecum dienen – das ist, so Christoph Strosetzki, Sinn und Zweck des Einführungsbandes in die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft. „Universitäre Lehre und Forschung orientiert sich am Zeitgeist“, sagt der Autor und betont damit den Umstand, dass auch die Hispanistik stets unbeständig und wandelbar ist. Als repräsentatives und allumfassendes Werk für das Fach kommt einem Einführungsband somit eine wesentliche Verantwortung zu, immer wieder wissenschaftlich, bibliografisch und gesellschaftlich aktualisiert zu werden. Dabei gilt es, eine Brücke zwischen neuen Ansätzen und traditionellen, gewohnten Aspekten zu schlagen, um die Hispanistik zwar zeitgemäß zu gestalten, aber in ihren Grundzügen erhalten zu können. mehr …

Der Band rahmt den Gegenstand in eine deutsch(sprachig)e Betrachtung ein: So dienen Alexander von Humboldts Südamerikareise oder Goethes Begeisterung für Cervantes als Beispiel für das deutsche Interesse an dem Forschungsgegenstand. Inwiefern halten Sie diesen Zugang für das Verständnis der Zielgruppe für wertvoll?

Christoph Strosetzki: Universitäre Lehre und Forschung orientiert sich am Zeitgeist, weshalb Fächer und Studiengänge immer wieder neu definiert werden. Es kommen Bereiche hinzu, andere werden eliminiert. Es ist wichtig zu wissen, dass die Neuphilologien vor dem 19. Jahrhundert nicht existierten. Unterstützt durch die deutsche Romantik emanzipierten sie sich langsam von der klassischen Philologie und differenzierten sich später in einzelne Sprachen. Erst das Wissen um ihren gesellschaftlichen Stellenwert und um ihre Historizität erlaubt es zu sehen, was in ihrer gegenwärtigen Position und Situation relevant ist, inwieweit z. B. die Priorität der Didaktik oder der Horizonterweiterung zu gelten hat.

Sie beleuchten u. a. den Diskurs über die Kanonisierung spanischsprachiger Literatur. Wie haben Sie in diesem Spannungsfeld entschieden, welche Werke Sie beispielhaft besprechen, und kann ein Einführungsband selbst zur Kanonisierung beitragen?

Christoph Strosetzki: Ein Einführungsband sollte nicht selbst zur Kanonisierung beitragen, sondern einen Überblick über durch wissenschaftliche Publikationen erfolgte Kanonisierungen geben. Kanonisierungen werden vom verstärkten Publikationsaufkommen, von Literaturgeschichten und auch durch Preisverleihungen vorgenommen. Auch sind es heuristische Modelle und Methoden, die besonders geeignete Beispiele als relevant erscheinen lassen und zum Kanon hinzufügen. Allerdings ist gegenwärtig weniger die Kanonisierung als die Kanonerweiterung etwa durch Massenkultur oder Film an der Tagesordnung. Zudem eröffnet sich angesichts der Erweiterung des Literaturbegriffs, der auch z. B. die Betrachtung von Traktat- und Dialogliteratur gestattet, der spannende Bereich der Wissens- und Ideengeschichte.

Vielen Dank für diesen interessanten Einblick!

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Wir konnten Ihr Interesse an dem Einführungswerk wecken? Dann können Sie den Band hier bestellen oder auch in Fachbuchhandlungen und Universitätsbibliotheken erwerben.

Zum Autor
Prof. Dr. Christoph Strosetzki ist Professor am Romanischen Seminar der Universität Münster. Seine Forschungsschwerpunkte sind das Siglo de Oro, Ideengeschichte, spanische und lateinamerikanische Literatur, Philosophie und Literaturtheorie.


Einführung in die spanische und lateinamerikanische Literaturwissenschaft
Von Christoph Strosetzki

Diese Einführung richtet sich an Studierende der spanischen Philologie – sowohl als Einstieg als auch zur vertiefenden Lektüre. Der vorliegende Band will neugierig machen auf das Fach. Begriffe werden veranschaulicht und Grundkenntnisse in einem studienbegleitenden Vademecum vermittelt. Vorgestellt werden Hilfsmittel wie Semiotik, Rhetorik, Poetik, Hermeneutik und Rezeptionsästhetik. Hinzu kommen Fiktionalität, Autofiktion, Dokufiktion, Ökonomie, Globalisation, Glokalisation, Gender und Heterodoxie. Das Paradigma Raum führt zur Migration, weshalb postmoderne und postkoloniale Perspektiven zu neuen Themen Lateinamerikas führen wie Transkulturation, Hybridität, Postokzidentalismus, Archipelisierung und Gewalt. Spanien ist nicht nur durch den Übergang zur Demokratie („transición“), sondern auch durch die Finanzkrise von 2008, die Coronapandemie, das Platzen der Immobilienblase und die Jugendarbeitslosigkeit geprägt. Der Blick auf Bild und Text, Film und Literatur, Filmanalyse und Medialität zeigt, wie breit das Spektrum hispanistischer Forschung ist.

Die dritte Auflage wurde inhaltlich erweitert sowie bibliografisch aktualisiert und auf den heutigen Stand der Literaturwissenschaft gebracht.




Programmbereich: Romanistik