
Ist die Nichtberücksichtigung sog. „finaler“ Verluste einer (italienischen) Betriebsstätte europarechtswidrig?
Zeitweiser Betrieb einer Niederlassung einer deutschen GmbH in Italien
Klägerin ist eine inländische GmbH, die in mehrere europäische Länder expandieren wollte. So eröffnete die GmbH im Jahr 2004 auch eine Niederlassung in Italien. Allerdings erwirtschaftete die Niederlassung in den Jahren 2004 bis 2008 nur Verluste, so dass die Klägerin Ende 2008 beschloss, ihre Geschäftstätigkeit in Italien ab 01.01.2009 von Deutschland aus zu betreiben. Die italienische Niederlassung wurde in der Folge zum Jahresende 2008 geschlossen.
Gewinne in Italien waren nicht erzielt worden, daher konnte die Klägerin in eigener Person die Verluste dort weder durch einen Verlustrücktrag noch durch einen Verlustvortrag nutzen.
Im Streitjahr 2008 machte die Klägerin ausländische Betriebsstättenverluste gewinnmindernd geltend. Allerdings wurden diese vom Finanzamt bei Festsetzung der Körperschaftsteuer nicht anerkannt. Hiergegen erhob die Klägerin im Dezember 2011 Sprungklage.
Da das Finanzamt dem nicht zugestimmt hatte, wurde das Verfahren als außergerichtlicher Rechtsbehelf fortgeführt. Im Dezember 2012 erhob die Klägerin Untätigkeitsklage, mit der sie zuletzt beantragt hat, die Körperschaftsteuer unter Berücksichtigung eines Verlusts aus der italienischen Betriebsstätte festzusetzen.
Sie hat dabei die Verluste der italienischen Betriebsstätte für die Jahre 2004 bis 2006 und 2008 nach deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen angesetzt, für das Jahr 2007 hingegen die (geringeren) Verluste, wie sie in der gegenüber dem italienischen Fiskus abgegebenen Steuerklärung erklärt worden sind.
Die Klage vor dem Finanzgericht Hamburg hatte Erfolg.
Verluste mindern nicht die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer
Die Revision zum BFH war erfolgreich und führte zur Aufhebung der Entscheidung des FG Hamburg. Nach Auffassung des BFH mindern weder der im Streitjahr entstandene Verlust noch die in den Jahren 2004 bis 2007 angefallenen Verluste der italienischen Zweigniederlassung der Klägerin die Bemessungsgrundlage der Körperschaftsteuer für das Streitjahr.
Die sog. qualifizierte Rückfallklausel des Abschn. 16 Buchst. d des Protokolls zum DBA-Italien 1989 gilt auch für negative Einkünfte. Hiernach gelten Einkünfte einer in einem Vertragsstaat ansässigen Person nur dann als aus dem anderen Vertragsstaat stammend, wenn sie im anderen Vertragsstaat in Übereinstimmung mit dem Abkommen effektiv besteuert worden sind.
Dies bedeutet im Falle von Verlusten, dass von einer effektiven Besteuerung durch den anderen Staat jedenfalls dann auszugehen ist, wenn der andere Staat die Verluste in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezieht und einen Ausgleich mit positiven Einkünften eines anderen Veranlagungszeitraums ermöglicht. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass es zu irgendeinem Zeitpunkt tatsächlich zu einem solchen Ausgleich kommt.
Die im Streitjahr (und in den Vorjahren) entstandenen Verluste der italienischen Zweigniederlassung sind von der Verlustberücksichtigung bei der Körperschaftsteuer ausgeschlossen, obwohl die Verluste infolge der Schließung der Zweigniederlassung in Italien dort endgültig nicht nutzbar „final“ geworden sind. Dies verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit.
Auch einen Verstoß gegen Art. 20 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Hinblick auf eine Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Betriebsstättenverluste unbeschränkt Steuerpflichtiger konnte der BFH nicht erkennen. Der BFH hält den auf der abkommensrechtlichen Symmetriethese beruhenden Ausschluss des Abzugs – ggfs. auch „final“ – ausländischer Betriebsstättenverluste für vereinbar mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, sodass auch ein Normenkontrollverfahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 des BVerfGG nicht einzuleiten war.
Quelle: BFH, Urteil vom 12. April 2023 (I R 44/22 (I R 49/19, I R 17/16)), veröffentlicht am 29. Juni 2023.
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(ESV/cmx)
Programmbereich: Steuerrecht