
Izzo-Wagner und Siering: „Das Prinzip Naming and Shaming schlägt sich jetzt auch im Vermögensanlagengesetz nieder”
Frau Dr. Siering, das Vermögensanlagegesetz - kurz: VermAnlG - ist auf Vermögensanlagen anzuwenden, die im Inland öffentlich angeboten werden. Gilt das Gesetz für sämtliche Vermögensanlagen oder gibt es Befreiungstatbestände?
Lea Siering: Bisher gehörten zu den Vermögensanlagen Beteiligungen an Unternehmen, die kein Investmentvermögen waren. Durch die Erweiterung des Begriffes der Vermögensanlagen, gehören hierzu nun auch Treuhandvermögen, partiarische Darlehen, Nachrangdarlehen, Genussrechte, Namensschuldverschreibungen und sonstige Anlagen. Daher war der Gesetzgeber gehalten, für bestimmte Tatbestände eine erleichterte Regulierung vorzusehen.
Neben dem Genossenschaftsprivileg sieht das VermAnlG nun ebenfalls Ausnahmen für die Finanzierung von Unternehmensneugründungen vor. Dies betrifft vor allem sogeannte Start-ups bzw. kleine und mittlere Unternehmen durch Schwarmfinanzierung (sogenanntes Crowdinvesting), soziale und gemeinnützige Projekte und Religionsgemeinschaften. Sind bestimmte Voraussetzungen erfüllt und die Schwellenwerte nicht überschritten, gelten Erleichterungen, wie etwa hinsichtlich der Prospektpflicht, der Mindestlaufzeit, des Lageberichts und der Prüfungspflicht.
Wie gestaltet sich das gesetzgeberische Zusammenspiel zwischen anderen Gesetzen und Verordnungen sowie dem VermAnlG in Bezug auf Verkaufsprospekte – gibt es Überschneidungen oder ist der Gesetzgeber trennscharf?
Lea Siering: Der Gesetzgeber ist hiernach deutlich: Die Prospektpflicht für öffentlich angebotene Vermögensanlagen erstreckt sich allein auf Anlageformen, die keine Wertpapiere im Sinne des WpPG und keine Investmentanteile im Sinne des KAGB sind.
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Frau Dr. Izzo-Wagner, welche Aufsichtsmaßnahmen sieht das VermAnlG im Wesentlichen vor?
Anna Izzo-Wagner: Wesentliche Aufsichtsmaßnahmen sind die Pflicht zur Veröffentlichung eines von der Bundesanstalt gebilligten Verkaufsprospektes sowie des sogenanten VIBs, Anforderungen an Werbung sowie an die Rechnungslegung und Prüfung.
Zu den aufgrund des Kleinanlegerschutzgesetzes in das VermAnlG neu eingeführten Neuerungen zählen etwa die Konkretisierung und Erweiterung der Prospektpflicht, die erweiterten Angaben, wie etwa zu personellen Verflechtungen oder auch nach der Beendigung des öffentlichen Angebots, die Mindestlaufzeit von 24 Monaten oder die verschärften Rechnungslegungspflichten.
Im Übrigen wurden durch die Neuerungen des VermAnlG die Befugnisse der BaFin gestärkt: Sie kann Werbung und die Veröffentlichung des Verkaufsprospekts ebenso wie ein öffentliches Angebot untersagen. Zudem kann die Finanzaufsicht auf ihrer Internetseite Maßnahmen bekannt machen, die sie wegen Verstößen gegen das Vermögensanlagengesetz ergriffen hat. Weiterhin kann sie den Vertrieb bestimmter Finanzprodukte beschränken oder verbieten und zwar nicht allein gegenüber Emittenten oder Anbietern, sondern etwa auch gegenüber freien Finanzvermittlern
Die BaFin hat Bußgeldentscheidungen unverzüglich nach Rechtskraft auf ihrer Internetseite bekannt zu machen. Wird hier das Prinzip „Naming and Shaming” fortgeführt, das anscheinend verstärkt Einzug in die deutsche Rechtsordnung hält?
Lea Siering: Ja, dieses Prinzip des „Naming and Shaming” hält allerdings nicht nur durch die öffentliche Bekanntmachung von Bußgeldentscheidungen, sondern auch durch die Befugnis, Maßnahmen öffentlich bekannt zu machen, Einzug in das VermAnlG.
Welche spürbaren Erleichterungen des Kleinanlegerschutzgesetzes sind aus Ihrer bisherigen Praxiserfahrung die durchschlagkräftigsten?
Lea Siering: Sicherlich die Erleichterungen für sogenannte Schwarmfinanzierungen, also Crowdfunding.
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Frau Izzo-Wagner, können sich die auch aufgrund des Kleinanlegerschutzgesetzes neu gegründeten Crowdinvesting-Plattformen im Markt nachhaltig behaupten oder sind diese FinTechs nach Ihrem bisherigen Eindruck eher ein endlicher Hype eines Geschäftsmodells?
Anna Izzo-Wagner: Ja, wie wir es sehen, sind die bestehenden Plattformen positiv mit der für sie neuen Regulierung umgegangen und konnten sich am Markt behaupten.
Frau Siering: Gibt es Geschäftsmodelle, die von der Neuregelung besonders betroffen sind?
Lea Siering: Sicherlich die bereits erwähnten Crowdfunding-Plattformen, die vor Inkrafttreten des Kleinanlegerschutzgesetzes unreguliert waren. Der Markt nahm die Regulierung aber schon deshalb positiv auf, da für sie endlich viele offene Rechtsfragen im Crowdinvesting geklärt und dadurch Rechtssicherheit für die Marktteilnehmer geschaffen wurden.
Was zeichnet Ihr Werk, in dem Sie sowohl das VermAnlG als auch die Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung (VermVerkProspV) kommentieren, besonders aus?
Lea Siering: Das Werk überzeugt zum einen durch seinen Praxisbezug und zum anderen durch seine Aktualität in Bezug auf die jüngsten Veränderungen im Vermögensanlagenrecht.
Anna Izzo Wagner: Dadurch, dass die Autorinnen und Autoren über langjährige Praxiserfahrung verfügen, ist die Kommentierung unerlässliches Hilfsmittel für Juristen, die mit dem VermAnlG arbeiten.
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Neu erschienen |
Das Werk Vermögensanlagengesetz mit Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung, herausgegeben von Rechtsanwältin Dr. Lea Maria Siering, Berlin, und Rechtsanwältin Dr. Anna Lucia Izzo-Wagner, LL.M. Eur., Frankfurt a.M., bietet profunde Kommentierungen des VermAnlG und der VermVerkProspV unter Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Praxis und zeigt die Auswirkungen aktueller Neuregelungen durch das Kleinanlegerschutzgesetz und das 1. FimanoG, Gesetz zur Umsetzung der Transparenzrichtlinie, AbwMechG und die Aktienrechtsnovelle 2016 u.a., auf. Dabei liegt ein Fokus auf der erweiterten Prospektpflicht unter anderem für Unternehmensbeteiligungen, Beteiligungen an Treuhandvermögen, Genussrechten und Namensschuldverschreibungen. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Bank- und Kapitalmarktrecht