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Die meisten Gerichte haben die Beherbergungsverbote mittlerweile gekippt (Foto: Mariakray / stock.adobe,com)
Corona-Verordnung

Zunehmende Einigkeit der Gerichte bei Beherbergungsverboten

ESV-Redaktion Recht
16.10.2020
Die Beherbergungsverbote als Reaktion auf die steigenden Infektionszahlen mit dem Coronavirus waren die umstrittensten Einschränkungen der Bund-Länder-Runden vom 7.10.2020 und 15.10.2020. Eine einheitliche Linie fand die Runde nicht. Anfangs hatten der VGH Baden-Württemberg und das OVG Niedersachsen die entsprechenden Landesverbote dann auch gekippt. Zahlreiche andere Obergerichte schlossen sich an. Auch das BVerfG hatte sich damit befasst. Allerdings scheint sich das Blatt aufgrund des Lockdown light wieder zu wenden.

VGH Baden-Württemberg: Unangemessenes Verhältnis zwischen Eingriffszweck und Eingriffsintensität 

In dem Streitfall vor dem VGH Baden-Württemberg hatte eine Familie aus einem Risiko-Gebiet in Nordrhein-Westfalen einen Urlaub im Landkreis Ravensburg gebucht. Um in ihrem Quartier übernachten zu können, hätten sie aber einen negativen Corona-Test vorlegen müssen. Hiergegen wendete sich die Familie mit einem Eilantrag.

Der 1. Senat des VGH hat dem Antrag der Familie stattgegeben und die entsprechenden Regelungen der CoronaVO des Landes vorläufig außer Vollzug gesetzt. Demnach greift das Beherbergungsverbot rechtswidrig in die Freizügigkeit der Familie ein und ist dem Senat zufolge voraussichtlich verfassungswidrig. Die tragenden Gründe der Entscheidung:

  • Besonderes Infektionsrisiko durch Beherbergung zweifelhaft: Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass von der Beherbergung ein besonders hohes Infektionsrisiko ausgeht, das derart drastische Maßnahmen erfordert. Trotz steigender Fallzahlen sei in Deutschland kein Ausbruchsgeschehen in Beherbergungsbetrieben bekannt, so der Senat.
  • Andere Ursachen für steigende Infektionszahlen: Treiber der Pandemie sind nach Meinung des Senats vielmehr der Aufenthalt in Bereichen, in denen die Abstands- und Hygieneregeln wegen räumlicher Enge nicht eingehalten werden können. Dies gilt etwa für Schulen, Pflegeheime und Flüchtlingsunterkünfte. Eine weitere Ursache hierfür wären Feiern in größeren Gruppen, so der Senat weiter. Zudem wären Geschäfte, Freizeit- und Sporteinrichtungen, Gaststätten, Bars und Vergnügungsstätten – bis auf Clubs und Diskotheken – wieder offen. Dass ausgerechnet Beherbergungsbetriebe, die Kontaktdaten sammeln müssen und in denen eine überschaubare Personenanzahl übernachtet, davon ausgenommen würden, erschloss sich dem Senat nicht.
  • Coronatest unzumutbar: Darüber hinaus meint der Senat, dass es Antragstellern nicht zumutbar ist, ggf. negative Coronatests vorzulegen. Demzufolge ist gegenwärtig nicht gesichert, dass Reisende die Tests so kurzfristig erhalten können. Dies hält der Senat schon aus organisatorischer Sicht und wegen der engen Zeitfenster für zweifelhaft.
Nach alledem stehen der Eingriffszweck und die Eingriffsintensität nicht in angemessenem Verhältnis zueinander. Der Beschluss des VGH Baden- Württemberg ist unanfechtbar.
 
Quelle: PM des VGH Baden-Württemberg vom 15.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 1 S 3156/20

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OVG Niedersachsen: Anknüpfung an bloße Infiziertenzahl reicht nicht aus

Auch das höchste Verwaltungsgericht in Niedersachsen hat das landesrechtliche Beherbergungsverbot inzwischen vorläufig außer Vollzug gesetzt – allerdings mit einer etwas anderen Begründung. Dies lag vor allem daran, dass in dem Streitfall ein Gastwirt die Außervollzugsetzung der niedersächsischen Landesregelung beantragt hatte. Der Antragsteller vermietet in Niedersachsen Ferienhäuser. Nach seiner Auffassung ist das Beherbergungsverbot zu unbestimmt. Zudem wäre es nicht dazu geeignet, weitere Corona-Infektionen zu verhindern.

Dem schloss sich der 13. Senat des OVG Niedersachsen an. Demnach ist das Verbot weder hinreichend bestimmt noch erforderlich. Die wesentlichen Überlegungen des Senats:

  • Keine Erkenntnisse über erhöhte Ansteckungsgefahr: Das Verbot betrifft Sachverhalte, die nicht offensichtlich mit einer erhöhten Infektionsgefahr verbunden wären. Allerdings hatte der Verordnungsgeber dem Senat zufolge keine nachvollziehbaren tatsächlichen Erkenntnisse dazu vorgelegt, wie viele Personen sich innerhalb der letzten Wochen im Bundesgebiet und in Niedersachsen aufgrund von Reisen mit Corona infiziert haben.
  • Anknüpfung an bloße Zahl der Infizierten unzureichend: Aber auch die Bezugnahme auf die Infiziertenzahlen in Risikogebieten hält der Senat nicht für ausreichend. So wäre nicht automatisch bei allen Personen aus solchen Gebieten von einer einheitlichen Gefahrenlage auszugehen. Vielmehr muss der Verordnungsgeber tatsächliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen in dem betroffenen Gebiet vorweisen, was zum Beispiel bei zu klar zu lokalisierenden Infektionsvorkommen der Fall wäre. Diese Erkenntnisse muss er dann im Rahmen einer differenzierten Betrachtung berücksichtigen.
  • Verbot zu unbestimmt: Zudem gilt das Verbot nur für Personen „aus Risikogebieten“. Damit ist dem Senat zufolge nicht erkennbar, ob nur Personen mit einem dortigen Wohnsitz gemeint sind oder ob auch ein kurzer Aufenthalt ausreicht, um von dem Verbot erfasst zu werden.
Daher meint der Senat, dass das Beherbergungsverbot Verbot unverhältnismäßig ist und unangemessen in Berufsausübungsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben eingreift.

Quelle: PM des Niedersächsischen OVG  zum Beschluss vom 15.10 – 13 MN 371/20


OVG Berlin-Brandenburg: Beherbergungsverbot voraussichtlich unverhältnismäßig

Auch das OVG Berlin-Brandenburg hat mit zwei Eilbeschlüssen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung das Beherbergungsverbot der aktuellen Sars-CoV-2-Umgangsverordnung des Landes Brandenburg vorläufig außer Vollzug gesetzt. Demnach steht die Maßnahme zur Eindämmung der Infektion in keinem angemessenen Verhältnis zu den Eingriffen in die Berufsfreiheit der Antragsteller sowie zur verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit der Personen aus Risikogebieten.  Antragsteller waren ein Hotelbetrieb im Landkreis Dahme-Spree und eine Vermieterin von Ferienwohnungen im Landkreis Ostprignitz-Ruppin.

Quelle: PM des OVG-Brandenburgs vom 16.10.2020 zur Entscheidung vom selben Tag – 11 S 87/20, 11 S 88/20


OVG Meckelnburg-Vorpommern: Kein sachlicher Grund für unterschiedliche Behandlung von Einreisenden  

Auch das OVG Meckelnburg-Vorpommern hat das Beherbungsverbot außer Vollzug gesetzt. In dem Streitfall hatten zwei Hotelbetriebe  entsprechende Eilanträge gestellt. Sie meinten, dass die angegriffenen Vorschriften sie in ihrer Existenz bedrohen würden. 

Das OVG hat dem Antrag entsprochen. Die Richter aus Greifswald meinten, dass es keinen sachlichen rund dafür geben würde, dass  Beherbergungsgäste aus Hot-Spots anders behandelt werden sollten als Schüler, Studenten, Berufspendler und andere Personen, die in § 5 Abs. 3 bis 11 der Corona-LockerungsVO MV benannt werden und die sich ohne Tests in Mecklenburg-Vorpommern aufhalten dürfen.

Quelle: PM des OVG Greifswald vom 20.10.2020 zum Beschluss vom selben Tag – 2 KM 702/20 OVG

Weitere Obergrichte schließen sich an

Weitere Obergeichte haben sich den bisherigen Argumentationen der Gerichte, die die Beherbergugsverbote ablehnen, im Wesentlichen angeschlossen und die Verbote gekippt. Hierzu gehören etwa die Gerichte in Sachsen-Anhalt oder Schleswig Holstein

Quellen: 

  • PM des OVG Magdeburg vom 27.10.2020 zum Verfahren 3 R 205/20
  • PM des OVG Schleswig vom 23.10.2020 zum Verfahren 3 MR 47/20

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Anderer Ansicht – OVG Hamburg: Schutz der Bevölkerung hat Vorrang 

Nach Auffassung des OVG Hamburg ist die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Beherbergungsverbots offen. Das Gericht ließ die gebotene Interessenabwägung der Vorinstanz unbeanstandet. Demnach gab das VG Hamburg dem Interesse an der öffentlichen Gesundheit und dem Infektionsschutz und damit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit von zahlreichen Menschen gegenüber den Privateinteressen der Antragsteller zu recht den Vorzug. 

Quelle: PM des OVG Hamburg zum Beschluss vom 16.10.2020 – 6 E 4297/20


Eilantrag vor dem BVerfG gescheitert

Inzwischen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als unzulässig abgelehnt. Mit dem Antrag sollte das landesrechtliche Beherbergungsverbot in Schleswig-Holstein außer Vollzug gesetzt werden. Die Karlsruher Richter meinten, dass der Eilantrag Antrag nicht hinreichend begründet wurde. Dem Senat zufolge fehlten die erforderlichen Darlegungen. So hätten sich die Antragsteller nicht vertieft mit der landesrechtlichen Regelung und mit den Argumenten auseinandergesetzt, die für und gegen ein Beherbergungsverbot sprechen. Ebenso wenig hätten Antragsteller begründet, warum es ihnen nicht möglich wäre, einen Corona-Test zu erlangen, so der Senat weiter. 

Damit hat der Senat aber nicht in der Sache entschieden. Damit sind die Verbote also noch nicht endgültig vom Tisch. Bei hinreichend substantiierten Begründungen, die im Rahmen von weiteren Eilanträge auch etwige Eingriffe in die Berufsfreiheit rügen, müsste das BVerfG auch in der Sache entscheiden.

Quelle: Beschluss des BVerfG vom 22. Oktober 2020 - 1 BvQ 116/20

Neue Wendung durch Lockdown light oder Teil-Lockdwown im November 2020

Die weitere Entwicklung der Infektionszahlen hatte Bund und Länder dazu veranlasst, neue Maßnahmen zu treffen - und zwar den sogenannten Wellenbrecher-Lockdown, auch Teil-Lockdown oder Lockdown light genannt. Dieser sieht vor allem neue Beherbergungsverbote für Touristen, befristet bis Ende November vor. Allerdings sollen betroffene Gastromiebetriebe für Umsatzausfälle besser entschädigt werden. Die Tendenz der Gerichte, die Beherbergungsverbote aufzuheben, scheint sich bei den neuen Verboten nicht zu bestätigen. Mehr dazu lesen Sie hier: 

Lockdown light und touristische Beherbergungsverbote 06.11.2020
Erste Gerichtsentscheidungen zum Teil-Lockdown
Seit dem 2.11.2020 gilt in ganz Deutschland der sogenannte Teil-Lockdown oder Lockdown light. Im Fokus der Maßnahmen stehen vor allem die Tourismusbranche und die Gastronomie. Schon im Vorfeld hatten einige Kritiker aufgrund der damit verbundenen Grundrechtseinschränkungen verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet. Nun haben die ersten Gerichte über Eilanträge entschieden. mehr …



Die Rechtslage bis Ende Oktober 2020

Corona und Reisen 15.10.2020
Aufregung um Beherbergungsverbote
Urlauber aus innerdeutschen Corona-Risikogebieten dürfen in zahlreichen Bundesländern aufgrund eines Bund-Länder-Beschlusses von Anfang Oktober ohne negativen Corona-Test nicht mehr in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen übernachten. Einige Länder wehren sich allerdings dagegen. Doch auch in den Ländern, die das Papier umsetzen wollen, bestehen zum Teil große Unterschiede – und das trotz eines erneuten Treffens von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am 14.10.2020. Inzwischen haben der VGH Baden-Württemberg und das OVG Niedersachsen aber das Beherbergungsverbot sogar gekippt. Auch in Bayern und Sachsen soll das Verbot an dem 17.10.2020 nicht mehr gelten. mehr …
Neues zu Sperrstunden und Alkoholverboten
Zum Herbst haben viele Städte wegen der ansteigenden Infektionszahlen Sperrstunden und Alkoholverbote erlassen. Dabei kam es zu zahlreichen Gerichtsverfahren. Zuletzt gewannen in Berlin einige Gastronomen in einem Eilverfahren. In Frankfurt am Main und in Gießen wurde allerdings bisher anders entschieden.  mehr …


(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht