
Kind und Kegel stehen Rede und Antwort
Eine wohl vielen bekannte Paarformel ist die von „Rede und Antwort“:
„Die Wendung bezieht sich häufig auf die Kommunikationsabläufe vor Gericht, wo Aussagen (Reden), Rückfragen und Antworten von Klägern, Beklagten oder Zeugen verantwortungsvoll und wahrheitsgemäß erfolgen sollten.
Wohl von dieser spezifischen Gerichtssituation aus erfolgt eine Übertragung der Wendung auf diverse Kommunikations- und Handlungssituationen, in denen eine Person für ihr Handeln Rede und Antwort stehen, also Rechenschaft ablegen und Verantwortung übernehmen muss: ist von noͤten / daß die jenige welche die Rechnung thun […] von einem jeden Item […] rede vnnd antwort zugeben / vnnd wo fern von noͤten / auch zu bescheinen / vnnd belegen (Damhouder II 4 § 3). Diese kommunikative Regresspflicht von Rede und Antwort gilt für die Übernahme von Ämtern und Aufgaben im privaten und öffentlichen Raum sowie für die vormundschaftliche Personenfürsorge.“
(Auszug aus HRG-Stichwort: „Rede und Antwort“ von Ingrid Lemberg)
Weiterhin bekannt sein dürfte den meisten die Formel: mit „Haut und Haar“, die ihren Ursprung im Mittelalter hat, inzwischen aber einen Bedeutungswechsel vollzogen hat:
„Die juristische Paarformel Haut und Haar beinhaltet ursprünglich die im Mittelalter praktizierte Strafe des Prügelns und Haarscherens, eine Strafe, die im Sachsenspiegel als Höchststrafe für Schwangere gilt.
Die Strafe an Haut und Haar gehört damit zu den Leibesstrafen oder Peinlichen Strafen. Der Delinquent wurde entweder gehend oder am Pranger stehend geprügelt. Oftmals wurde ihm anschließend das Haar geschoren, damit er lange als Straftäter erkennbar war. Kombinationen mit anderen beschimpfenden Strafen, z.B. Anhängen von schandbaren Gegenständen, Landesverweisung, Brandmarken etc., konnten zur Strafverschärfung verhängt werden. Ihre diffamierende und abschreckende Wirkung erzielte die Strafe erst durch den Vollzug in der Öffentlichkeit. Delikte, bei denen die grundsätzlich ablösbare Strafe an Haut und Haar verhängt wurde, waren kleine Missetaten, z.B. Ehebruch und Diebstahl. So fordert der Sachsenspiegel bei Diebstahl im Wert von weniger als drei Schillingen die Strafe zu hute unde czu hare. [...].
Über die Jahrhunderte hat die juristische Paarformel ihre ursprüngliche, reale Bedeutung verloren und ist durch die Idiomatisierung zu einer sprichwörtlichen Redensart mit übertragener Bedeutung geworden im Sinne von „ganz und gar“.“
(Auszug aus HRG-Stichwort „Haut und Haare“ von Ulrike Schowe)
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Schließlich möchten wir eine letzte Paarformel vorstellen, die wir heute nicht mehr in ihrer ursprünglichen Bedeutung benutzen, nämlich die von „Kind und Kegel“:
„Die stabreimende Paarformel Kind und Kegel entstammt der mittelalterlichen Rechtssprache und bedeutet wörtlich ‚eheliches und uneheliches Kind‘. Der Begriff Kegel wird bereits in einem Vokabular von 1482 so erläutert (spurius), die genaue Bedeutungsentwicklung ist indes unsicher. Das Wort ist ein Archaismus (vgl. Fug in Fug und Recht), der nichts mit nhd. Kegel (‚Spielkegel‘) zu tun hat.
Erstmalig belegt ist kint und kekel in einer Handschrift von 1422. Die idiomatische Bedeutung ‚mit der ganzen Familie‘ ist erst später nachweisbar. Die Formel bezieht sich auf die Familie und das gesamte Hauswesen ( ähnlich auch Hab und Gut, Haus und Hof) und ist noch bis heute in Gebrauch, obgleich die ursprüngliche Bedeutung nicht mehr allgemein bekannt ist.
Kegel wurden lange Zeit als Randgruppe angesehen und wurden gesellschaftlich und rechtlich diskriminiert.“
(Auszug aus HRG-Stichwort „Kind und Kegel“ von Stefanie Frieling)
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