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Hochbegabung als Krankheit? (Photo: stickerside / Adobe Stock)
Neues aus der Rechtsprechung der Finanzgerichte

Kosten für Internatsbesuch als außergewöhnliche Belastung abziehbar?

ESV-Redaktion Steuern
21.08.2023
Sind die Kosten für einen Privatschulbesuch als außergewöhnliche Belastungen abziehbar? Mit dieser Frage befasste sich das Finanzgericht Münster in einem aktuellen Fall.

Internatsbesuch aufgrund Hochbegabung

Die Tochter der Kläger besuchte in den Streitjahren ein staatlich anerkanntes Internatsgymnasium. Grund hierfür war ein Schreiben des amtsärztlichen Dienstes, der dem Kind eine besondere Lernbegabung und eine sehr hohe Intelligenz bescheinigte. Diese außerordentlichen intellektuellen Fähigkeiten würden in einer regulären Schule keine entsprechende Förderung erhalten. Durch die ständige schulische Unterforderung seien bereits behandlungsbedürftige psychosomatische Beschwerden aufgetreten, die sich innerhalb eines Jahres zu einem besorgniserregenden gesundheitlichen Zustand entwickelten. Daher sei aus gesundheitlichen Gründen der Besuch einer Schule mit individuellen, an die Hochbegabung angepassten Fördermöglichkeiten wie dem Internatsgymnasium amtsärztlich dringend zu befürworten.

Die Aufwendungen für den Internatsbesuch machten die Kläger – soweit die gezahlten Schulgelder nicht bereits als Sonderausgaben berücksichtigt wurden – im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen als außergewöhnliche Belastungen geltend. Nach der Begründung des Finanzamts, die die Abzugsfähigkeit verneint, sei eine amtsärztliche Stellungnahme nicht mit einem amtsärztlichen Gutachten i. S. d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV vergleichbar. Die Zwangsläufigkeit sei nicht nachgewiesen, zumal es sich bei den Internatskosten nicht um unmittelbare Krankheitskosten handle.

Krankheitskosten oder Kosten der privaten Lebensführung

Der 2. Senat des Finanzgerichts Münster hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen. Die Aufwendungen für den Privatschulbesuch sind keine zu berücksichtigenden unmittelbaren Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule nur unter ganz engen Voraussetzungen (unmittelbare) Krankheitskosten. Auch bei einem infolge von Krankheit lernbehinderten Kind sind die Privatschulaufwendungen grds. durch den Kinderfreibetrag, den Freibetrag für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf und das Kindergeld abgegolten. Hieraus schließt das FG, dass Privatschulkosten nicht bereits dann zu den unmittelbaren Krankheitskosten zählen, wenn der Besuch der Privatschule durch eine Krankheit des Kindes verursacht ist. Erforderlich ist aber, dass der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfindet. Auf die formalen Nachweisanforderungen nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV kommt es daher im Streitfall nicht an. Denn die von den Klägern angesetzten Aufwendungen (u.a. Schulgeldanteil, Betreuungskosten, Aufnahmegebühr, Verpflegung/Projekte, Fahrtkosten des Kindes, Fahrtkosten der Eltern für Kindesbesuche) stellen bereits keine unmittelbaren Krankheitskosten dar. Es ist daher nicht ersichtlich, dass der Privatschulbesuch als solcher medizinisch indiziert ist und im Internat eine spezielle, unter Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung überhaupt stattgefunden habe. Jedenfalls war weder dem Vortrag der Kläger noch dem Internetauftritt der Einrichtung zu entnehmen, dass die Durchführung einer Therapie hinsichtlich der bei dem Kind vorhandenen Beschwerden durch medizinisches und/oder psychotherapeutisches Personal stattgefunden hat oder hätte stattfinden können.

Auch dem amtsärztlichen Schreiben können weder eine zwangsläufige medizinische Indikation des Schulbesuchs noch das Angebot und die Durchführung entsprechender Heilbehandlungen in der Privatschule entnommen werden.

Hochbegabung als Krankheit?

Ferner ist nach dem FG Münster zu berücksichtigen, dass der Schulbesuch auch im Hinblick auf die Hochbegabung des Kindes erfolgt ist, die keine Krankheit i. S. d. § 33 StG darstellt, und andere Krankheiten in dem amtsärztlichen Schreiben nicht diagnostiziert worden sind. Der Schulbesuch als solcher kann auch bei günstigen Auswirkungen auf die Krankheit nicht als eigentliche Heilmaßnahme anzusehen sein, da es sich in diesem Fall nicht um unmittelbare Krankheitskosten, sondern um nicht abziehbare Kosten der Vorbeugung bzw. Folge einer Krankheit handelt.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist beim Bundesfinanzhof unter dem Az. VI B 35/23 anhängig.

Quelle: Urteil des FG Münster vom 13. Juni 2023 (Az. 2 K 1045/22 E)

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