
Kosten im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft als Nachlassverbindlichkeiten
Erbauseinandersetzung
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist testamentarisch eingesetzte Miterbin nach der im Jahr 2017 verstorbenen Erblasserin. Diese war ihrerseits Alleinerbin ihres im selben Jahr vorverstorbenen Ehemannes. Beide hatten in einem Testament aus dem Jahr 2004 verschiedene Familienmitglieder angeführt, die nach dem Tod des letztverstorbenen Ehegatten Erben oder Vermächtnisnehmer sein sollten. In dem Testament hatten sie festgelegt, welcher Geldbetrag an jeden Erwerber ausgezahlt werden sollte.
Bereits im Jahr 2012 waren die Eheleute in eine Seniorenresidenz gezogen. Für die Einlagerung der späteren Nachlassgegenstände, für die sie dort keinen Platz fanden, schlossen sie einen kostenpflichtigen Lagervertrag ab.
Nach dem Tod der Erblasserin wurde allen Miterben im Jahr 2018 ein gemeinschaftlicher Erbschein mit den Erbquoten der einzelnen Erwerber entsprechend des an sie auszuzahlenden Geldbetrages erteilt. Der eingesetzte Testamentsvollstrecker machte in der Erbschaftsteuererklärung für die Erbengemeinschaft Räumungskosten für ein Büro und die Wohnung der Erblasserin als Nachlassverbindlichkeiten geltend.
Außerdem gab er Lagerkosten für die Einlagerung der Nachlassgegenstände an. Er hatte den durch die Erblasserin geschlossenen Lagervertrag nach deren Tod bis zum Ende der Versteigerung der Nachlassgegenstände fortgesetzt. Zudem machte er das Honorar einer Kunstexpertin für die Beratung bei der Veräußerung der Nachlassgegenstände geltend. Der Testamentsvollstrecker hatte kurz nach dem Tod der Erblasserin mit der Kunstexpertin einen Geschäftsbesorgungsvertrag für die Sichtung, Lagerung, Inventarisierung und Vermittlung der Veräußerung der Nachlassgegenstände geschlossen.
In dem Erbschaftsteuerbescheid mit Festsetzung der Erbschaftsteuer erkannte das Finanzamt die erklärten Erbfallkosten nicht als Nachlassverbindlichkeiten an. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte teilweise Erfolg. Das FG ließ die Räumungskosten für Büro und Wohnung als Nachlassverbindlichkeiten zum Abzug zu. Das Honorar für die Kunstexpertin und die Kosten für den Lagervertrag sah es nicht als Erbfallkosten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG an. Nach Auffassung des FG war der notwendige enge sachliche und zeitliche Zusammenhang mit dem Tod der Erblasserin nicht mehr gegeben. Die Miterben hätten die Nachlassgegenstände bereits in Besitz genommen. Die Kosten seien somit erst anlässlich der Verwertung der Nachlassgegenstände angefallen und gemäß § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 3 ErbStG nicht abzugsfähig.
Honorar für Kunstexpertin und Lagerkosten als Nachlassverbindlichkeiten
Die Revision ist begründet, nach Auffassung des BFH handelt es sich entgegen dem FG bei den Kosten für das Honorar der Kunstexpertin und für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Versteigerung um abzugsfähige Nachlassregelungskosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG.
Weiter Begriff der Kosten der Nachlassregelung
Die obige Norm sieht vor, dass von dem Erwerb unter anderem die Kosten als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig sind, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen. Dabei ist der Begriff "Kosten der Regelung des Nachlasses" weit auszulegen. Er umfasst die Kosten der tatsächlichen und rechtlichen Feststellung des Nachlasses einschließlich von Bewertungskosten, aber auch alle Kosten, die aufgewendet werden müssen, um die Erben in den Besitz der ihnen aus der Erbschaft zukommenden Güter zu setzen. Die Kosten müssen in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen stehen und dürfen nicht erst durch die spätere Verwaltung des Nachlasses anfallen.
Die Abgrenzung zwischen Kosten der Nachlassregelung und Kosten der Nachlassverwaltung richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die darin liegende Zäsur zwischen Erwerbserlangungskosten und Nachlassverwaltungskosten ist indes kein für den jeweiligen Erbfall und auch kein für alle Nachlassverbindlichkeiten im Sinne des § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG gleich zu definierender, einheitlicher und feststehender Zeitpunkt. Sie markiert eine inhaltliche Grenze zwischen den nachlassspezifischen Kosten auf der einen Seite und den Kosten auf der anderen Seite, die ihrer Art nach ebenso anfallen können, wenn die Gegenstände, um die es geht, sich nicht oder nicht mehr in einem Nachlass befinden. In diesem Falle ist der durch das Tatbestandsmerkmal "unmittelbar" gekennzeichnete Veranlassungszusammenhang unterbrochen.
Besonderheiten bei Erbengemeinschaften
Der BFH hat bereits entschieden, dass zu den Kosten für die "Verteilung des Nachlasses" die Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft gemäß § 2042 BGB gehören. Bei mehreren Erben entsteht eine solche Erbengemeinschaft unabhängig vom Willen der Miterben kraft Gesetzes mit dem Erbfall, gleichgültig, ob ihre Berufung auf Gesetz oder auf einer testamentarischen Einsetzung beruht. Der Nachlass wird gemeinschaftliches Vermögen der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB). Die Erbengemeinschaft ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet.
Nachlassregelungskosten
Zu den als Nachlassregelungskosten abzugsfähigen Aufwendungen für die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft können, wenn die Auseinandersetzung in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers erfolgt, auch Kosten gehören, die im Rahmen der Teilung des Nachlasses für den Verkauf beweglicher Nachlassgegenstände durch Versteigerung anfallen.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der Verkauf dazu dient, die Geldbeträge zu erlangen, die nach dem testamentarischen Willen des Erblassers an die einzelnen Miterben ausgezahlt werden sollen. Darunter können Kosten für die Sichtung der Nachlassgegenstände, deren Inventarisierung sowie Kosten für die Vermittlung, Vorbereitung und Durchführung der Versteigerung fallen.
Eingeschlossen sein können auch Kosten, die notwendigerweise für die Lagerung der Nachlassgegenstände bis zu deren Veräußerung und der darauffolgenden Auflösung der Erbengemeinschaft anfallen. Diese Kosten dienen dazu, den Nachlass bei einer Erbengemeinschaft im Sinne von § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG zu verteilen; der Verkauf der Nachlassgegenstände dient in diesem Fall nicht der Erhaltung, Mehrung, Nutzung oder Verwertung des Nachlassvermögens.
Es ist für den Abzug unschädlich, sondern vielmehr für die Nachlassabwicklungs-, Nachlassregelungs- und Nachlassverteilungskosten typisch, dass der Erbe selbst die Kosten ausgelöst hat. Unerheblich ist schließlich, ob eine kostengünstigere Lösung möglich gewesen wäre.
Die Honorarkosten der Kunstexpertin dienten der Sichtung, Inventarisierung und Vorbereitung der Nachlassgegenstände für deren Versteigerung im Rahmen der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, um die im Testament durch die Erblasserin jedem Miterben zugewandten Geldbeträge durch Verkauf der Nachlassgegenstände zu erzielen und anschließend an die einzelnen Miterben auszuzahlen.
Die Lagerkosten dienten mittelbar der Verteilung des Nachlasses in Geld auf die einzelnen Miterben gemäß der letztwilligen testamentarischen Verfügung der Erblasserin. Die Kosten waren notwendig, um die Nachlassgegenstände aufzubewahren, bis sie versteigert werden und die Geldbeträge erzielt werden konnten, die nach dem Testament den einzelnen Miterben auszubezahlen waren.
Öffentliche Verhandlung
Das Verfahren weist noch eine prozessuale Besonderheit im Zusammenhang mit dem GVG auf. Der BFH stellt fest, dass die Öffentlichkeit auch bei (teilweiser) Durchführung einer mündlichen Verhandlung mittels Bild- und Tonübertragung von einem anderen Ort nur im Gerichtssaal, nicht aber an dem anderen Ort hergestellt oder ausgeschlossen werden kann.
Fundstelle: Urteil des BFH vom 21. August 2024 - II R 43/22, veröffentlicht am 12. Dezember 2024
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Land- und Forstwirtschaft im Steuerrecht von Dipl.-Bw. Dirk Uwe Gurn Das land- und forstwirtschaftliche Steuerrecht ist mit vielseitigen Besonderheiten gespickt – auch Feststellungserklärungen zu Grundsteuerzwecken nach der jüngsten Reform oder erbschaft- und schenkungsteuerrechtliche Gestaltungsfragen z.B. im Rahmen einer Hofnachfolge machen hier keine Ausnahme. Dirk Uwe Gurn stellt Ihnen für die beiden steuerlichen Spezialthemen von hoher praktischer Relevanz für land- und forstwirtschaftliche Betriebe alles Wichtige zusammen.
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