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LAG Baden-Württemberg: Um die Vermutung des Zugangs einer Kündigung per Einwurf-Einschreiben zu begründen, ist auch die Vorlage des Auslieferungsbelegs erforderlich (Foto: Zerbor / stock.adobe.com)
Zugang einer Kündigung

LAG Baden-Württemberg zum Zugangsnachweis einer Kündigung bei Einwurf-Einschreiben

ESV-Redaktion Recht
18.06.2024
Wer den Zugang einer Kündigung nachweisen muss, kann dabei das Einwurf-Einschreiben nutzen. Reicht es für eine Vermutung des Zugangs der Kündigung dann aus, wenn der Absender dem Gericht nur den Einlieferungsbeleg mit der Sendungsnummer des Kündigungsschreibens vorlegt? Oder muss er auch den Auslieferungsbeleg überreichen? Hierüber hat das LAG Baden-Württemberg in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden.
In dem Streitfall hatte die Klägerin – eine Arzthelferin – drei Corona-Impfungen ihres Mannes in dessen Impfpass vermerkt. Vermutlich hatten die Impfungen nie stattgefunden. Hinweise auf die falschen Eintragungen im Impfpass ergaben sich darau, dass die Impfungen nicht ordnungsgemäß dokumentiert waren. Zudem hatte die Klägerin die Patientenalte ihres Mannes an 28 Stellen manipuliert.
 
Der Arbeitgeber versuchte daraufhin vier Mal hintereinander das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich zu kündigen. 
 
In der Berufungsinstanz kam es dann unter anderem auf den Zugang der Kündigung vom 26.07.2022 an. Die Klägerin hatte den Zugang dieser Kündigung bestritten. Zum Nachweis der Zugangs der Kündigung hatte die beklagte Arbeitgeberin dem Gericht den Einlieferungsbeleg eines Einwurf-Einschreibens der Deutschen Post einschließlich der Sendungsnummer vorgelegt. Dies soll der Beklagten zufolge nach einem BGH-Urteil vom 27.09.2016 (II ZR 299/15) ausreichend sein, um die Vermutung des Zugangs einer Willenserklärung im Rahmen des Anscheinsbeweis zu begründen.

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LAG Baden-Württemberg: Vorlage des Auslieferungsbelegs notwendig

 
Die 15. Kammer des LAG folgte dieser Argumentation im Ergebnis nicht. Sie legt die obige BGH-Entscheidung anders aus und meint, dass auch die die Vorlage des Auslieferungsbelegs für die obige Vermutung erforderlich ist. Insoweit folgte die 15. Kammer des LAG Baden-Württemberg dem Urteil der 3. Kammer desselben Gerichts vom 17.09.2020 (3 Sa 38/19). Die wesentlichen Überlegungen der 15. Kammer des LAG:
 
  • Dokumentation des Einwurfs der Sendung: Der jeweilige Postmitarbeiter dokumentiert beim Einwurf-Einschreiben den Einwurf der eingeschriebenen Sendung in den Empfängerbriefkasten – und zwar mit Datum- und Uhrzeit. Dieser Auslieferungsbeleg wird anschließend zentral für Deutschland in einem Lesezentrum eingescannt. Damit stehen die genauen Auslieferungsdaten zur Verfügung.
  • Absender kann Ausdruck des Auslieferungsbeleg anfordern: Der Auslieferungsbeleg wird zwar beim Einscannen zerstört. Allerdings wird dieser elektronisch archiviert und der Absender einen Ausdruck aus dem elektronischen Archiv mit Datum und Ort des Einwurfs sowie mit dem Namenszeichen des Postmitarbeiters anfordern, so die Kammer weiter.
  • Einlieferungsbeleg mit Sendestatus nicht gleichwertig: Der Einlieferungsbeleg nur mit dem Sendungsstatus ist dem Auslieferungsbeleg in wesentlichen Aspekten nicht gleichwertig. Beides verschafft dem Absender nur die Möglichkeit, den Status der Sendung und den Zustellungsvermerk gesondert bestätigt zu bekommen. Dem Sendungsstatus allein ist nicht der Name des Zustellers zu entnehmen und ebenso wenig enthält dieser eine technische Reproduktion der Unterschrift des Zustellers. 
  • Kein anderslautendes BGH-Urteil:  Auch aus der von der Beklagten zitierten BGH-Entscheidung – Urteil vom 27. 09.2016 (II ZR 299/15) – ergibt sich nach Meinung der Kammer nichts anderes. Auch diese Entscheidung würde den Anscheinsbeweis ausdrücklich nur dann bejahen, wenn Einlieferungsbeleg, Sendestatus und Auslieferungsbeleg vorgelegt werden. Dies schließt die Kammer draus, dass auch der BGH davon ausgeht, dass der Zusteller das ordnungsgemäße Zustellungsverfahren eingehalten haben muss.
Die rechtssicherste Zustellungsform sieht die Kammer nach wie vor im Einwurf in den Hausbriefkasten des Empfängers durch persönlich bekannte Boten. Im Endergebnis erachtete die Kammer dann letzlich nur die Kündigung vom 03.12.2022 als wirksam – und zwar im Wege der Auslegung als hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung. Die Kammer hat die Revision zum BAG zugelassen.
 
Quelle: Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 12.12.2023 – 15 Sa 20/23


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(ESV/bp)

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