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Das LAG Düsseldorf stellt hohe Anforderungen an die Erschütterung des hohen Beweiswerts einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (Foto: Bernd Leitner / stock.adobe.com)
Ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

LAG Düsseldorf zum Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

ESV-Redaktion Recht
26.06.2023
Arbeitnehmer, die krankheitsbedingt arbeitsunfähig, sind können den entsprechenden Beweis grundsätzlich durch die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) erbringen. Über die Frage, wann deren Beweiswert erschüttert sein kann, hat das LAG Düsseldorf in einem kürzlich veröffentlichten Urteil entschieden.
In dem Streitfall war die Klägerin seit 01.06.2021 als Zahnarzthelferin in der Zahnarztpraxis der späteren Beklagten beschäftigt.  Die Bruttovergütung betrug monatlich 3.000 EUR. In den Monaten April/März 2022 arbeitete die Klägerin wie folgt:

  • April 2022 bis einschließlich 04.04.2022,
  • danach arbeitete sie bis Ende Mai 2022 nicht mehr.
Der Grund: Sie war ab dem 05.04.2022 fortlaufend bis zum 31.05.2022 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Für ihre Krankmeldungen legte sie jeweils am 11.04.23, am 29.04.23 sowie am 16.05.2022 ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Facharztes für Allgemeinmedizin vor. Ab dem 17.05.2022 erhielt die Klägerin Krankengeld.

Mit Schreiben vom 03.05.2022 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 03.06.2022. Hilfsweise kündigte sie zum nächstmöglichen Zeitpunkt und stellte die Klägerin von ihrer Arbeit frei. In der Zwischenzeit entschied das ArbG Mönchengladbach rechtskräftig, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis erst zum 15.06.2022 beendet hat.
 
Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte neun Arbeitnehmer. Im Juni 2022 waren es dann noch zwei. Außer der Klägerin waren noch weitere Personen im Frühjahr 2022 arbeitsunfähig erkrankt – und zwar:
 
  • eine Person im gesamten Februar 2022,
  • eine weitere Person im gesamten März 2022,
  • eine weitere in den gesamten Monaten März und April 2022
  • und noch eine weitere Person im gesamten April 2022.
Die Beklagte zahlte für April und Mai 2022 weder das Entgelt noch leistete sie Lohnfortzahlung. Daher machte die Klägerin unter anderem Zahlungsansprüche in Höhe von 3.000 EUR brutto für April und von 1.548,32 EUR brutto anteilig bis zum 16.05.2022 geltend – und zwar mit der Klageschrift vom 04.05.2022, die der Beklagten am 13.05.2022 zugestellt wurde, sowie mit einer Klageerweiterung vom 03.06.2022, zugestellt gleichen Tag. Nach ihrem Vortrag war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Hierbei berief sie auf ihre ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AUB).

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Beklagte: Der Beweiswert der ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde erschüttert

Die Beklagte bestritt, dass die Klägerin im Zeitraum 05.04.2022 bis 31.05.2022 arbeitsunfähig erkrankt war. Nach ihrer Ansicht ergeben sich ernstliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin, weil die Beklagte gleichzeitig mit vier weiteren Mitarbeitern über Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall stritt. Die Ausfallzeiten dieser vier Mitarbeiter und die der Klägerin begründen den dringenden Verdacht, dass die Klägerin die Beklagte zusammen mit den benannten Mitarbeitern über geplante Krankmeldungen systematisch schädigen wollte. Damit, so die Beklagte weiter, sei der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert. Die Sache landete schließlich im Rahmen einer Berufung der Beklagten vor dem LAG Düsseldorf.
 

LAG Düsseldorf: Weder Hinweise auf kollusive Krankschreibung noch auf eine passgenaue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung


Das LAG Düsseldorf folgte der Ansicht der Beklagten nicht und wies die Berufung zurück. Demnach konnte die Beklagte den Beweiswert der formal einwandfreien AUB nicht erschüttern. Die weiteren Erwägungen des LAG:
 
  • Keine Hinweise auf systematisches Zusammenwirken mit anderen Mitarbeitern: Nach Auffassung des LAG kommt eine Erschütterung des hohen Beweiswertes einer AUB nur infrage, wenn ausreichende Anzeichen für ein bewusstes Zusammenwirken von mehreren Arbeitnehmern vorliegen, die auf eine Absicht der Schädigung des Arbeitgebers hinweisen. Das bloße zeitliche Zusammentreffen von mehreren krankeitsbedingten Ausfällen reicht hierfür nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen. Hierzu zählen etwa bestimmte Äußerungen oder Verhaltensweisen der betreffenden Arbeitnehmer. Ein reines Bestreiten der Arbeitsunfähigkeit der Klägerin ist hierfür nicht ausreichend.
  • Keine „passgenaue“ Krankschreibung: Ebensowenig lag eine „passgenaue“ Krankschreibung vor, die auf eine Kündigung abgestimmt wäre und zum Beispiel für die restlichen Arbeitstage nach einer Kündigung gelten sollte. Vielmehr erkrankte die Klägerin völlig unabhängig von der Kündigung, denn die attestierte Arbeitsunfähigkeit dauerte bei der Klägerin schon nicht bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Zudem lagen bei der Klägerin nach Überzeugung des LAG schon im Januar 2022 Umstände vor, die auf einen krankheitsbedingten Ausfall von acht Wochen hindeuteten. Diese Umstände wurden im April 2022 akut und führten zu einer Krankenhauseinweisung innerhalb ihrer Arbeitsunfähigkeit.
Quelle: Urteil des LAG Düsseldorf vom 03.01.2023 – 3 Sa 468/22

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(ESV/bp)

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