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LAG Niedersachsen: Verzicht auf arbeitsrechtliche Konsequenzen in Personalgespräch kann zur Unwirksamkeit der späteren Kündigung eines Arbeitsvertrages führen (Foto: fovito / stock.adobe.com)
Loyalitätspflichten gegenüber kirchlichen Arbeitgebern

LAG Niedersachsen zur Kündigung des Arbeitsvertrages eines Domkantors, der Leihmutterschaft plante

ESV-Redaktion Recht
24.07.2023
Die Verletzung von Loyalitätspflichten gegenüber dem Arbeitgeber spielt in Kündigungsschutzprozessen immer wieder eine wichtige Rolle. So auch in einem Fall zwischen der Evangelischen Landeskirche und einem Domkantor, der eine Leihmutterschaft plante. Weder die Ausgangsinstanz noch das LAG Niedersachsen sahen hierin einen Kündigungsgrund – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen.
In dem Streitfall klagte der Domkantor gegen eine außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses, die die beklagte Evangelische Landeskirche am 22.03.2022 ausgesprochen hatte. Hilfsweise hatte die Beklagte mit einer sozialen Auslauffrist zum 31.10.2022 gekündigt.
 

Beklagte: Geplante Leihmutterschaft verstößt gegen Loyalitätspflichten gegenüber Evangelischer Landeskirche 

 
Der Kläger hatte geplant, Kinder über eine Leihmutterschaft in Kolumbien für seinen Ehemann und sich austragen zu lassen. Darin sah die beklagte Evangelische Landeskirche einen erheblichen Verstoß gegen die Loaylitätspflicht des Klägers. Diese mache eine weitere Zusammenarbeit unzumutbar, so die Beklagte – und zwar auch bei Berücksichtigung der exponierten Position des Klägers, der als Domkantor bundesweit bekannt ist. Darüber hinaus, so die Beklagte weiter, hätten die Diskussionen um die privaten Planungen des Klägers Zerwürfnisse unter anderen Mitarbeitern ausgelöst, die großenteils eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehnten.
 

Kläger: Beklagte will schon bloßen Gedankenprozess unterbinden

 
Demgegenüber meinte der Kläger, dass die Beklagte mit der Kündigung versuchen würde, einen bloßen Gedankenprozess zu unterbinden. Nach seinem weiteren Vortrag hatte die Kirchengemeinde den Sachverhalt selbst verbreitet und hierdurch die Reputation des Klägers und dessen wirtschaftliche Position schwer beschädigt.
 

Vorinstanz: Kläger hat keine Loyalitätspflicht verletzt

Die Ausgangsinstanz gab der Kündigungsschutzklage statt. Demnach lag kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung vor, weil der Kläger keine konkrete Loyalitätspflicht verletzt hat, die sich aus dem Selbstverständnis der Kirche ergibt. Die weiteren Erwägungen der Vorinstanz: 

  • Kein überwiegendes Interesse der Beklagten: Bei der anstehenden Abwägung überwiegt das Interesse der Evangelischen Landeskirche an einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses deshalb nicht, weil die Äußerung des Klägers von der grundrechtlich geschützten Meinungsfreiheit gedeckt ist und keinen provokativen Charakter hat.
  • Beklagte hat Pläne des Klägers ganz überwiegend selbst verbreitet: Auch hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Verhalten öffentlich verbreitetet hat, erkannte die Vorinstanz nicht. Vielmehr sah sie insoweit einen ganz erheblichen Eigenanteil der Beklagten.
 
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LAG Niedersachsen: Beklagte hat auf dienstrechtliche Konsequenzen verzichtet

 
Auch eine Berufung der Beklagten zum LAG Niedersachsen blieb ohne Erfolg. Dabei ließ die 10. Kammer des LAG aber die Frage, ob die Pläne des Klägers für eine Leihmutterschaft eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen, offen.
 
Die Beklagte hatte gegenüber dem Kläger in einem Personalgespräch jedoch erklärt, dass seine Pläne keine dienstrechtlichen Konsequenzen haben sollten, obwohl sie als Arbeitgeberin dessen Pläne missbilligt. In dieser Erklärung sah die Kammer einen Verzicht auf das Kündigungsrecht. Damit blieb es bei der Unwirksamkeit beider Kündigungen, weil der Kläger im Anschluss an das Personalgespräch keine Handlungen unternahm, die über seine bisherigen Pläne hinausgingen.

Das LAG Niedersachsen hat die Revision zum BAG nicht zugelassen.
 
Quelle: PM des LAG Niedersachsen vom 27.06.2023 zum Verfahren 10 Sa 762/22

Arbeitsrecht, Recht des öffentlichen Dienstes und Beamtenrecht 14.07.2023
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(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht