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Sichtbare Tätowierungen sind zwar mittlerweile Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Dennoch riskieren Personen mit Tattoo ihre Lohnfortzahlungsansprüche (Foto: Elnare / stock.adobe.com – Symbolbild generiert mit KI)
Verschulden bei Arbeitsunfähigkeit

LAG Schleswig-Holstein: Entgeltfortzahlung bei Entzündung nach Tattoo ausgeschlossen

ESV-Redaktion Recht
03.07.2025
Sichtbare Tätowierungen haben sich zunehmend zu einem Ausdruck der eigenen Persönlichkeit etabliert. Allerdings bergen Tattoos auch gesundheitliche Risiken, die vor allem durch das Stechen entstehen. Zur Frage, ob der Arbeitgeber dieses Risiko tragen muss, indem er zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet bleibt, hat sich das LAG Schleswig-Holstein aktuell geäußert.
In dem Streitfall ließ sich die Klägerin, beschäftigt als Pflegehilfskraft, am Unterarm tätowieren. Anschließend entzündete sich die tätowierte Stelle mit der Folge, dass sie für mehrere Tage arbeitsunfähig war. Ihre Arbeitgeberin und spätere Beklagte lehnte eine Entgeltfortzahlung für diese Zeit jedoch ab, sodass die Klägerin vor das ArbG Flensburg zog.
 

Klägerin: Tattoos sind als Teil der privaten Lebensführung geschützt

 
Die Klägerin begründete ihren Anspruch in etwa wie folgt:

  • Trennung von Tätowierung und Entzündung: Sie meint, dass sie ihre Entgeltfortzahlung nicht für das Tätowieren beansprucht, sondern für eine spätere Entzündung. Diese sei vom Tätowierungsvorgang zu trennen.
  • Entzündungsrisiko sehr gering: Zudem treffe sie kein Verschulden, weil das Entzündungsrisiko sehr gering wäre. Dieses realisiere sich nur bei 1 – 5 % der Tätowierungen.
  • Schutz als Teil der privaten Lebensführung: Schließlich seien Tätowierungen inzwischen weit verbreitet und wären als Teil der privaten Lebensführung geschützt.


Beklagte: Gefahr der anschließenden Infektion gehört nicht zum normalen Krankheitsrisiko

 
Demgegenüber meinte die beklagte Arbeitgeberin, dass die Klägerin bei der Tätowierung in eine Körperverletzung eingewilligt habe. Deshalb gehöre die Gefahr einer anschließenden Infektion nicht mehr zum normalen Krankheitsrisiko, sodass die Arbeitgeberin dieses auch nicht zu tragen habe.
 
Weil die Klägerin vor dem ArbG Flensburg (2 Ca 278/24) scheiterte, wendete sie sich mit einer Berufung an das LAG Schleswig-Holstein.   
 
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LAG Schleswig-Holstein: Tätowierung ist grober Verstoß gegen eigenes Gesundheitsinteresse der Klägerin

 
Auch in der Berufungsinstanz hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das LAG Schleswig-Holstein bestätigte das Urteil der Ausgangsinstanz. Demnach hat derjenige, der sich tätowieren lässt, bei Komplikationen keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die wesentlichen Überlegungen des LAG:
 
  • Schuldhafte Handlung der Klägerin: Der Anspruch auf Entgeltzahlung setzt voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit nicht verschuldet hat (§ 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG, siehe auch unten). Schuldhaft handelt ein Arbeitnehmer dann, wenn er in erheblichem Maße gegen eine Verhaltensweise verstößt, die nicht im Interesse eines verständigen Menschen liegt, meint das LAG hierzu.
  • Entzündung als häufige Nebenwirkung: Die Klägerin musste damit rechnen, dass sich ihr Unterarm nach der Tätowierung entzünden kann. Insoweit hatte sie selbst vorgetragen, dass es nach Tätowierungen in bis zu 5 % der Fälle zu Entzündungen der Haut kommen kann. Dies ist nach Auffassung des LAG keine völlig fernliegende Komplikation. In diesem Zusammenhang betonte das Gericht dann, dass eine Nebenwirkung bei Medikamenten in der Regel schon dann als „häufig“ angegeben wird, wenn diese in mehr als 1 % aber in weniger als 10 % der Fälle auftritt.
  • Komplikation selbst verursacht: Zudem hatte die Klägerin ihre Komplikation der Hautverletzung durch die Tätowierung selbst verursacht.
Nach alledem sah das LAG in dem Verhalten der Klägerin einen groben Verstoß gegen ihr eigenes Gesundheitsinteresse. Das LAG hat die Revision zum BAG nicht zugelassen.
 
Quelle: PM des LAG Schleswig-Holstein vom 02.07.2025 zum Urteil vom 22.05.2025 – 5 Sa 284 a/24 vom 22.05.2025


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Im Wortlaut: § 3 Absatz 1 Satz 1 EFZG  –  Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
(1) Wird ein Arbeitnehmer durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, so hat er Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen [ …]


(ESV/bp)
 
 

Programmbereich: Arbeitsrecht