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Lesen ist elementarer Teil der Bildung (Foto: arhendrix/stock.adobe.com)
Auszug aus: „Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung“

Literaturunterricht Deutsch theoretisch und praktisch

ESV-Redaktion Philologie
16.05.2025
Die Fähigkeit, lesen zu können, fördert die kognitive Entwicklung. Sie ist aber auch ein Fenster in andere Welten, Kulturen und Perspektiven. Lesen erweitert den Horizont und wirkt sich vorteilhaft auf den Wortschatzaufbau aus.
Der Literaturunterricht ist also ein wertvoller Bestandteil der Schulausbildung. Umso wichtiger ist es, didaktische Voraussetzungen immer wieder zu reflektieren und aktuelle Entwicklungen wie z.B. die Verwendung von Künstlicher Intelligenz in den Unterricht miteinzubeziehen.
In der neu bearbeiteten und erweiterten 5. Auflage „Literaturdidaktik Deutsch. Eine Einführung“ von Prof. Dr. Matthis Kepser und Prof. Dr. Ulf Abraham findet man nicht nur theoretisches Hintergrundwissen zum Thema Literaturdidaktik, sondern auch praktische Ansätze für die Vermittlung von Literatur.  Unter anderem werden die grundlegenden Aufgaben des Literaturunterrichts präsentiert. Das wichtigste Angebot von Literatur, so die beiden Autoren, ist, sich von ihr berühren und bewegen zu lassen. Daher ist ein breites Medienangebot nötig, das den Interessen nach spannenden Geschichten entgegenkommt. Denn auch, wenn Kinder- und Jugendliteratur und der Literaturunterricht miteinander verschmolzen sind, ist die Differenz zwischen schulischer und außerschulischer Lektürepraxis nicht aufgehoben, so Kepser und Abraham.

Lesen Sie im Folgenden einen Auszug, in dem eines dieser Spannungsfelder thematisiert wird.

Die Unterstützung von Kindern und Jugendlichen bei der Individuation, Soziali­sation und Enkulturation im Handlungsfeld Literatur ist mit Schwierigkeiten ver­bunden, die ihre Ursache in Spannungsverhältnissen zwischen den drei Prozessen haben. Die Auseinandersetzung mit fiktionaler Schriftliteratur ist in unserer Gesellschaft zunächst einmal etwas sehr Privates. Man zieht sich mit einem Buch zurück, nimmt bewusst oder unbewusst eine Auszeit vom normalen Leben, verschwindet aus der Öffentlichkeit in die Innerlichkeit und bereitet mit seiner Hilfe im Bett den Übergang vom Wachbewusstsein zum Schlaf vor. Auch im Kino und Theater ver­gessen die Zuschauer:innen zumindest für die Dauer der Vorführung ihre Umge­bung und lassen sich ganz in den Bann des Geschehens ziehen. Das passiert selbst dann, wenn Autoren oder Filmemacher mit Hilfe von Verfremdungseffekten ver­suchen, Immersion und Identifikation mit dem Medienangebot zu erschweren. Aus diesem individuellen Erleben einen Gegenstand sozialer Interaktion zu machen, ist nicht zwingend notwendig.
Außerhalb institutioneller Bildung ist es jedem freigestellt, sich zu einem literarischen Text zu äußern oder das, was man in der Textbegegnung erlebt hat, ganz für sich zu behalten (vgl. Pennac 2004, 93).

Der Literaturunterricht hingegen muss die Schüler:innen dazu verführen, ja not­falls sogar dazu drängen, in der Teilöffentlichkeit des Klassenzimmers Stellung zu beziehen. Michael Ende hat dieses Spannungsverhältnis sehr schön ins Bild gesetzt, wenn er seinen Helden Bastian Balthasar Bux ausgerechnet auf dem Spei­cher seiner Schule in die Welt Phantàsiens entfliehen lässt (Die unendliche Geschichte, 1979). Es geht nicht nur darum, etwas aus seinem inneren Erleben preiszugeben bzw. preisgeben zu wollen. Man muss dazu auch noch eine Sprache finden, die zu einem veröffentlichungsfähigen Verständnis führt. Relativ leicht ist das möglich, wenn der Diskurs über literarische Aspekte geführt wird, die der Person des Rezipienten einigermaßen fern stehen, wie in den oben dargestellten, von Frederking modellierten literarästhetischen Urteilen. Die solchermaßen objektivierte Auseinandersetzung mit Literatur prägt nicht umsonst den gegen­wärtigen Schulalltag. Leicht fällt das öffentliche Gespräch auch über Literatur, zu der man ohnehin ein distanziertes Verhältnis hat, z. B. gegenüber aufgezwunge­nen Schullektüren. Auf diese Weise gerät aber das wichtigste Angebot von Literatur aus dem Blick­feld: sich von ihr berühren und bewegen zu lassen. Die Literaturdidaktik hat sich seit der Jahrtausendwende sehr darum bemüht, diesem Angebot wieder zu sei­nem Recht zu verhelfen.

Dazu gehört zum einen eine Methodik, die Identifikation und Perspektivenübernahme nicht nur zulässt, sondern auch befördert (z. B. Köp­pert 1997, Scheller 2004). Zum anderen ist hierfür ein Medienangebot notwendig, das die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen nach spannenden Geschichten in verschiedenen Medien berücksichtigt (vgl. z. B. Richter 2003, Maiwald/Josting Hg. 2007). Aber auch dann bleiben Schwierigkeiten: So erfordert eine elaborierte Wertungskompetenz, die über Gefallensurteile hinausgeht, dass es dem Rezipien­ten gelingt, zu sich selbst einen gewissen Abstand aufzubauen. Das fällt selbst vielen Studierenden außerordentlich schwer, wenn in Seminaren Lieblingsbücher oder -filme aus ihrer Kindheit zum Gegenstand ethischer und/oder ästhetischer Diskussion werden. Unter Kindern und Jugendlichen ist die Motivation, ein bestimmtes Medienangebot wahrzunehmen, ganz wesentlich durch die Peer­group, die Gruppe der Gleichaltrigen bzw. Gleichgestellten, geprägt (vgl. Philipp 2008, Kleer 2014). Von der Meinung der dort auftretenden Opinion Leaders ggf. abzuweichen, einen „angesagten“ Film oder Roman als ethisch oder ästhetisch defizitär behaupten zu können, erfordert ein hohes medienkritisches Selbstbe­wusstsein, das es an den Schulen zu stärken gilt.

In letzter Zeit wird darüber hinaus auch die „Rolle von Irritation und Staunen im Rahmen literarästhetischer Erfahrung“ diskutiert (so der Titel von Freudenberg/ Lessing-Sattari Hg. 2020). Nicht alles, was ein literarischer Text darstellt oder bewirkt, kann oder muss erklärt werden: Von Franz Kafka vor einhundert Jahren bis Kazuo Ishiguro in der Gegenwart bietet die Weltliteratur Anlass zum Staunen und damit auch zur Meinungsverschiedenheit.

Sie sind neugierig auf das Buch geworden und wollen mehr über die Vermittlung von Literatur im Unterricht erfahren? Der Titel kann hier bestellt werden.

Nachgefragt bei Prof. Dr. Matthis Kepser und Prof. Dr. Ulf Abraham 14.05.2025
„Mit Künstlicher Intelligenz kommen viele Lern- und Prüfungsaufgaben auf den Prüfstand, nicht zuletzt solche für den Literaturunterricht.“
Die Aufgaben von Literaturdidaktik kann man in etwa so umreißen: sie beschäftigt sich mit Literatur und deren Vermittlung im Schulunterricht. Die Frage nach der Auswahl und Bearbeitung literarischer Gegenstände ist also mit der Frage danach verbunden, wie die Schülerinnen und Schüler diese mit Gewinn erschließen können. Doch wie gelingt das am besten?
Matthis Kepser und Ulf Abraham haben ihr Standardlehrwerk zur „Literaturdidaktik Deutsch“ in einer 5., völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage publiziert. mehr...


Über die Autoren

Prof. Dr. Matthis Kepser, ausgebildeter Gymnasiallehrer mit Unterrichtspraxis, lehrt die Didaktik des Deutschen unter Einschluss der schulbezogenen Medienwissenschaft an der Universität Bremen. Er ist Verfasser und Herausgeber mehrerer fachdidaktischer Publikationen mit dem Schwerpunkt „Medien im Deutschunterricht".

Prof. Dr. Ulf Abraham lehrte Didaktik der deutschen Sprache und Literatur an den Universitäten Würzburg und Bamberg. Seit 2021 ist er Seniorprofessor an der Humboldt-Universität zu Berlin. Er ist Verfasser mehrerer fachdidaktischer Bücher, u.a. zum literarischen Schreiben, zu Filmen und Bildern und zur Mündlichkeit im Deutschunterricht, außerdem Mitherausgeber der Zeitschrift „Praxis Deutsch".


Literaturdidaktik Deutsch
Eine Einführung

Von Prof. Dr. Matthis Kepser und Prof. Dr. Ulf Abraham

Die vorliegende Einführung gehört zu den Standardlehrwerken der Deutschdidaktik. In der nun völlig neu bearbeiteten und erweiterten 5. Auflage wird die Teildisziplin der Literaturdidaktik auf dem neuesten Stand präsentiert.
Das Buch begründet die Aufgaben des Literaturunterrichts und stellt kritisch methodische Konzepte für den Umgang mit literarischen Texten dar.
Die Autoren gehen von einem weiten Literaturbegriff aus und entwickeln damit ein kulturwissenschaftliches und medienintegratives Verständnis von Literaturdidaktik. Die Bandbreite der behandelten Unterrichtsgegenstände reicht vom literarischen „Kanon“ über Texte der Kinder-/Jugend- und Unterhaltungsliteratur, Hörstücke, performative Darbietungen und grafische Literatur bis zu Filmen und digitaler Literatur. Aktuelle Entwicklungen spiegeln sich u.a. in der Aufnahme eines eigenen Abschnitts über digitale Spiele sowie Überlegungen zum Umgang mit Künstlicher Intelligenz im Literaturunterricht. Auch unterrichtspraktische Fragen finden nach wie vor breite Antworten, z.B. mit Entscheidungshilfen für Unterrichtskonzepte oder Hinweisen zur Einschätzung und Bewertung von Schülerleistungen.
Damit wendet sich diese Einführung an Studierende in allen Phasen des Lehramtsstudiums, an Referendarinnen und Referendare, aber auch an bereits praktizierende Lehrkräfte sowie Ausbilder/-innen.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik