
Lohnbuchhalter für eine Steuerkanzlei – Scheinselbstständigkeit?
Buchführungsservice
Der in dem Streitrfall Beigeladene ist gelernter Steuerfachgehilfe und betreibt seit 1984 ein Gewerbe für „Buchführungsservice“. Er ist seitdem selbstständig tätig, privat krankenversichert und verfügt über eine private Altersvorsorge.
Mit dem Kläger, einem freiberuflichen Steuerberater, schloss er im Jahr 2018 einen Vertrag über freie Mitarbeit. Er verpflichtete sich hier zur selbstständigen Bearbeitung der laufenden Lohnabrechnung für 30 in der Anlage zum Vertrag aufgelistete Mandanten des Klägers. Weitere Aufträge des Klägers oder auch anderer Auftraggeber konnte er zusätzlich annehmen.
Vertraglich und tatsächlich unterlag der Beigeladene keinen Weisungen, hatte selbst keine Weisungsbefugnis gegenüber den Angestellten des Klägers und war in der örtlichen und zeitlichen Disposition sowie in der Art und Weise der Auftragsdurchführung frei. Auch musste er Leistungen nicht in eigener Person erbringen.
Als Vergütung war ein monatliches Pauschalhonorar in Höhe von 35 % des mit den zu bearbeitenden Aufträgen erzielten Nettoumsatzes vereinbart. Für dem Kläger war der Beigeladene im Jahr 2018 etwa 50 bis 55 Stunden pro Monat. Außerdem erledigte er auch die Abrechnungen für die Belegschaft des Klägers gegen eine Pauschale in Höhe von 250 EUR monatlich.
Daneben war er im Jahr 2018 für mindestens 18 weitere eigene Auftraggeber tätig. Für die Nutzung eines Pool-Bildschirmarbeitsplatzes in den Räumlichkeiten des Klägers sowie dessen IT-Infrastruktur wurde ihm ein pauschaliertes monatliches Nutzungsentgelt in Höhe von netto 35 EUR berechnet. Bei Arbeiten von zu Hause nutzte der Beigeladene seinen eigenen PC mit Verbindung zum Geschäftsserver. Abwesenheitszeiten teilte er dem Kläger nicht mit.
Die beklagte Deutsche Rentenversicherung stellte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Lohnbuchhalter für den Kläger eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Ebenso sollte das Recht der Arbeitsförderung einschlägig sein.
Diese Auffassung teilten weder das Sozialgericht noch das Landessozialgericht. Die Umstände würden gleichermaßen für eine Selbstständigkeit wie für eine abhängige Beschäftigung sprechen, so dass hier dem Willen der Vertragsparteien, eine selbstständige Tätigkeit zu vereinbaren, ausnahmsweise eine gewichtige indizielle Bedeutung zukomme.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 7 Absatz 1 SGB IV. Nach einer Gesamtabwägung liege eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vor, denn der Beigeladene sei als Erfüllungsgehilfe in die fremde die Betriebsorganisation des Kläger funktionsgerecht dienend eingegliedert gewesen, ohne dass typische unternehmerische Freiheiten vorgelegen hätten. Daher käme es weder auf den Willen der Vertragsparteien noch ergänzend auf den Erwerbsstatus im bisherigen Berufsleben an.
Wille der Vertragsparteien hier entscheidend
Bei Gesamtbetrachtung der Umstände teilt der Senat im Revisionsverfahren die Auffassung des Landessozialgerichts, dass sich hier die Anhaltspunkte für eine abhängige Beschäftigung die Waage mit den Indizien für eine selbstständige Tätigkeit halten.
- Für eine fremdbestimmte Eingliederung als Merkmal der Beschäftigung nach § 7 Absatz 1 SGB IV spricht, dass der Kläger die Mandanten akquirierte, dem Beigeladenen einen Pool-Arbeitsplatz zur Verfügung stellte und dessen Tätigkeit über die Kanzlei abrechnete. Auch wenn der Beigeladene als Erfüllungsgehilfe eingesetzt wurde, kommt es gleichwohl noch auf den Grad der Einbindung in die Arbeitsorganisation des Klägers an.
- Gegen eine Fremdbestimmung spricht das Fehlen örtlicher, zeitlicher oder inhaltlicher Vorgaben. Weisungen bei der Durchführung der klar umrissenen Leistungen des Beigeladenen waren vertraglich ausdrücklich ausgeschlossen und wurden nach den Feststellungen des Landessozialgerichts auch tatsächlich nicht erteilt. Die Verantwortung musste auch nicht aus berufsrechtlichen Gründen durch den Kläger als Steuerberater wahrgenommen werden, weil der Beigeladene als gelernter Steuerfachgehilfe die laufende Lohnabrechnung nach § 6 Nr. 4 StbG geschäftsmäßig ausüben durfte. Für die freigestellte Nutzung der Büroräume wurde ihm ein geringes pauschaliertes monatliches Nutzungsentgelt in Rechnung gestellt. Diese Struktur war erkennbar darauf ausgelegt, Raum für anderweitige unternehmerische Betätigung zu belassen. Durch die am erwirtschafteten Umsatz und nicht allein am zeitlichen Aufwand orientierte Vergütung trug der Beigeladene auch das unternehmerische Risiko einer möglicherweise ineffektiven oder mangelhaften Arbeitsweise.
Da hier die Umstände bei einer Gesamtabwägung gleichermaßen für eine abhängige Beschäftigung wie für eine Selbstständigkeit sprechen, durfte das Landessozialgericht dem Willen der Beteiligten, eine selbstständige Tätigkeit zu vereinbaren, ausnahmsweise eine gewichtige Bedeutung beimessen. Da sich dieser Wille bereits deutlich aus dem Vertrag ergibt, kommt es schon deshalb auf den Status im bisherigen Berufsleben des Beigeladenen nicht entscheidungserheblich an.
Fundstelle: Urteil des Bundessozialgerichts vom 22. Juli 2025 - B 12 BA 7/23 RBei uns bleiben Sie auf dem aktuellen Stand im Bereich Steuern. |
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(ESV/cmx)
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