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Für die Freigabe zu einer Feuerbestattung ist eine zweite Leichenbeschau durch eine beliehene Ärztin oder einen beliehenen Arzt erforderlich (Bild: yuwaree / stock.adobe.com – generiert mit KI)
Sozialversicherungsstatus

LSG Baden-Württemberg: Ärztin, die „zweite Leichenschau“ durchführt, unterliegt nicht der Sozialversicherungspflicht

ESV-Redaktion Recht
21.03.2025
Ob eine Person sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, hängt vom Gesamtbild ihrer Arbeitsleistung ab. Einen ungewöhnlichen Fall hat nun das LSG Baden-Württemberg entschieden. Dabei ging es um die Frage, ob eine Ärztin, die als „zweite Leichenbeschauerin“ bei einer kreisfreien Gemeinde tätig wurde, abhängig beschäftigt war und daher der Sozialversicherungspflicht unterlag.
In dem Streitfall hatte eine kreisfreie Gemeinde gegen einen Bescheid der Rentenversicherung geklagt, der die beigeladene Ärztin – die regelmäßig als zweite Leichenbeschauerin bei einer kreisfreien Gemeinde tätig ist – als abhängig beschäftigt einordnete.
 
Eine zweite Leichenschau ist erforderlich für die Freigabe zur Feuerbestattung. Hierbei ist auch zu bescheinigen, dass die gestorbene Person eines natürlichen Todes gestorben ist. Diese Tätigkeit übernahm die beigeladene Ärztin nach mündlicher Beauftragung durch die Gemeinde im wöchentlichen Wechsel mit anderen Ärzten. Die Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern des betreffenden Friedhofs geschah jeweils in der Weise, dass ein städtischer Mitarbeiter die betreffende Leiche entkleidete und bereitstellte.
 
Die beklagte Rentenversicherung hielt diese Tätigkeit der Ärztin für eine abhängige Beschäftigung und stellte die Versicherungspflicht fest. Nach einem erfolglosen Widerspruchsverfahren zog die Gemeinde gegen den Bescheid der Rentenversicherung vor das SG Heilbronn. 
 
Das SG hob den angegriffenen Bescheid auf und stellte fest, dass keine Versicherungspflicht besteht. Gegen die Entscheidung der Ausgangsinstanz wendete sich die beklagte Rentenversicherung dann mit einer Berufung an das LSG Baden-Württemberg.

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LSG Baden-Württemberg: Beigeladene Ärztin wurde kraft Beleihung aufgrund behördlicher Ermächtigung tätig

Der 11. Senat des LSG Baden-Württemberg hat die Entscheidung des SG Heilbronn bestätigt. Nach Auffassung des Senats hatte die Beklagte die tragenden Gründe der Ausgangentscheidung nicht substantiiert infrage gestellt. Die weiteren wesentlichen Erwägungen des Senats:
 
  • Leichenschau ist Hoheitsakt: Entscheidend für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit dem Senat zufolge, dass die zweite Leichenschau ein Hoheitsakt ist. Für einen solchen Akt kommt keine schlichte Beauftragung von Privatpersonen in Betracht. Vielmehr wird diese Aufgabe aufgrund behördlicher Ermächtigung kraft Beleihung auf die beigeladene Ärztin übertragen.
  • Eigene verwaltungsrechtliche Kompetenz der beilgeladenen Ärztin: Die beigeladene Ärztin handelte also aufgrund ihrer eigenen verwaltungsrechtlichen Kompetenz und übte damit ihre eigene Hoheitsmacht aus. Sie erstellte im eigenen Namen Urkunden über die von ihr jeweils durchgeführte Leichenschau aus. Die Ermächtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der BestattVO BW ist also keine „Beauftragung“ durch das Gesundheitsamt, sondern eine Beleihung, die den ermächtigten Arzt dazu berechtigt, die zweite Leichenschau anstelle des betreffenden Gesundheitsamtes durchzuführen. Hieraus, so der Senat weiter, erwächst für den betreffenden Arzt keine Verpflichtung. Der ermächtigte Arzt gehört lediglich zum Kreis der Ärzte, die für die zweite Leichenschau beliehen werden dürfen.
  • Tätigkeit vergleichbar mit Beauftragung von externen Dritten: Aufgrund der kurzen Fristen im Bestattungsrecht ist es dem Senat zufolge hilfreich, dass mehrere Ärzte eine solche Ermächtigung besitzen. Kann der Arzt, der für bestimmte Termine angefragt wurde, diese nicht wahrnehmen, ist es sinnvoll, bei einer anderen Person aus dem Kreis der weiteren ermächtigten Ärzte anzufragen. Dies ist dem Senat zufolge vergleichbar mit der Beauftragung von externen Dritten bei anderen Dienstleistungen, mit denen regelmäßige Geschäftsbeziehungen bestehen. Zudem wies der Senat noch darauf hin, dass das Gesundheitsamt als untere Verwaltungsbehörde des Landes keine Aufgaben der Gemeinde wahrnimmt. Auch dies spricht dem Senat zufolge gegen eine Einbindung der betreffenden Ärztin in die Arbeitsorganisation der Friedhofsverwaltung der Klägerin.
  • Andere Tätigkeiten der Beilgeladenen irrelevant: Schließlich ist es unerheblich, ob die beigeladene Ärztin auch in anderen Städten oder Landkreisen tätig ist. Sie muss andere Tätigkeiten nicht anzeigen und braucht hierfür auch keine Nebentätigkeitsgenehmigung. Es ist aus Sicht der Klägerin auch unerheblich, ob die Beigeladene ihre anderen ärztlichen Tätigkeiten als Angestellte oder freiberuflich mit eigener Praxis ausübt. Sie darf lediglich die erste Leichenschau nicht durchgeführt haben, so der Senat abschließend.
Quelle: PM des LSG Baden-Württemberg vom 19.03.2025 zum Urteil vom 22.01.2025 –  L 5 BA 1266/24 (Landesrecht BW über juris)
 


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Im Wortlaut: § 7 SGB IV – Absatz 1 Beschäftigung

1Beschäftigung ist die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
 

§ 17 Absatz 1 BestattVO BW – Ärztliche Bescheinigung
(Auszug)
 
(1) Die ärztliche Bescheinigung nach § 16 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 kann ausgestellt werden von […]
 
einer Ärztin oder einem Arzt, die oder der über besondere Kenntnisse auf gerichtsmedizinischem Gebiet verfügt und von dem zuständigen Gesundheitsamt zur Ausstellung solcher Bescheinigungen ermächtigt worden ist, oder […]

 
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 (ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung