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LSG Baden-Württemberg: Im Jahr 2021 bestand eine massiv erhöhte Ansteckungsgefahr mit Corona in allen Lebensbereichen. Damit waren auch die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Infektion gerade am Arbeitsplatz besonders hoch (Foto: alphaspirit / stock.adobe.com)
Corona und Arbeitsunfall

LSG Baden-Württemberg zur Anerkennung einer Corona-Infektion als Arbeitsunfall

ESV-Redaktion Recht
10.05.2024
Kann eine Infektion mit Corona im Rahmen der sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit ein Arbeitsunfall sein? Zu den Voraussetzungen hierfür hat sich das LSG Baden-Württemberg sehr umfassend geäußert.
In dem Streitfall war der Kläger bei einem Großunternehmen der Fahrzeugindustrie in Baden-Württemberg beschäftigt. Am Montag, den 08.03. 2021, wurde er mit einem PCR-Test positiv auf Corona getestet. Nach seinem weiteren Vortrag hatte ein Schnelltest gezeigt, dass er schon am vorangegangenen Samstag positiv war. Aufgrund der Infektion war der Kläger längere Zeit erkrankt. Zudem leidet er bis heute an den Folgen der Infektion. Seine Krankenkasse trug die Kosten der Heilbehandlung und zahlte ihm Krankengeld.
 
Nach den Angaben seiner Arbeitgeberin könnte er sich zum fraglichen Zeitfenster auf der Betriebsstätte des Klägers bei einem Kollegen angesteckt haben, der ebenfalls am 08.03.2021 positiv getestet wurde.
 
Die für den Kläger zuständige Berufsgenossenschaft Holz und Metall lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls jedoch ab. Demnach hat der Kläger eine Infektion während einer versicherten betrieblichen Verrichtung nicht nachgewiesen.
 
Dieser zog deshalb mit einer Klage vor das SG Karlsruhe. In Bezug auf seinen Kollegen trug er vor, dass dieser schon vor seinem eigenen Test „herumgeschnupft“ haben soll. Im Rahmen einer Zeugenvernehmung des Kollegen gab dieser an, dass sich die Symptome, die auch auf Corona hindeuten könnten, bei ihm am Freitag, dem 05.03.2021 zeigten. Allerdings stellte sich auch heraus, dass er an diesem Tag gar nicht im Betrieb war.
 
Die Klage vor dem SG Karlsruhe hatte keinen Erfolg, sodass der Kläger Berufung zum LSG Baden-Württemberg einlegte.

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LSG Baden-Württemberg:  Nachweis eines Kontaktes zu Kollegen, der bereits vorher infiziert war, nicht erbracht


Weiterer Klägervortrag in der Berufung

Im Berufungsverfahren trug der Kläger dann zusätzlich vor, dass auch die Ehefrau des Kollegen bereits am 03.05.2021 positiv getestet worden sein soll. Die Infektion müsse daher von ihr über seinen Kollegen auf den Kläger übergegangen sein.
 
Um diesen Verlauf festzustellen, beantragte er, Beweis zu erheben über den Subtypus des Virus bei den drei infizierten Personen, über dessen Verbreitung in der Bevölkerung in dem betreffenden Zeitraum sowie über die Inkubationszeiten bei den infizierten Personen.
 
Zudem, so der Kläger weiter, hätte er selbst in der benannten Zeit seine privaten Kontakte minimiert – auch seine Kinder wären in dieser Zeit im Heimunterricht gewesen. Er habe sich also nirgendwo anders als auf der Arbeit anstecken können.
 
Dennoch blieb die Berufung vor dem 1. Senat des LSG Baden-Württemberg ohne Erfolg. Die tragenden Erwägungen des Senats:
 
  • Indexperson müsste vor versicherter Person infiziert gewesen sein: Unabdingbare Voraussetzung zum Nachweis einer Infektion am Arbeitsplatz ist dem Senat zufolge, dass die Person, bei der sich der Versicherte angesteckt haben könnte – die sogenannte Indexperson – vor dem Betroffenen mit Corona infiziert war. Anderenfalls, so der Senat weiter, könne von Anfang an nicht aufgeklärt werden, wer wen angesteckt hat. Erst mit diesem Nachweis könne dann – auf zweiter Ebene – untersucht werden, ob eine Infektion am Arbeitsplatz aufgrund von erhöhten Risiken wahrscheinlich ist. Solche Risikofaktoren wären zum Beispiel längere Kontakte zu infizierten Personen oder fehlender Schutz durch Masken. Darüber hinaus müsse das Risiko im Privatbereich deutlich niedriger liegen.
  • Kein Nachweis des Kontaktes zu Kollegen, der bereits vorher infiziert war: In dem Streitfall fehlte es aber schon am Nachweis, dass der Kläger Kontakt zu einer „Indexperson“ hatte. So wurde der befragte Kollege erst zeitgleich mit dem Kläger getestet. Die vom Kläger vorgetragenen Symptome, wie das „Herumschnupfen“ des Kollegen ist nach Meinung des Senats zu unspezifisch für den Nachweis einer Infektion mit Corona. Dass auch die Ehefrau des Kollegen schon am 03.03.2021 infiziert war, konnte den behaupteten Lauf einer Infektionskette nicht beweisen. Dies gilt dem Senat zufolge auch dann, wenn alle Betroffenen den gleichen Subtypus aufgewiesen hätten.

  • Massiv erhöhte Ansteckungsgefahr in allen Lebensbereichen: Die Ansteckungsgefahr mit Corona war nämlich bei der damals weltweiten Pandemie in allen Lebensbereichen nach weiterer Senatsauffassung massiv erhöht.
  • Ansteckung im Privatbereich nicht ausgeschlossen: Auch der Klägervortrag, nach dem dieser seine privaten Kontakte verringert habe, schließt eine Infektion im privaten Bereich nicht aus, so der Senat weiter. Der Kläger könne sich ebenso etwa beim Einkaufen, in öffentlichen Verkehrsmitteln oder im sonstigen Außenbereich angesteckt haben, führt der Senat abschließend aus.
Quelle: PM des LSG Baden-Württemberg vom 08.05.2024 zum Urteil vom 29.04.2024 – L 1 U 2085/23


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Im Wortlaut: § 8 Absatz 1 SGB VII – Arbeitsunfall 

(1)    Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Wird die versicherte Tätigkeit im Haushalt der Versicherten oder an einem anderen Ort ausgeübt, besteht Versicherungsschutz in gleichem Umfang wie bei Ausübung der Tätigkeit auf der Unternehmensstätte.

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(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung