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Impfungen: Stets mit Risiken behaftet (Foto: Alexander Raths/Fotolia.com)
Grippeimpfung und Arbeitsunfall

Markos Uyanik: Impfschaden als Arbeitsunfall?

ESV-Redaktion Recht
21.02.2017
Grippeschutzimpfungen können, wenn auch selten, zum sogenannten Guillain-Barrè-Syndrom führen. Kann diese Erkrankung des Nervensystems als Folge eines Arbeitsunfalls anerkannt werden, wenn der Arbeitgeber solche Impfungen veranlasst? Antworten hierauf gibt Markos Uyanik, Richter am Sozialgericht Duisburg, in der Fachzeitschrift SGb.
Uyanik beginnt mit einem Ausgangsfall, den das Sozialgericht (SG) Dortmund in seinem Urteil vom 05.08.2014 (AZ: S 36 U 819/12) rechtskräftig entschieden hat.

Die Klägerin war Assistentin eines stellvertretenden Museumsdirektors. Auf Veranlassung ihres Arbeitgebers ließ sie sich vom Betriebsarzt gegen eine saisonale Grippe impfen. Anschließend erkrankte sie an dem Guillain-Barrè-Syndrom, einer Erkrankung des Nervensystems, die zu Lähmungserscheinungen führen kann. Der damals zuständige Landschaftsverband hatte nach seinen Ermittlungen rechtskräftig einen Zusammenhang zwischen der Impfung und der Erkrankung der Klägerin anerkannt.

Berufsgenossenschaft erkennt Impfschaden nicht als Arbeitsunfall an

Dennoch lehnt die zuständige Berufsgenossenschaft eine Anerkennung ihres Impfschadens als Arbeitsunfall ab. Ein Arbeitsunfall habe nicht vorgelegen. Die Impfung sei lediglich allgemein betrieblich veranlasst worden und daher nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung geschützt, so die Berufsgenossenschaft.

Klägerin: Grippeschutzimpfung auch speziell betrieblich veranlasst

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren klagte die Versicherte vor dem SG Dortmund. Dort begründete sie ihren Anspruch wie folgt:
  • Ihr Arbeitgeber habe aufgrund einer Pandemie-Warnung der Ansteckungsgefahr vor einer Schweine-Grippe vorbeugen wollen. 
  • Diese spezielle Ansteckungsgefahr sei an ihrem Arbeitsort besonders hoch gewesen, weil dort wegen zweier Großveranstaltungen ein reger Publikumsverkehr geherrscht hätte.
  • Von ihrem Arbeitgeber habe sich die Klägerin gedrängt gefühlt. Dieser hätte bereits im Rahmen des Vorstellungsgesprächs geäußert, dass die Klägerin als alleinerziehende Mutter möglicherweise oft wegen Krankheit ausfallen könne. Zudem habe die Klägerin noch in der Probezeit gestanden. 
  • Die Bereitstellung eines Betriebsarztes am unmittelbaren Einsatzort, habe zudem eine Gruppendynamik erzeugt. Damit wäre der Aspekt der Freiwilligkeit zurückgedrängt worden. 

Innerer Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Impfschaden?

Ein Arbeitsunfall, so Uyanik weiter, setzt aber voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls in einem sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit steht. Dieser „innere Zusammenhang” sei wertend zu ermitteln.

Maßnahmen zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit gehören nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich zum nicht versicherten Lebensbereich. Hierzu zählen auch Impf- und Immunisierungsmaßnahmen.  

Diese Maßnahmen sind auch nicht schon deshalb der versicherten Tätigkeit zuzuordnen, weil sie als Nebeneffekt auch die Arbeitskraft erhalten. Dies gilt nach Auffassung von Uyanik selbst dann, wenn betriebliche Sozialeinrichtungen in Anspruch genommen werden, die der Arbeitgeber empfiehlt und finanziert.

SG Dortmund weist Klage ab

Dies hätte das Bundessozialgericht bereits mit Urteil vom 31.01.1974 entschieden. Dementsprechend habe auch das SG Dortmund die Klage abgewiesen. 

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Uyanik stimmt dem Dortmunder Urteil zu. Im vorliegenden Fall habe kein Grund bestanden, von den Grundsätzen des BSG abzuweichen. Seine Auffassung stützt er im Wesentlichen auf folgende Gründe:
  • Ebenso, wie das SG Dortmund sieht er keinen inneren Zusammenhang zwischen der Impfung und der beruflichen Tätigkeit der Klägerin. Vor allem habe kein Ansteckungsrisiko vorgelegen, das das allgemeine Ansteckungsrisiko deutlich übersteigt.
  • Die Impfung wäre eine Präventionsmaßnahme, die unmittelbar den Körper der Versicherten betraf. Die Entscheidung über einen solchen Eingriff, der zudem mit dem zahlreichen Nebenwirkungen verbunden sein kann, sei höchstpersönlich und könne weder ordnungs- noch arbeitsrechtlich durchgesetzt werden, meint Uyanik hierzu. Dies hätte auch die Klägerin erkennen können. 
  • Zudem hätte die Klägerin den Betriebsarzt unter Hinweis auf dessen ärztliche Schweigepflicht dazu verpflichten können, dem Arbeitgeber ihre etwaige Verweigerung der Impfung nicht mitzuteilen.

Ausnahmen bei besonderem Ansteckungsrisiko

Allerdings, so Uyanik weiter, könne ein besonderes berufliches Infektionsrisiko einen ursächlichen Zusammenhang begründen. Dies kommt dem Verfasser zufolge dann in Betracht, wenn eine besondere Gefährdung vorliegt, die mit der beruflichen Tätigkeit verbunden ist und eine Grippeschutzimpfung erforderlich macht

Dem BSG zufolge wäre dies dann der Fall, wenn die Ansteckungsgefahr am Arbeitsplatz wesentlich stärker ist, als bei den meisten anderen Arbeitsplätzen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Gleiches gilt nach einem Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 08.12.2014 (AZ:  L 2 U 99/13) für pflegerische Tätigkeiten bei ständigem Kontakt mit äußerst kranken Menschen und einer Impfung gegen eine spezielle Influenza-Virusvariante. 

Vor allem die unfallrechtliche Literatur nehme ein solches besonderes Ansteckungsrisiko zum Beispiel bei medizinisch-technischen Assistenten in einer Tropenklinik oder bei medizinischem Krankenhauspersonal an.

Den vollständigen Aufsatz lesen Sie in der Fachzeitschrift, Die Sozialgerichtsbarkeit SGb, Ausgabe 02/2017

Zur Person
Markos Uyanik ist aufsichtsführender Richter und Pressesprecher am Sozialgericht Duisburg

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Weiterführende Literatur
  • Das Buch Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Rechtliche und medizinische Grundlagen für Gutachter, Sozialverwaltung, Berater und Gerichte, wird als fundierte Arbeitsgrundlage bei allen hochgeschätzt, die sich mit den Folgen und der Begutachtung von Versicherungsfällen in der gesetzlichen Unfallversicherung befassen. Hervorzuheben ist die Darstellung der komplizierten Verzahnung juristischer, medizinischer und verwaltungsmäßiger Fragen, die das Standardwerk bereits seit vielen Jahren auszeichnet. 
  • Der Unfallsachbearbeiter, Stand 2017, von Dr. jur. Wolfgang Römer, Mitglied der Geschäftsführung der Berufsgenossenschaft Holz und Metall, Mainz, hilft Ihnen praxisbezogen, detailliert und schnell. Das Standardwerk informiert Sie ausführlich über Voraussetzungen und Folgen der Versicherungsfälle Arbeitsunfall, Wegeunfall und Berufskrankheit. Zudem beantwortet es viele relevante Fragen, wie zum Beispiel: Wer ist versichert? Welche Tätigkeiten sind versichert? Wann liegt ein Unfall vor? Profitieren Sie von einer Fülle an Beispielen aus Rechtsprechung und Praxis.

(ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung