
Mitwirkungspflichten bei Abtretungen in Bauträgerfällen
Umsatzsteuerforderungen im Baugewerbe
Geklagt hatte eine GmbH im Baugewerbe, deren Unternehmensgegenstand die Herstellung von Estrichen war. In den Jahren 2012 und 2013 war sie für verschiedene Bauträger tätig, welche die auf die Umsätze der Klägerin entfallende Umsatzsteuer gemäß § 13b UStG abführten.
Nach dem BFH-Urteil vom 22.08.2013 (V R 37/10, BStBl II 2014, 128) beantragten die Bauträger die Erstattung der abgeführten Umsatzsteuer. In der Folge forderte das Finanzamt die Klägerin zur Einreichung berichtigter Steuererklärungen und zur Abtretung der Umsatzsteuerforderungen auf.
Die Klägerin zweifelte an der Verfassungsmäßigkeit von § 27 Abs. 19 UStG und verlangte eine einvernehmliche Lösung. Nachdem die Klägerin im Jahr 2017 die Abtretungen einreichte, lehnte das Finanzamt die Anerkennung der Abtretungen an Zahlung Statt ab.
Das Finanzgericht bestätigte dies, da die Klägerin ihre Mitwirkungspflichten (hier die zeitgerechte Einreichung der Abtretungsvereinbarung) verletzt habe.
Mitwirkungspflichten
Im Revisionsverfahren entschied der BFH, dass die Klägerin ihren Mitwirkungspflichten nachgekommen ist und das Finanzamt die Abtretung zu Unrecht abgelehnt hat.
Inhalt und Umfang der Mitwirkungspflichten bei Abtretung waren bisher weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung näher definiert. Die Mitwirkungspflichten sind im Kontext von § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG zu betrachten, der besagt, dass der Unternehmer alles ihm Zumutbare tun muss, um dem Finanzamt die Realisation des abgetretenen Anspruchs zu ermöglichen.
Im Einzelfall bedeutet das, dass der Unternehmer Informationen und vertragliche Unterlagen zur Verfügung stellen muss, damit das Finanzamt die Umsatzsteuer vom Bauträger nachfordern kann.
Während sich die Klägerin zunächst auf Vertrauensschutz nach § 176 AO berufen hatte, zeigte sie sich jedoch dann kooperationsbereit und hatte dem Finanzamt bereits im Jahr 2016 einen Abtretungsvertrag angeboten, den das Finanzamt ermessenswidrig nicht angenommen hat.
Zwar hat das Finanzamt einen Ermessensspielraum, ein Abtretungsangebot anzunehmen; dieses ist jedoch aus unionsrechtlichen Gründen auf Null reduziert, wenn ein ordnungsgemäßes Abtretungsangebot vorliegt. Somit war das Finanzamt verpflichtet, das Abtretungsangebot anzunehmen, wenngleich die Klägerin nicht versichern konnte, dass die Ansprüche nicht streitbefangen waren.
Der Klägerin war als Bauleistende zuzugestehen, die anfangs häufig rechtlich zweifelhafte Norm des § 27 Abs. 19 UStG bis zur Klärung ihrer Verfassungs- und Unionsrechtmäßigkeit durch das BFH-Urteil vom 23.02.2017 (V R 16/16, V R 24/16) zunächst kritisch zu hinterfragen. In den Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Rechtsnorm und ihrer Anwendung, kann keine Verletzung der Mitwirkungspflichten im Sinne des § 27 Abs. 19 Satz 4 Nr. 4 UStG gesehen werden. Es konnte außerdem nicht von der Klägerin erwartet werden, dass sie unmittelbar nach Kenntniserlangung über die Erstattungsanträge und deren Rechtsfolgen die Abtretung erklärte und geänderte Rechnungen ausstellte.
Fundstelle: Urteil des Bundesfinanzhofs BFH vom 17.04.2024 - XI R 16/22, veröffentlicht am 18.07.2024
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(ESV/cmx)
Programmbereich: Steuerrecht