
Neues aus Kassel, Mainz, Hamm, Berlin und Neustadt
BSG zu Verlusten aus selbstständiger Tätigkeit und deren Einfluss auf das Elterngeld
Auch Verluste haben Einfluss auf das Einkommen im Sinne des Elterngeldrechts und können sich auf den Bemessungszeitraum für den Bezug des Elterngeldes auswirken. Dies hat der 10. Senat des Bundesozialgerichts am 27.10.2016 entschieden. Bei Mischeinkünften aus selbstständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung sieht das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz seit der Neuregelung vom 10.09.2012 grundsätzlich das letzte Steuerjahr als Bemessungszeitraum vor.Klägerin war eine Finanzbeamtin. Im Jahr war sie 2012 ein halbes Jahr als selbstständige Beraterin für Küchen- und Haushaltsartikel tätig. Dies brachte ihr aber nur Verluste ein. Im November 2013, ein Jahr vor der Geburt ihres zweiten Kindes, gab sie ihre Selbstständigkeit auf und arbeitete wieder als Beamtin. Deshalb meinte sie, ihr Elterngeld auf der Grundlage ihrer Beamtenbezüge und sonstigen Bezüge von November 2012 bis Oktober 2013 zu bemessen. Der beklagte Stadtstaat bemaß das Elterngeld aber nach dem Einkommen der Klägerin im letzten steuerlichen Veranlagungszeitraum vor ihrer ersten Elternzeit im Jahr 2011. Zwar hat das Bundessozialgericht das Abstellen auf diesen abgeschlossenen steuerlichen Veranlagungszeitraum grundsätzlich gebilligt. Allerdings hat es die Sache an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Dieses Gericht muss nun prüfen, ob die Elterngeldbehörde den Bemessungszeitraum für das Elterngeld zutreffend noch weiter auf das Jahr 2011 verschoben hat. Nach dem Gesetz hätte die Klägerin insoweit ein Wahlrecht. Bisher war unklar, ob sie einen entsprechenden Antrag gestellt hat.
Quelle: Medieninformation des BSG zum Urteil vom 27.10.2016 – AZ: B 10 EG 5/15 R
Auch interessant:
- Dr. Bettina Graue - Neues im Bundeselterngeld - und Elternzeitrecht, erschienen in der Fachzeitschrift SGb Ausgabe 08/2016
- Elterngeld Plus: Nur ein Schritt in die richtige Richtung?
Weiterführende Literatur |
Mit der Datenbank HauckNoftzSGB.de stehen Ihnen sämtliche Inhalte des anerkannten SGB-Kommentarwerks in einer komfortablen und laufend aktualisierten Online-Arbeitsumgebung zur Verfügung. Erstklassige Autoren und Inhalte gewährleisten ein Höchstmaß an Qualität. Diese Datenbank enthält den SGB-Kommentar von Hauck/Noftz inkl. EU-Sozialrecht - und ermöglicht Ihnen größtmögliche Flexibilität: Buchen Sie nur das SGB-Modul, das Sie benötigen. |
LSG Rheinland-Pfalz: Per Augensteuerung zum Webdesigner
Mit Urteil vom 27.10.2016 hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschieden, dass die Bundesagentur für Arbeit einem schwerbehinderten Menschen eine Ausbildung zum Webdesigner finanzieren muss. Voraussetzung hierfür ist aber, dass dieser noch die Chance einer beruflichen Tätigkeit hat und die Agentur keine anderen geeignete Maßnahmen benennen kann.Der Kläger leidet an einer Muskeldystrophie mit einer Geh- und Stehunfähigkeit und muss zeitweise unterstützend beatmet werden. Der Kläger hat einen Hauptschulabschluss und beschäftigt sich seit 1999 mit Computern. Wegen seiner Erkrankung kann er seinen Rechner aber nur mit den Augen steuern. Der ärztliche Dienst der Beklagten meinte, dass der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine ausreichenden Tätigkeiten mehr leisten könne. Deshalb lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der dagegen hiergegen eingelegte Widerspruch war ohne Erfolg. Dem widersprach ein Gutachter. Dieser hält eine Tätigkeit als Webdesigner im Home-Office für möglich. Das LSG hat daher einen Leistungsanspruch des Klägers bejaht.
Quelle: Landessozialgericht Rheinland-Pfalz zum Urteil vom 27.10.2016 – AZ: L 1 AL 52/15
Weiterführende Literatur |
Der Kommetnar Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) II: Grundsicherung für Arbeitsuchende, wendet sich an Praktiker in der Sozialverwaltung und den Kommunen, an die Anwaltschaft, an die Gerichte sowie an die Sozialpartner. Er enthält alle notwendigen Informationen rund um die aktuellen Regelungen und zeigt auch die Zusammenhänge des SGB II zum übrigen Sozialrecht auf. Der Kommentar Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch (SGB) III: Arbeitsförderung, beinhaltet u.a. alle notwendigen Informationen rund um die Regelungen zum SGB III nach dem EingliederungschancenG, eine Synopse zur Orientierung nach der umfänglichen Neustrukturierung durch das EingliederungschancenG, sowie die Materialien zum EingliederungschancenG. |
OLG Hamm: Organentnahme zur Nierenlebendspende kann trotz Verfahrensmängeln rechtmäßig sein
Verstößt ein Krankenhaus gegen die formellen Voraussetzungen von § 8 Absatz 2 Transplantationsgesetz (TPG) muss die Einwilligung des Organspenders zur Lebendspende deshalb nicht automatisch unwirksam sein. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.09.2016. Die Klägerin wollte im Jahr 2008 ihrem Vater eine Niere spenden. Daraufhin erhielt sie eine schriftliche Patienteninformation. Ende Januar 2009 fand unter Beteiligung von Ärzten des beklagten Klinikums das nach § 8 Abs. 2 TPG erforderliche Aufklärungsgespräch statt. Am Tag vor der Nierenentnahme wurde die Klägerin von einer weiteren Ärztin des Klinikums über den Eingriff aufgeklärt.Vom Klinikum und dessen Ärzten verlangte die Klägerin dann Schadensersatz und 50.000 Euro Schmerzensgeld. Sie behauptete, als Folge der Spende an einem Erschöpfungssyndrom und einer Niereninsuffizienz zu leiden. Auch über die Folgen der Spende sei sie nicht ausreichend aufgeklärt worden. Die Klage blieb erfolglos. Nach Auffassung des OLG lag kein Behandlungsfehler vor. Auch die Aufklärungsrügen griffen nicht durch. Zwar habe das Klinikum die formellen Voraussetzungen von § 8 Absatz 2 TPG nicht erfüllt, weil keine unterschriebene Niederschrift von dem Aufklärungsgespräch vorlag. Allerdings führe dieser Verstoß nicht automatisch zur Rechtswidrigkeit des Eingriffs, so die Richter. Die in dieser Norm niedergelegten allgemeinen Verfahrensregelungen seien reine Ordnungsvorschriften, die nicht die Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung des Spenders in eine Organspende regeln. Das Urteil ist rechtskräftig.
Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 28.10.2016 zum Urteil des OLG Hamm vom 07.09.2016, Az: 3 U 6/16
Weiterführende Literatur |
Die Rechtsprechungssammlung AHRS, Arzthaftpflicht-Rechtsprechung III, Stand 2016, herausgegeben von Eva Ohlsberg, enthält als Gesamtwerk alle seit 1949 ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen sowie rechtskräftige, schwer zugängliche Entscheidungen der unteren Instanzen. Die Entscheidungen werden von Richtern aus den Spezialsenaten für mit hoher medizinischer Fachkompetenz ausgewählt und aufbereitet. Teil III dieses Klassikers beinhaltet Entscheidungen ab 1.1.2000. Sowohl die einzelnen Teile als auch das Gesamtwerk sind auch als CD-ROM erhältlich. |
SG Berlin: Sozialamt darf bei Pflegebetrug Leistungen von Pflegebedürftigen kürzen
Nach einem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 26.10.2016 darf das Sozialamt Leistungen für eine pflegebedürftige Person rückwirkend um die Geldbeträge kürzen, die ihr ein krimineller Pflegedienst als Belohnung für ihr Mitwirken zum Abrechnungsbetrug gezahlt hat. Bei der Leistungskürzung darf die Behörde die Rückforderungen auch durch Anrechnung auf die laufende Grundsicherung sofort durchsetzen.Seit geraumer Zeit ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen betrügerische Pflegedienste. Diese rechnen Pflegeleistungen ab, die sie tatsächlich gar nicht erbracht haben. Neben Ärzten wirken bei dieser Masche oft Patienten mit, die den Erhalt von erbrachten Pflegeleistungen quittieren und damit eine Abrechnung möglich machen. Als Belohnung hierfür erhalten sie dann monatlich einen Anteil am Betrugserlös. Dieser wird im Milieu auch als „Kick-Back-Zahlung” bezeichnet, so die Presseerklärung.
Quelle: Pressemitteilung des Sozialgerichts Berlins vom 02.11.2016 zum Beschluss vom 26.10.2016 - S 145 SO 1411/16 ER
Auch interessant:
Prof. Dr. Ulrich Wenner und Dr. Britta Wiegand: Fehlverhalten im Gesundheitswesen - Fälle und Konflikte aus der Rechtsprechung des BSG, erschienen in der Fachzeitschrift KrV Kranken- und Pflegeversicherung, Ausgabe 04/2015
Weiterführende Literatur |
|
VG Neustadt: Geschwindigkeitsübertretung in der Probezeit ist stets schwerwiegend
In einem Eilverfahren entschied VG Neustadt a.d. Weinstraße, dass die Fahrerlaubnis auf Probe entzogen werden kann, wenn deren Inhaber nach zwei Geschwindigkeitsverstößen ein angeordnetes medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) nicht vorlegt und sich noch in der Probezeit befindet.Der Kläger hatte innerhalb seiner Probezeit wegen unangepasster Geschwindigkeit einen Unfall verursacht. Hierdurch verlängerte sich dessen Probezeit auf vier Jahre. Ein Aufbauseminar, das die Fahrerlaubnisbehörde angeordnet hat, führte er zunächst nicht durch. Deshalb wurde ihm die Fahrerlaubnis zum ersten Mal entzogen. Nach anschließender Teilnahmebescheinigung an dem Seminar erhielt er dann neue Fahrerlaubnis auf Probe. Innerhalb dieser anschließenden Probezeit überschritt der Kläger die vorgeschriebene Geschwindigkeit wieder, und zwar um 38 km/h innerorts. Daraufhin verlangte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Da der Kläger dieses Gutachten nicht vorlegte, entzog die Behörde ihm mit sofortiger Wirkung erneut die Fahrerlaubnis. Nach Auffassung des VG Neustadt a.d. Weinstraße war diese Entziehung offensichtlich rechtmäßig. Danach ist jeder Verstoß gegen die Geschwindigkeit innerhalb der Probezeit als schwerwiegende Verkehrszuwiderhandlung zu werten.
Quelle: Pressemitteilung des VG Neustadt Nr. 47/2016 zum Urteil vom 13.10.2016 – AZ: 1 L 754/16.NW
Weiterführende Literatur |
Die Verkehrsrechts-Sammlung (VRS), herausgegeben von Rechtsanwalt Volker Weigelt (Berlin), bietet Ihnen Entscheidungen aus allen Gebieten des Verkehrsrechts. |
(ESV/bp)
Programmbereich: Wirtschaftsrecht