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BAG: Der Arbeitgeber muss grundsätzlich durch Hinweise dazu beitragen, dass der Arbeitnehmer seinen Urlaub planen kann (Foto: SimpLine / stock.adobe.com)
Verjährung und Verfall von Urlaub

Neues vom BAG zur Verjährung und zum Verfall von Jahresurlaub

ESV-Redaktion Recht
23.12.2022
Das BAG hat sich in zwei Verfahren zum Jahresurlaub geäußert. Während es im ersten Fall um die Verjährung von gesetzlichem Mindesturlaub ging, hatte das zweite Verfahren den Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen zum Gegenstand.

Verjährung von gesetzlichem Jahresurlaub

In dem Streitfall (9 AZR 266/20) arbeitete die Klägerin vom 01.11.1996 bis zum 31.07.2017 als Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin beim Beklagten. Nach Ende des Arbeitsverhältnisses erhielt die Klägerin vom Beklagten einen Betrag von 3.201,38 EUR brutto. Mit dieser Zahlung sollten 14 Urlaubstage abgegolten werden. Eine weitergehende Urlaubsabgeltung von 101 Arbeitstagen aus den Vorjahren verweigerte der Beklagte mit der Begründung, die Ansprüche seien verjährt. Daraufhin verfolgte die Klägerin ihre Forderung gerichtlich weiter.
 
Die Vorinstanzen entschieden unterschiedlich. Die Ausgangsinstanz wies die Klage ab. Demgegenüber sprach die Berufungsinstanz der Klägerin die Abgeltung von weiteren 76 Arbeitstagen zu, was einem Bruttobetrag von 17.376,64 Euro entsprach. Den Einwand der Verjährung ließ die Berufungsinstanz nicht gelten.


BAG: Für Beginn der Verjährung des Mindesturlaubs gilt § 199 Absatz 1 Nr. 1BGB

Auch die Revision des Beklagten zum BAG blieb erfolglos. Zwar wendete der Neunte Senat des BAG die Verjährungsregeln von § 214 Absatz 1 und § 194 Absatz 1 BGB auf den gesetzlichen Mindesturlaub an. Allerdings beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nicht mit Ende des Urlaubsjahres, sondern nach § 199 Absatz 1 Nr. 1 BGB erst am Ende des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch einschließlich der Fristen des Verfalls belehrt und der Arbeitnehmer seinen Urlaub dennoch freiwillig nicht genommen hat. Die wesentlichen Erwägungen des Senats hierzu:
 
  • Vorrang von Art. 31 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der EU: In seiner Begründung betont der Senat, dass er die Vorgaben des EuGH nach der Entscheidung vom 22.09.2022 (C-120/21) umgesetzt habe. Demnach hat Art. 31 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der EU Vorrang vor den Verjährungsvorschriften von § 7 Absatz 3 Sätze 1 oder 3 BUrlG, die Rechtssicherheit gewähren sollen. Die EU-Grundrechtsnorm soll nämlich die Gesundheit der Arbeitnehmer schützen – und zwar durch die Gewährung von unbezahltem Urlaub. Zudem dient die Schaffung von Rechtssicherheit nicht dazu, dass der Arbeitgeber sich auf sein eigenes Versäumnis berufen kann.
  • Hinweis-und Aufforderungspflichten nicht erfüllt: Vielmehr muss der Arbeitnehmer in die Lage zu versetzt werden, seinen Urlaubspruch auch tatsächlich auszuüben. Rechtssicherheit könne der Arbeitgeber dadurch schaffen, dass er seine Obliegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nachholt. In dem Streitfall hatte der Beklagte die Klägerin nicht in die Lage versetzt, ihren Urlaubsanspruch wahrzunehmen, weil er seine Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht erfüllt hatte. 
  • Einwand der Verjährung greift nicht: Der Beklagte konnte sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der unterbliebene Urlaub schon innerhalb des laufenden Arbeitsverhältnisses verjährt war. Ihren Anspruch auf Urlaubsabgeltung hatte die Klägerin innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist erhoben.
Quelle: PM des BAG vom 20.12.2022 zum Urteil vom selben Tag – 9 AZR 266/20
 
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Verfall von Urlaub aus gesundheitlichen Gründen

In diesem Verfahren (9 AZR 245/19) war der schwerbehinderte Kläger bei der beklagten Flughafengesellschaft als Frachtfahrer für Bodenverkehrsdienste tätig. Vom 01.12.2014 bis mindestens August 2019 war er vollständig erwerbsgemindert und konnte seine Arbeitsleistung nicht erbringen. Deswegen konnte er auch seinen Urlaub nicht nehmen. In seiner Klage berief er sich unter anderem auf ihm zustehenden Resturlaub aus 2014. Dieser wäre nicht verfallen, weil die Beklagte ihre Obliegenheiten, nach denen sie an der Gewährung und Inanspruchnahme von Urlaub mitwirken muss, nicht erfüllt habe. In den Vorinstanzen hatte seine Klage allerdings keinen Erfolg. 


BAG passt seine Rechtsprechung an

Die Revision des Klägers war in Bezug auf den Resturlaub 2014 überwiegend erfolgreich. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats erlöschen die gesetzlichen Urlaubsansprüche mit Ablauf der „15-Monatsfrist“ – also am 31. März des zweiten Folgejahres. Aufgrund der Vorgaben des EuGH aus seiner Entscheidung vom 22.09.2022 (C-518/20 und C-727/20) hat der Senat seine Rechtsprechung aber wie folgt weiterentwickelt:
 
  • Wann der Urlaubsanspruch weiterhin innerhalb der „15-Monatsfrist“ entfällt: Demnach verfällt der Urlaubsanspruch weiterhin am Ende „15-Monatsfrist“, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres durchgehend bis zum 31. März des zweiten Folgejahres gesundheitlich daran gehindert war, seinen Urlaub zu nehmen. Dabei ist nicht entscheidend, ob der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflichten erfüllt hat, denn auch die Erfüllung kann nicht zur Inanspruchnahme des Urlaubs beitragen.
  • Wann die Aufklärung durch den Arbeitgeber entscheidend ist: Anders bewertete der Senat die Rechtslage dann, wenn der Arbeitnehmer im Urlaubsjahr, in dem er voll erwerbsgemindert oder krankheitsbedingt arbeitsunfähig wurde, tatsächlich gearbeitet hat. In diesem Fall ist Voraussetzung für den Lauf der „15-Monatsfrist“, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer rechtzeitig vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit durch entprechende Hinweise in die Lage versetzt hat, seinen Urlaub auch tatsächlich anzutreten.
In diesem Streitfall konnte der für 2014 noch unerfüllte Urlaubsanspruch nicht schon deshalb mit Ende des 31. März 2016 erlöschen, weil der Kläger seinen Urlaub nach voller Erwerbsminderung bis August 2019 gesundheitsbedingt nicht antreten konnte und er 2014 noch gearbeitet hatte. Die Arbeitgeberin hätte ihre  Mitwirkungsobliegenheiten aber bis zum 01.12.2014 erfüllen können.
 
Quelle: PM des BAG vom 20.12.2022 zum Urteil  vom selben Tag – 9 AZR 245/19


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(ESV/bp)

Programmbereich: Arbeitsrecht