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OLG Braunschweig: Allein die Absperrung von Wohnkomplexen zur Durchsetzung einer Quarantäne begründet ohne näheren Sachvortrag noch keinen Grundrechtseingriff (Foto: alexander132 / stock.adobe.com - Symbolbild)
Rechtmäßigkeit von Corona-Maßnahmen

OLG Braunschweig: Kein Schmerzensgeld nach Quarantäne-Anordnung aufgrund von Corona und Abriegelung eines Wohnkomplexes

ESV-Redaktion Recht
05.07.2024
Können Bewohner eines Wohnkomplexes von ihrer Gemeinde Schmerzengeld wegen Freiheitsentziehung und Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts verlangen, wenn die Gemeinde ihnen gegenüber aufgrund eines Corona-Ausbruchs jeweils eine Absonderungsverfügung erlassen und das Gebäude zur Durchsetzung der Quarantäne abgeriegelt hat? Zu dieser Frage hat sich das OLG Braunschweig im Rahmen von 40 Antragverfahren zur Prozesskostenhilfe (PKH) geäußert.
In den Streitfällen wurde ein Gebäude mit zahlreichen Bewohnern in Göttingen zur Durchsetzung von Absonderungsverfügungen aufgrund von Corona zeitweise mit einem Bauzaun umstellt und von der Polizei abgeriegelt. Anlass dieser Maßnahme war das Ergebnis einer vorherigen Reihentestung. Bei dieser wurden mehr als 100 der 668 Bewohner positiv auf Corona getestet.

Daraufhin verlangten 40 Bewohner des betreffenden Wohnblocks Schmerzensgeld von der Stadt Göttingen und beantragten vor der Erhebung einer Klage PKH. Ihre Begründung:

  • Einschränkung in der Fortbewegung: Sie seien aufgrund einer rechtswidrigen Maßnahme in ihrer Fortbewegungsfreiheit eingeschränkt. worden.
  • Hunger, Schmerzen und Stigmatisierung: Zudem erlitten Sie Hunger und Schmerzen erlitten und fühlten und sich wegen der Absperrung ihres Wohngebäudes und stigmatisiert.
Das LG Göttingen lehnte im Februar 2024 in den 40 Verfahren die Bewilligung von PKH ab, weil es keine hinreichenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache sah. Gegen die Ablehnung wendeten die betroffeneen Bewohner mit einer Beschwerde an das OLG Braunschweig.

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OLG Braunschweig: Maßahmen rechtswidrig


Die Beschwerden blieben erfolglos. Auch der 11. Zivilsenat des OLG Braunschweig sah in den Absonderungsverfügungen und der Absperrung des Gebäudes keine Grundlage für einen Anspruch auf Schmerzensgeld. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:

  • Kenntnisstand über Corona zum Zeitpunkt der Absonderung maßgebend: Nach Auffassung des Senats hat die Stadt Göttingen die Absonderungsverfügung aufgrund der Erkenntnisse zum Zeitpunkt ihrer Entscheidungen rechtmäßig erlassen.

  • Exponentielle Ausbreitung von Corona befürchtet: Zu diesem Zeitpunkt, so der Senat weiter, wurde eine exponentielle Ausbreitung des Virus in dem Gebäude befürchtet. Daher hätten die individuellen Interessen der Bewohner hinter dem Schutz der Bevölkerung für Leib und Leben zurücktreten müssen.

  • Zur Absperrung des Gebäudes : Die Absperrung des Wohngebäudes mit dem den Bauzaun und die Polizei führt selbst einer Rechtswidrigkeit nicht zwingend zu einem Schmerzensgeldanspruch. So hätten sie das Gebäude schon wegen der Absonderungsverfügung nicht verlassen dürfen. Inwieweit die Antragsteller aufgrund der Absperrung konkret weiter beeinträchtigt worden seien, hätten sie nicht vorgetragen. Das gilt dem Senta zufolge vor allem für die behaupteten gesundheitlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die sie durch das Vorgehen der Stadt Göttingen im konkreten Einzelfall erlitten hätten.
Das OLG Braunschweig hat vorliegend nur über die Erfolgsaussichten der PKH-Anträge entschieden. Es bleibt den betroffenen Anwohnern unbenommen, Ihre Ansprüche – wenn auch auf eigene Kosten – weiterzuverfolgen und ihren Sachvortrag ggf. entsprechend den Vorgaben des PKH-Beschlusses zu erweitern.

Quelle: PM des OLG Braunschweig vom 25.06.2024


Im Gespräch mit Niko Härting


Corona im Rechtsstaat


Herausgegeben von: Prof. Niko Härting, Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz

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Vielstimmig und kritisch in 39 Interviews: Sie finden Gespräche mit Konstantin Kuhle, Peter Schaar, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Katja Keul, Stefan Brink, Ulrich Kelber, Thomas Ramge, Nikolaus Forgó, Frederick Richter, Konstantin von Notz, Saskia Esken, Henning Tillmann, Ulrich Battis, Kyrill-Alexander Schwarz, Till Steffen, Malte Engeler, Paul Schwartz, Justus Haucap, Linda Teuteberg, René Schlott, Johannes Caspar, Barbara Thiel, Hans Michael Heinig, Horst Dreier, Michael Will, Indra Spiecker, Kai von Lewinski, Andrea Kießling, Johannes Fechner, Florian Schroeder, Manuela Rottmann, Stefan Brink, Paul van Dyk und Jonas Schmidt-Chanasit.

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(ESV/bp)

 

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht