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Fakt oder Fake: Das OLG Frankfurt am Main hat sich dazu geäußert, wann Falschinformationen in sozialen Medien vorliegen (Foto: Alexander Limbach / stock.adobe.com)
Falschinformationen in sozialen Medien

OLG Frankfurt: Wann Facebook Nutzerposts über die Wirksamkeit und Gefährlichkeit von Corona-Impfungen löschen darf

ESV-Redaktion Recht
15.11.2024
In dem Post eines Nutzers über die Wirksamkeit und Gefährlichkeit von Impfstoffen gegen Corona sah Facebook eine Falschinformation und löschte den Post. Die Begründung: Der Nutzer habe gegen die Nutzungsregeln der Plattform verstoßen. Über die Rechtmäßigkeit der Löschung hat nun das OLG Frankfurt am Main entschieden.
Laut seinen Nutzungsbedingungen darf Facebook Beiträge mit „Falschmeldungen“ löschen. Dies gilt auch für „Fehlinformationen zu Impfstoffen“, vorausgesetzt, die Inhalte  
 
  • sind nach Informationen von sachverständigen Gesundheitsbehörden oder führenden Gesundheitsorganisationen falsch und
  • tragen wahrscheinlich zu einer Impfverweigerung bei.    
In dem Streitfall postete der Kläger auf Facebook einen Beitrag zur Wirksamkeit und Gefährlichkeit von Impfstoffen gegen Corona. Nach seinen Hinweisen entnahm der Kläger diesen Beitrag einem „verschwörungsideologischen Kanal“. Facebook löschte diesen Beitrag und informierte den Kläger darüber. Da sein Widerspruch gegen die Löschung ohne Erfolg blieb, beantragte der Kläger vor dem LG Frankfurt am Main unter anderem die Freischaltung seines Beitrags.  
 
Nach Klageabweisung in der ersten Instanz durch das LG Frankfurt am Main mit Urteil vom 26.1.2023 (2-03 O 71/22) zog der Kläger mit einer Berufung vor das OLG Frankfurt am Main.

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OLG Frankfurt am Main: Löschungsgrund gegeben

Auch die Berufung des Klägers brachte den Kläger nicht weiter. Nach Auffassung des Pressesenats des OLG Frankfurt am Main hat der Kläger keinen Anspruch auf Freischaltung seines Beitrags. Die wesentlichen Erwägungen des Senats:
 

Verstoß gegen Facebook-Regeln


Zwar durfte der Kläger den Dienst von Facebook kostenlos nutzen, sodass die Beklagte die Beiträge des Klägers nicht ohne Grund löschen durfte. Der streitgegenständliche Beitrag verstieß dem Senat zufolge aber gegen die Regelungen der Beklagten zu „Fehlinformationen zu Impfstoffen“.
 
Widerlegung von drei falschen Äußerungen ausreichend

Verstöße gegen die Regelungen der Beklagten berechtigen diese aber zur Löschung von Beiträgen, wenn die Beklagte belegen kann, dass die Gesundheitsbehörden zu dem Schluss kommen würden, dass die Informationen im Beitrag des Klägers falsch sind und wahrscheinlich zu einer Impfverweigerung beitragen. Dem Senat zufolge muss aber wissenschaftlich nicht mit „absoluter Sicherheit“ feststehen, dass der streitgegenständliche Beitrag unwahre Tatsachenbehauptungen enthält. Vorliegend hatte die Beklagte nach Auffassung des Senats in Bezug auf im Wesentlichen drei Äußerungen, die der Post enthielt, belegt, dass dieser Fehlinformationen beinhaltete. Dies hielt der Senat für ausreichend. Die einzelnen Behauptungen in dem Post: 
 
  • „Keine Wirkung von Corora-Impfungen“: Die im Beitrag enthaltene Behauptung, dass die Corona-Impfstoffe nach Studien, die von der britischen Regierung und der Universität Oxford veröffentlicht wurden, nicht wirken, habe die Beklagte durch zahlreiche gegenteilige Studien widerlegt.
  • „Tödliche Nebenwirkungen, Impfschäden und Long-/Post-COVID ähnliche Symptome“: Der Beitrag des Klägers enthielt die weitere Behauptung, nach der die Ärztekammer in einem internen Dokument vor „tödlichen oder schwersten Nebenwirkungen nach der Auffrischung“ gewarnt haben soll. Auch diese Behauptungen hat die Beklagte dem Senat zufolge unter anderem durch Vorlage des Informationsblattes des BMG zur Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe widerlegt. Der Senat konnte auch nicht feststellen, dass der Bundesgesundheitsminister – wie der Kläger behauptet – inzwischen eine erhebliche Zahl an Impfschäden eingeräumt haben soll. Vor allem, so der Senat weiter, sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Corona-Impfungen und einer Long-/Post-COVID ähnlichen Symptomatik nicht durch Studien belegt.
  • „Toxine und Graphenoxiden“: Abschließend habe die Beklagte auch die Behauptung widerlegt, nach der ein „internationales Team von Wissenschaftlern“ das Vorhandensein von „Toxinen und Graphenoxiden“ in Impfstoffen festgestellt haben soll. Insoweit verweist der Senat auf einen Recherchetext von „correktiv.org“ zum Fehlen von „Graphenoxiden“. Demzufolge zitiert der journalistische Text eine Auskunft der Pressesprecherin des Paul-Ehrlich-Instituts und der Pressesprecherin der europäischen Arzneimittelbehörde. Diesen Ausführungen habe der Kläger nichts entgegengesetzt, so der Senat hierzu.

Inhaltskontrolle der Facebook-Regeln

Die Regelungen der Social-Media-Plattform halten dem Senat zufolge auch einer Inhaltskontrolle stand, bei der die Meinungsfreiheit der Nutzer und die Berufsfreiheit der Beklagten gegeneinander abzuwägen sind. Demnach gab es für das Verbot von Fehlinformationen einen sachlicher Grund, weil die Beklagte ein legitimes öffentliches Interesse wahrnimmt. Darüber hinaus, so der Senat weiter, untersagt die Beklagte mit ihrer Regelung nicht die Äußerung einer bestimmten politischen Ansicht. Vielmehr bezieht sich das Verbot ausschließlich Tatsachenäußerungen und nicht auf politische Meinungen. 
 
Die Entscheidung des OLG war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der PM noch nicht rechtskräftig.
 
Quelle: PM des OLG Frankfurt vom 15.11.2024 zum Urteil vom 14.11.2024 - 16 U 52/23


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Programmbereich: Wirtschaftsrecht