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OLG Koblenz: Begegnungen von Personengruppen, die sich zum Beispiel nur flüchtig begrüßen, sind noch keine Ansammlungen im Sinne der 4. CoBeVO. (Foto: Antonioguillem / stock.adobe.com)
Personenansammlungen im öffentlichen Raum

OLG Koblenz zum Begriff der Ansammlung im Sinne der 4. Corona-Bekämpfungs-VO von Rheinland-Pfalz

ESV-Redaktion Recht
31.03.2021
Zahlreiche Corona-Verordnungen verbieten sogenannte „Ansammlungen“ im freien Raum, um die weitere Ausbreitung der Pandemie zu verhindern. Doch fällt auch die zufällige Begegnung von mehreren Personen, die nur kurze Zeit beieinanderstehen, darunter? Hierzu hat sich das OLG Koblenz in einem Bußgeldverfahren geäußert.
In dem Fall traf der Betroffene, der in Begleitung eines Freundes einen Geldautomaten aufsuchte, zufällig auf einen Bekannten. Auch dieser war mit einem Freund dort. Die vier Personen unterhielten sich etwa ein bis zwei Minuten vor der Bankfiliale. Hierbei standen sie in einem Halbkreis zusammen, wobei sie einen Abstand von 1,5 bis 2 Metern einhielten. Bei dem Gespräch wollte der Betroffene seinem Bekannten wegen des Todes der Großmutter sein Beileid aussprechen.

Hierbei wurde die Gruppe von Polizeibeamten beobachtet. Eine anschließende Personenkontrolle ergab, dass alle vier Personen aus verschiedenen Haushalten kamen.

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AG Worms: Zusammentreffen war verbotene Ansammlung

Nach Auffassung des AG Worms war das Zusammentreffen der vier Personen eine verbotene Ansammlung im Sinne von § 4 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 der 4. CoBeVO von Rheinland-Pfalz (CoBeVO). Das Gericht verurteilte den Betroffenen zu einem Bußgeld von 100 €. Gegen das Urteil wendete sich dieser mit einer Rechtsbeschwerde zum OLG Koblenz.

Die Generalstaatsanwaltschaft war der Auffassung, dass das AG das Ansammlungsverbot von § 4 der CoBeVO korrekt ausgelegt und angewendet hatte. Sie beantragte, die Rechtsbeschwerde zur Rechtsfortbildung zuzulassen, diese aber als unbegründet zu verwerfen.

Im Wortlaut: § 4 CoBeVO – Ansammlung von Personen und Aufenthalt im öffentlichen Raum
(1) Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine oder mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person und im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands zulässig. [… ]

(2) Jede übrige, über Absatz 1 Satz 1 hinausgehende Ansammlung von Personen (Ansammlung) ist vorbehaltlich des Selbstorganisationsrechts des Landtags und der Gebietskörperschaften untersagt.

§ 15 CoBeVO – Bußgeldbestimmungen

Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Abs. 1 a Nr. 24 Infektionsschutzgesetz handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig [ …] entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 sich mit weiteren als den genannten Personen im öffentlichen Raum aufhält […]

Ausgenommen sind Ansammlungen, die der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, der Rechtspflege (einschließlich der Notariate und Rechtsanwaltskanzleien) oder der Daseinsvorsorge zu dienen bestimmt sind. […]



OLG Koblenz: Kollektiver Ansammlungswille lag nicht vor

Die Meinung des AG Worms und der Generalstaatsanwaltschaft teilte das OLG Koblenz nicht. Demnach ist ein kurzes Zusammentreffen von mehreren Personen, die sich begrüßen, nicht automatisch eine verbotene „Ansammlung“ im Sinne der CoBeVO. Die zentralen Erwägungen der Beschwerdeinstanz:

  • Verfassungskonforme Auslegung des Begriffs „Ansammlung“: Der Begriff der verbotenen „Ansammlung“ im Sinne der 4. CoBeVO ist verfassungskonform auszulegen. Damit fallen kurze Begegnungen für einen flüchtigen Moment ohne Absicht, sich länger an dem betreffenden Ort aufzuhalten, nicht darunter. 

  • Kein kollektiver Ansammlungswille: Voraussetzung für eine Ansammlung im Sinne der benannten Verordnung wäre vielmehr ein gezieltes Zusammensein von Menschen an einem Ort mit einem kollektiven Ansammlungswillen. Dieser lag dem OLG zufolge nicht vor.
  • Unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff: Darüber hinaus wäre das Verbot bei der Einhaltung eines Sicherheitsabstands nach Auffassung des OLG nicht mehr erforderlich. Die Folge: In diesem Fall ein läge unverhältnismäßiger Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit vor. 
Durch diese Auslegung wird dem OLG zufolge vermieden, dass aus rein zufälligen gleichzeitigen Anwesenheiten von mehreren Personen – wie etwa beim Einkaufen oder bei Spaziergängen – Ordnungswidrigkeiten werden. Demnach muss es vor allem Angehörigen, Kollegen oder sonstigen bekannten oder befreundeten Personen aus verschiedenen Haushalten im öffentlichen Raum gestattet sein, ohne vorherige Verabredung bei Wahrung des Mindestabstands von 1,5 Metern ein kurzes Gespräch zu führen oder sich zu begrüßen.

Zwar sah das OLG die Dauer der Unterhaltung der Beteiligten von etwa 1 bis 2 Minuten nicht mehr als einen flüchtigen Moment an. Da bei der Begegnung aber der Mindestabstand eingehalten wurde, konnte das OLG nicht feststellen, dass der Betroffene an einer „Ansammlung“ im genannten Sinne beteiligt war. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle: PM des OLG Koblenz vom 24.03.2021 zum Beschluss vom 08.03.2021 – 3 OWi 6 SsRs 395/20


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(ESV/bp)

Programmbereich: Staats- und Verfassungsrecht