
Rasbach: „Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung stehen erst am Anfang“
Dies hat sich grundlegend geändert. Ausgangspunkt waren die Ende der 1990er Jahre auf EU-Ebene angestoßenen Bemühungen zur Liberalisierung der Energiewirtschaft. Seither ist das ursprünglich sehr schlank gehaltene und über Jahrzehnte hinweg aus lediglich 20 Paragrafen bestehende EnWG 1935 einem dauerhaften und in den letzten Jahren immer atemloseren Novellierungs- und Ausbauprozess ausgesetzt. Initiiert durch das sogenannte Erste Energiebinnenmarktpaket hat das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsgesetzes vom 29.04.1998 erstmals eine weitreichende Marktöffnung des Energiewesens in Deutschland angeordnet und den Charakter des EnWG damit grundlegend verändert. Das hierin verankerte Konzept eines verhandelten Netzzugangs auf der Basis von Verbändevereinbarungen ist in der Folge allerdings schnell als unzureichend verworfen worden.
Grundlegende Änderungen des EnWG führen zum Ausbau der sektorspezifischen Regulierungsinstrumente
Zur Person |
Dr. Winfried Rasbach ist Prokurist und Leiter des Kompetenzcenters Recht der Thüga AG, einer Beteiligungs- und Fachberatungsgesellschaft mit kommunaler Verankerung. Als Minderheitsgesellschafterin ist die Thüga AG an etwa 100 Unternehmen der kommunalen Energie- und Wasserwirtschaft beteiligt. Zudem ist Dr. Rasbach Mitherausgeber des Berliner Kommentars EnWG, erschienen im Erich Schmidt Verlag. |
EnWG als Ordnungsrahmen für zahlreiche weitere Regelungsgehalte
Ein Grund für die Fortentwicklung des EnWG ist die Liberalisierung der Energiemärkte. Inwieweit könnte man das EnWG auch als „Grundordnung der Energiewirtschaft“ bezeichnen?
Verringerung der Vergütung bei Bestandsanlagen für volatile Einspeisung
Winfried Rasbach: Das in weiten Teilen am 22.07.2017 in Kraft getretene NEMoG bezweckt eine generelle Kürzung der Vergütung für die dezentrale Einspeisung („vermiedene Netzentgelte“), wobei steuerbare Anlagen aufgrund ihrer Netzdienlichkeit deutlich privilegiert bleiben.
Ebenso hat sich das MieterstromG zum Teil im EnWG niedergeschlagen. In welchen Vorschriften des EnWG spiegeln sich diese neuen Regelungen vor allem wider?
Winfried Rasbach: Das Mieterstromgesetz hat zunächst für Strom aus bestimmten Solaranlagen, die auf, an oder in einem Wohngebäude installiert sind, in das EEG einen Anspruch auf Gewährung eines Mieterstromzuschlags eingeführt. Nimmt ein sog. Mieterstromanbieter diese Mieterstromförderung in Anspruch, unterliegt er als Reflex bestimmten vertrieblichen Restriktionen, die in einem neuen § 42a EnWG niedergelegt worden sind. So darf etwa die Erstlaufzeit des Mieterstromvertrags, der zwingend eine Vollversorgung sicherzustellen hat, maximal ein Jahr betragen. Für den Mieterstromvertrag gilt eine Preisobergrenze, die bei 90 Prozent des örtlichen Grundversorgungstarifs liegt. Im Falle der Kündigung des Mietvertrags endet der Mieterstromvertrag automatisch.
Nachgefragt bei Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski | 26.03.2018 |
Schwintowski: „Die Regulierungsdichte auf den Energiemärkten ist im Großen und Ganzen angemessen“ | |
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Kaum ein Markt ist so dynamisch wie der Energiemarkt. Doch was ist das Besondere daran? Welchen Sinn hat die Regulierung? Diesen und anderen Fragen stellte sich Energierechtsexperte Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski in Teil 1 des Interviews mit der ESV-Redaktion. mehr … |
Blockchain, E-Mobility, smarte Quartiere oder Energy Communities als Motor für neue Geschäftsmodelle
Die Tendenzen zur Digitalisierung und Dezentralisierung – vor allem auch durch Technologien wie Blockchain – werden sich voraussichtlich verstärken. Welche Auswirkungen werden diese Entwicklungen auf die weitere Gesetzesentwicklung haben?
Winfried Rasbach: Das ist noch gar nicht endgültig abzusehen. Klar ist, dass Innovation und die Suche nach neuen Geschäftsfeldern eine immer größere Rolle in der Energiewirtschaft einnimmt. Da ist Blockchain nur ein Stichwort, E-Mobility, smarte Quartiere oder Energy Communities sind weitere. Manch ein Start up ist in seinen Ideen und Geschäftsmodellen dem aktuellen Rechtsrahmen voraus. Erfolg versprechende, an den Zielen der Bundesregierung ausgerichtete, neue Technologien nutzende Geschäftsmodelle werden immer wieder Druck entstehen lassen, den bestehenden Rechtsrahmen zu verändern und an die neuen Möglichkeiten anzupassen. Das hat auch etwas damit zu tun, dass die Energiewirtschaft heute so engmaschig reguliert ist, dass die „Luft für Veränderung“ im bestehenden Ordnungsrahmen dünn geworden ist. Auch insoweit gilt: Der Veränderungsprozess auch auf Ebene der Gesetzgebung ist sicher nicht abgeschlossen.
Welchen Stellenwert messen Sie dabei der Dekarbonisierung zu?
Winfried Rasbach: Dekarbonisierung wird das großes Thema der nächsten Legislaturperiode sein. Schon heute enthält das EnWG eine umfassende „Kraftwerksregulierung“ in den §§ 13 ff. EnWG, u.a. mit einer Regelung zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken (§ 13g EnWG).
Die Bundesregierung ist in ihrem Koalitionsvertrag von den Klimazielen 2020, 2030 und 2050 nicht abgerückt. Die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ wird beauftragt werden, Maßnahmen zu erarbeiten, die in ein Nationales Klimaschutzgesetz 2019 einfließen sollen. So wie es aussieht, wird dies ein weiteres Gesetz zur Novellierung auch des EnWG werden.
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An wen richtet sich das Werk in erster Linie und wodurch hebt es sich von anderen Werken ab?
Für Kohlekraft wird es eng - Stromkauf vom Nachbarn wird möglich sein
Ihr Ausblick: Wie sehen Sie die Energielandschaft im Jahr 2050 im Vergleich zum Stand heute? Gibt es dann zum Beispiel noch Kohlekraft, können wir unseren Strom auch vom Nachbarn kaufen und fahren wir dann alle Elektroautos?
Für die Kohlekraft wird es bis dahin jedenfalls eng – zumindest hierzulande. Schließlich will Deutschland bis 2050 im besten Fall 95 Prozent weniger CO2 ausstoßen – das geht nur, wenn die Kohlekraftwerke dann nicht mehr laufen. Strom können wir dann sicher vom Nachbarn kaufen – rein virtuell. Und was die letzte Frage anbelangt: Ich habe vor einiger Zeit eine Wette gegen einen kurzfristig erheblichen Anstieg von Elektroautos abgeschlossen – drohe sie aber zu verlieren - und das schon lange vor dem Jahr 2050!
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(ESV/bp)
Programmbereich: Energierecht