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Gericht verbietet rein telefonische Behandlung von Kassenpatienten (Foto: Kurhan/Fotolia.com)
Medizinische Beratung am Telefon

SG München: Telefonische Diagnosen sind verbotene medizinische Behandlung

ESV-Redaktion Recht
23.08.2017
Auf Fragen zur Gesundheit wollen viele Patienten möglichst schnell Antworten haben. Was liegt also näher als der Griff zum Telefonhörer. Doch die rechtlichen Regelungen setzten der ärztlichen Beratung am Telefon Grenzen, wie das Sozialgericht (SG) München kürzlich befand.
Laut Sachverhalt hatten sich einige Ärzte zu einer GOIN GmbH und einem „Regionalen Praxisnetz Gesundheitsorganisation GO-IN" zusammengetan. Die Organisation bot in Ingolstadt und in den Landkreisen Eichstätt, Neuburg-Schrobenhausen und Pfaffenhofen eine telefonische Beratung sowie die Behandlung von Kassen- und Privatpatienten an. Die Webseiten „GOINakut” versprachen Rat bei gesundheitlichen Beschwerden und kompetente Hilfe. Der Service war rund um die Uhr verfügbar.

GOINakut: „Telefonische Beratung gibt das sichere Gefühl jederzeit gesundheitlichen Rat zu erhalten”

Die telefonische Beratung, so die Betreiber, würde den Patienten das sichere Gefühl vermitteln, jederzeit und überall Rat bei gesundheitlichen Beschwerden zu erhalten, und zwar auch nachts oder an Feiertagen. Die Beratung würde dabei helfen, schnell den sinnvollsten Behandlungsweg zu ermitteln. Hierfür hätten die Ärzte ein sogenanntes „Triage-System” entwickelt. Dabei werden die Anrufe auf telefonischer Grundlage in fünf Dringlichkeitsstufen für eine Behandlung eingeteilt. Nach den weiteren Angaben der Betreiber hatten sich 438 Nutzer mit 309 Anrufen bei diesem Service registriert. 

Kassenärztliche Vereinigung Bayern: Dienst verstößt gegen Erhaltung der Freiberuflichkeit und Erzielung einer leistungsgerechten Honorierung

Gegen den benannten Service wendete sich die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) mit einem Eilantrag. Die KVB beruft sich auf das Ziel der Erhaltung der Freiberuflichkeit, das in ihrer Satzung festgeschrieben ist. Ferner verstoße der Service gegen das Prinzip der Erzielung einer leistungsgerechten Honorierung unter Wahrung des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages. Rechtsgrundlage für das Verbot ist nach Meinung der KVB zufolge vor allem das Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung nach § 7 Absatz 4 der Berufsordnung für Ärzte Bayern.
 
Im Wortlaut: § 7 Absatz 4 Berufsordnung für die Ärzte Bayerns - Behandlungsgrundsätze und Verhaltensregeln
(4) Der Arzt darf individuelle ärztliche Behandlung, insbesondere auch Beratung, nicht ausschließlich über Print- und Kommunikationsmedien durchführen. Auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt.

SG München: Betreiber erstellen regelmäßig Verdachtsdiagnosen

Das SG München hat sich im Wesentlichen der Auffassung der Kassenärztlichen Vereinigung angeschlossen. Dabei betonten die Sozialrichter aus München vor allem den hohen Rang des Sicherstellungsauftrages der vertragsärztlichen Versorgung. Dieser weise den Kassenärzten eine gesetzliche Exklusivaufgabe zu. Andere Einrichtungen und Formen der ambulanten Versorgung wären lediglich in den im gesetzlichen Fällen zugelassen. Auch der Notdienst in Zeiten außerhalb der Sprechstunden sei ausschließlich den kassenärztlichen Vereinigungen vorbehalten.

Die Tätigkeit der GOIN-akut-Ärzte reiche über eine bloße Beratung hinaus. Vielmehr handele es sich um eine ärztliche Behandlung, denn es würden regelmäßig auch telefonische Verdachts- oder Negativdiagnosen erstellt. Sobald ein Patient aufgrund der telefonischen Empfehlung auf einen Arztbesuch verzichtet, sei der Tatbestand einer verbotenen ausschließlichen Fernbehandlung erfüllt. Das Gericht hat daher den GOIN-akut-Ärzten die telefonische Behandlung von Kassenpatienten verboten. 

Quelle: PM des SG München 20.07.2017 zum Beschluss vom 17.07.2017 - AZ: S 28 94/17 ER

Was daraus folgt
  • Telefonsiche Verdachtsdiagnosen sind medizinische Behandlungen, die gegenüber Kassenpatienten verboten sind.
  • Wegen des hohen Rangs des Sicherstellungsauftrages bleibt dies ausschließlich der vertragsärztlichen Versorgung vorbehalten.
 
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 (ESV/bp)

Programmbereich: Sozialrecht und Sozialversicherung