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Leichte Sprache soll inklusive Bildung ermöglichen. (Foto: WavebreakmediaMicro - stock.adobe.com)
Auszug aus: „Leichte Sprache und Schule“

„Sprache öffnet uns die Welt und grenzt sie ein – im gleichen Moment.“

ESV-Redaktion Philologie
17.05.2024
Die Fähigkeit zu lesen, eröffnet uns die Welt, sie erteilt uns Zugang und ist Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Mündliche Konversationen allein reichen häufig nicht aus und doch verfügt nicht jeder Mensch über eine ausreichende Lesekompetenz. Kübra Gümüşay formuliert in ihrem Buch „Sprache und Sein“ von 2020 dieses Paradox so: „Sprache öffnet uns die Welt und grenzt sie ein – im gleichen Moment.“ Wo das Lesen Möglichkeiten schafft, schafft es auch Grenzen. Aber könnten diese durch Leichte Sprache überwunden werden?
Diese Frage hat sich auch Diana Nacarlı gestellt. Mit dem Wissen, dass die Wortschatzkompetenz einen Einfluss auf Lesekompetenz hat, untersucht sie, ob Leichte Sprache wiederum einen Einfluss auf die Wortschatzkompetenz ausübt. In ihrem neuen Buch „Leichte Sprache und Schule“ befasst sich Nacarlı daher mit Leichter Sprache im Kontext der Schule und wie diese didaktisch wertvoll eingesetzt werden kann, um beispielsweise Schülern und Schülerinnen mit Lernschwierigkeiten weiterzuhelfen. Der folgende Auszug gibt einen ersten Einblick in diese Thematik. Wir wünschen Ihnen erkenntnisreiche Einblicke.
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„Sprache entscheidet darüber, welche Zugänge Menschen zu „Dingen“ (im Sinne Karl Bühlers) in der Welt haben und welche Wahrnehmungen der „Dinge“ sprachlich konstruiert werden. […] Ein wesentlicher Faktor, der darüber entscheidet, wie erfolgreich gesellschaftliche Teilhabe für ein Individuum erfolgen kann, ist die Lesekompetenz. Die „Dinge“ in der Welt im Allgemeinen und in einer Gesellschaft im Besonderen werden nicht nur mündlich übermittelt, sondern vor allem schriftlich festgehalten. Die schriftliche Kodierung dieser „Dinge“ erstreckt sich unter anderem über philosophische oder literarische Texte bis hin zu alltagspraktischen.

[…] Wenn jedoch wichtige Informationen aus der Schule, die das eigene Kind betreffen, oder Informationen über den richtigen Gebrauch eines Medikaments nicht zugänglich sind, stehen Betroffene vor einem oder sogar mehreren Problemen, die zuweilen auch die eigene Gesundheit betreffen können.

[Studien haben gezeigt], dass die Wortschatzkompetenz einen erheblichen Effekt auf das Leseverstehen bzw. die Lesekompetenz hat. Daraus ergibt sich, dass der „Wortschatz [ein] wichtiger Prädiktor des Leseverstehens“ (Philipp. Das vernachlässigte Füllhorn der Sprache. 2012: 5) ist. […] Der wesentlichste Zusammenhang zwischen Wortschatzkompetenz und Textverstehen ist daran anknüpfend, dass, wenn mehr als 5 % der Wörter eines Textes unbekannt sind, es kaum möglich ist, sich diese über den Kontext zu erschließen, um ein kohärentes Textverständnis zu konstruieren (vgl. Nation. Learing Vocabulary in Another Language. 2013: 352).

Nachgefragt bei Dr. Diana Nacarlı 21.05.2024
„Leichte Sprache ist eine Varietät, die dem Abbau sprachlicher Barrieren dient“
Texte lesen und verstehen zu können ist eine wesentliche Voraussetzung, um am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Doch was bedeutet es, wenn ein geschriebener Text zu kompliziert ist? Menschen mit Leseschwierigkeiten können beispielsweise bereits auf Probleme stoßen, wenn Sie einen Elternbrief oder den Beipackzettel eines Medikaments lesen wollen. Wenn jedoch wichtige Informationen aus der Schule, die das eigene Kind betreffen, oder Informationen über den richtigen Gebrauch eines Medikaments nicht zugänglich sind, stehen Betroffene vor großen Schwierigkeiten. Anlässlich der Veröffentlichung ihres Buchs „Leichte Sprache und Schule“ haben wir mit Diana Nacarlı gesprochen. Sie hat uns erzählt, worum es sich bei Leichter Sprache handelt, welche Möglichkeiten sie bietet und warum sich das Buch auf den Schulkontext bezieht. Lesen Sie im Folgenden das komplette Interview. Viel Spaß. mehr …

[…] Die Leichte Sprache mit ihrem Anspruch, für alle Menschen verständlich zu sein, könnte hierbei auch für die Schule ein interessantes Mittel zur Differenzierung und Förderung sein. Der Anspruch von Institutionen, die sich für Leichte Sprache einsetzen, ist prinzipiell, selbstständige Teilhabe innerhalb einer Gesellschaft für alle Menschen zu ermöglichen (vgl. Netzwerk Leichte Sprache 2013). […] Beispielsweise sorgt die Begrenzung der sprachlichen Mittel in der Leichten Sprache dafür, dass hauptsächlich alltagssprachliche Wörter und zudem solche mit einer hohen Gebrauchsfrequenz verwendet werden sollen.

[…] Ziel dieser Arbeit [ist], zu überprüfen, inwiefern Leichte Sprache einen Einfluss auf die Wortschatzkompetenz und damit auch auf das Leseverstehen hat. Dazu wird in dieser empirischen Forschungsarbeit die Beantwortung folgender Fragestellungen beabsichtigt:
  • Hat Leichte Sprache einen Einfluss auf die Wortschatzkompetenz?
  • Inwiefern fördern Optimierungen auf der Wortebene das Lese- bzw. Textverstehen?
  • Führen die verschiedenen sprachlichen Kodierungen zu vergleichbaren lexikalischen Repräsentationseinheiten?
  • Hat Leichte Sprache das Potenzial zum wortschatzdidaktischen Schlüssel für die Arbeit im inklusiven Unterricht?
Diese Arbeit wird […] die Untersuchung dieser Fragestellungen mit Blick auf den Nutzen für Schüler*innen mit einer spezifischen Sprachentwicklungsstörung durchführen.

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Falls Sie, liebe Leserinnen und Leser, nun neugierig geworden sind und mehr wissen wollen, können Sie das Buch oder das eBook hier bestellen.

Zur Autorin
Dr. Diana Nacarlı arbeitet an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Deutsche Philologie/Didaktik der deutschen Sprache. Sie forscht und lehrt zur Verwendung der „Leichten Sprache“ und ist stellvertretende Diversitätsbeauftragte der Philosophischen Fakultät an der Universität Kiel.

Leichte Sprache und Schule

von Diana Nacarlı

Durch das Recht auf inklusive Bildung sind Bildungsinstitutionen wie die Schule vor die Herausforderung gestellt, Lerngelegenheiten so zu gestalten, dass sie für alle Schülerinnen und Schüler zugänglich sind.
Insbesondere im Zusammenhang mit der Zugänglichkeit von Texten wird in den letzten Jahren auch in der didaktischen Forschung immer häufiger diskutiert, inwiefern sich Leichte Sprache zu diesem Zweck einsetzen lässt. Eine grundlegende Bedingung für den Einsatz Leichter Sprache im Unterricht ist allerdings, dass durch sie ein Kompetenzausbau möglich ist. Kann Leichte Sprache das leisten? Das Buch gibt Antworten auf diese Frage.

Programmbereich: Germanistik und Komparatistik